Karma, Baby!

Everything is okay in the end. Glaube ich wirklich. Gelegentlich dauert es halt ein bisschen länger mit dem Okaywerden, aber es ist Verlass drauf. Deshalb wusste ich: Auf 14 Flugstunden Buenos Aires-Sao Paulo-London mit vier Kleinkindern in derselben Sitzreihe wie ich und einem kaputten Entertainment-System (also ohne die üblichen fünf Spielfilme am Stück, die ich mir sonst auf Langstreckenflügen gebe) folgt die Wiedergutmachung. Und so war es. London-Mumbai: schwach gebucht, also eine ganze Sitzreihe nur für mich zum Langmachen = fünf Stunden Schlaf. In Heathrow/Terminal 5 noch geistesgegenwärtig Frühstück und Dinner fürs Flugzeug eingekauft (Birchermüsli, tropischer Fruchtsalat, Salat mit Lachs und Flusskrebsen, Müsliriegel von Prêt à Manger), wie man es vor einem British Airways-Flug immer machen sollte = der Neid meiner Mitreisenden. In Mumbai von einem livrierten Fahrer abgeholt worden, denn das Four Seasons, das von meiner Weltreise Wind bekommen hatte, hat mich sensationellerweise eingeladen, hier zwei Tage lang meinen Jetlag auszuschlafen. Und jetzt ein Kamillentee und ab ins Bett. Ich muss morgen den ganzen Tag arbeiten, also bitte keine ersten Eindrücke erwarten. Es wird höchstens den einer vermutlich fabelhaften Massage im Spa während einer Schreibpause geben. Halt, einer noch: Außentemperatur nachts um 1.30 Uhr beim Verlassen des Flughafengebäudes: 29 Grad.

Here we go again

Ich bin dann mal woanders. 14 Stunden Flug nach London über Sao Paulo, drei Stunden Aufenthalt, 10 Stunden Weiterflug nach Mumbai. Bis bald!

10 Dinge, die ich in Buenos Aires gelernt habe

1. Spanisch. Un poco.
2. Tango. Un poquito. Und dass es nichts für mich ist.
3. So eine Kuh hat viele schöne Teile.
4. Es ist menschenmöglich, eine Blutwurst zu essen.
5. Wenn man spät zu Abend isst (wie hier, nämlich gegen 22 Uhr), bedeutet das nicht, dass man am nächsten Morgen nicht schon wieder Platz für drei Medialunas hätte.
6. Ich rede zu viel vom Essen. Muss sich ändern.
7. Bevor ich aber damit anfange: Gancia batido. Hammer. Sollte man sofort nach Deutschland importieren, es könnte endlich den blöden Aperol Spritz ablösen.
8. Practise random acts of kindness and senseless beauty.
9. Es gibt tatsächlich eine Stadt auf der Welt mit noch mehr Hundehaufen auf der Straße als Berlin.
10. Wenn man es besser weiß, sollte man es auch besser machen. Ein einziges Mal ziehe ich mit meiner gigantischen Lieblingstasche, die ich sonst nur als Handgepäck auf Langstreckenflüge mitnehme, auf den Flohmarkt, schon ritzt mir eine Diebin mit dem Skalpell einen Schlitz rein. Hat ihr nichts gebracht, der blöden Kuh, es gibt ein Innenfutter – und das wichtige Zeug ist sowieso nicht da unten im Beutel. Aber trotzdem: die Worte „eigentlich“ und „nur ein einziges Mal“ sind Garantie dafür, dass was Doofes passiert. In diesem Fall: fast passiert. Und überhaupt: Flohmärkte…

Markttag

Das somnambule Geschiebe auf Flohmärkten ertrage ich normalerweise nicht. Und auch nicht das weltweit identische Angebot an Glitzerschals, Holzmasken, lustigen Sonnenbrillen, geschnitzten Trollen und kandelaberartigen Ohrgehängen. All das findet sich auch auf dem Sonntagsmarkt in San Telmo, besonders entlang der calle Defensa, ergänzt durch die lokalen Spezialitäten: Fedoras im Nadelstreifenmuster à la Gardel, Tangopaare aus Silberdraht, Strickmützen mit Inka-Muster und handgemalte Belle Epoque-Kloschilder („Pipi Room“). Gezögert habe ich immerhin kurz bei diesen Mate-Trinkgefäßen. Schon rührend, wie sich Gauchos auf diese Weise schöne Erinnerungen an ihre treuen Zossen verschaffen. (Oder ihr letztes gutes Steak.)

Nähert man sich der Plaza Dorrego, dem Epizentrum von San Telmo, wird es deutlich schicker. Hier finden sich teure Antiquitätengeschäfte, die natürlich auch und besonders am Sonntag geöffnet sind und in denen es auch mal in die Tausende, wenn nicht Zehntausende von Pesos geht bei den feinen Sachen aus den großbürgerlichen Palästen von Recoleta. Mich erheitern dabei am meisten die überall geparkten amerikanischen Männer, die gottergeben auf ihre antiquitätenjagenden Gattinnen warten. Hier eine kleine Auswahl:

Et tu, Meike? Nix gekauft? Öhm… doch. In einem der Geschäfte habe ich ganz hinten links ganz oben in der Ecke eine einsame kleine versilberte Teekanne entdeckt. Mit der Gravur „Pension Callao“. Und weil ich doch den letzten Monat sehr glücklich in meinem Palast in der Avenida Callao verbracht habe, musste ich einfach… Serendipity! Mein Spanischkurs hat sich sofort bezahlt gemacht („Esta teteria mi gusta, cuánto cuesta?“) und ich hab sie sogar von 45 auf 25 Euro heruntergehandelt (langes grübelndes Drehen in den Händen, Stirnrunzeln, Zurückstellen, Seufzen – „demasiado“ –, huldvolles Nachdenken über einen Gegenvorschlag, Zaudernzaudernzaudern: alles von meiner Mutter gelernt). Ich habe jetzt also exakt zwei Souvenirs: einen Salzlöffel mit Schnabeltier aus Sydney, eine Teekanne aus Buenos Aires. Ich sehe da natürlich ein Muster und habe beschlossen: ab jetzt in jeder Stadt ein Stück Tafelsilber. Oder Tafelblech. Zwei sind der Anfang einer Sammlung. Oh, ich höre gerade etliche Menschen in Hamburg aufstöhnen…

Außerdem gefällt mir die Idee, mit einer versilberten Teekanne um die Welt zu reisen. Es hat was von Phileas Fogg.

La Poésia

Buenos Aires ist mächtig stolz auf seine Schriftsteller. In jeder Bar und jedem Café hängen die Fotos der hiesigen Geistesgrößen, der arme Jorge Luis Borges kann eigentlich kaum zum Schreiben gekommen sein, wenn wirklich jedes Etablissement, das mit ihm wirbt, seine Stammkneipe gewesen ist. Das La Poesía in San Telmo, eine charmante Eckbar, behauptet das nicht – muss es aber auch nicht, denn es kamen genügend andere hierher. 1988 wurde es geschlossen, aber nie vergessen. Vor zwei Jahren machte es dann wieder auf und ist heute der richtige Ort für WWW-Poeten wie den jungen Mann oben links (Passwort für das WLAN hier: 5021).

Der Tisch am Fenster, an dem sitze, trägt eine verkratzte Messingplakette, fast nicht mehr zu entziffern: Hier habe der Dichter Horacio Ferrer 1982 Lucia Michelli kennengelernt. El mismo amor los une desde entonces, steht da: Seit damals vereint sie die gleiche Liebe.

La Poésia, Chile 502 y Bolivar

Neue Heimat

Vor zwei Wochen bekam ich diese Mail:

Sehr geehrte Frau Winnemuth,
ich bin in Buenos Aires geboren und habe dort meine Kindheit verbracht – eine Stadt, die ich liebe und die mir immer wieder Spaß macht, wenn ich sie besuche. Ich lebe seit 1985 in Deutschland.
Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, für eine Woche in unserem Apartment in San Telmo zu wohnen. Die Einladung ist wirklich frei von irgend einer Gegenleistung, Sie sollen weder drüber schreiben noch es irgendwo erwähnen, wir werden es auch nicht machen.
Ein Hintergedanke ist aber selbstverständlich dabei: Ich möchte, dass Sie San Telmo eine Woche lang so erleben, wie San Telmo wirklich ist, ohne Klischees, ohne den Druck dahin fahren zu müssen, einfach sich mit den Menschen dort wohl fühlen und sie kennenlernen. Von San Telmo ist viel geschrieben worden und es steht in jedem Reiseführer, aber dort zu wohnen ist noch mal etwas anderes. Die Menschen dort sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Das Angebot ist ernst gemeint, die Wohnung befindet sich in Dr. José Modesto Giuffra, zwischen den Straßen Defensa und Balcarce, mitten im Zentrum von San Telmo, der link dazu: http://tangoytango.com
Ich würde mich freuen, wenn Sie mein Angebot annehmen.
Beste Grüße,
András Semsey

Unglaublich, oder? Unglaublich nett, und deshalb habe ich das Angebot auch angenommen. Natürlich. The kindness of strangers. Auf San Telmo, den ältesten Stadtteil von Buenos Aires, war ich sowieso neugierig, ich hatte es bislang noch nicht so richtig hingeschafft. Wie toll also, mittendrin wohnen zu dürfen.

Die Wohnung entpuppte sich als kleines, kompaktes Apartment mit einer Wendeltreppe in die obere Etage, in der Schlafzimmer und Bad liegen, und einem schmalen Balkon mit schönem gusseisernem Gitter hinaus auf die ruhige Pasaje Giuffra. Das Schönste aber war das Haus selbst: um einen verwunschenen Innenhof herum gebaut, siehe oben. Aus organisatorischen Gründen bin ich erst gestern hergezogen und auch nur für ein verlängertes Wochenende – und habe es fast sofort bedauert. Denn dies ist ein ganz anderes Buenos Aires, als ich es bisher erlebt habe. Ein fast dörfliches.

An Sonntagen, wenn hier der große Antiquitätenmarkt stattfindet (um den ich an diesem Wochenende definitiv nicht herumkomme) und an den Abenden kann San Telmo zu einer Art Tango-Disneyworld werden, tagsüber und unter der Woche ist es ein verschlafenes kleines Kopfsteinpflaster-Paradies. Im Mercado, rechts oben, kann man Rinderzunge und Perlmuttknöpfe kaufen, im Fenster der Bar Sur, links unten, hängt ein Foto, das den Besitzer stolz mit „Frank Beckembaüer“ zeigt (und mit Liza Minelli, die übrigens in jedem Fenster der Stadt hängt, die hat hier wirklich nichts ausgelassen). Die nächsten Tage also: nur San Telmo, ein schöner Abschluss dieses Monats.

Buenos Haires

Argentinische Männer gehören objektiv zu den bestaussehenden Kreaturen der Erde. Von vorn. Von hinten hingegen… Vokuhilas, Kevin-Zöpfchen, ölige Minipli-Matten, wohin man schaut. Eine Tragödie.

Mein Vertrauen in das hiesige Friseurwesen war also nicht überwältigend groß. Trotzdem brauchte ich dringend einen Haarschnitt. Was tun? Per Mundpropaganda stieß ich auf Ryan Oakley, einen Kanadier, der vor drei Jahren nach Buenos Aires gezogen war, mit zwei Koffern, einer Buddha-Statue und einer gewissen Zickigkeit im Gepäck. Hieß es jedenfalls. Er sei teuer, aber jeden Cent wert.

Teuer bedeutet in Buenos Aires: 27 Euro für einen richtig guten Schnitt, für den man in Deutschland das Doppelte hingelegt hätte. Plus eine vergnügte Stunde in seiner Wohnung in Recoleta mit vielen Geschichten. Wie zum Beispiel derjenigen, als er seinem Vater, der die längste Zeit ein Problem damit hatte, einen schwulen Friseur zum Sohn zu haben, vor seiner Abreise nach Südamerika zum ersten Mal die Haare schnitt. Und der ihm dafür 1000 Dollar zahlte. „Das wollte ich dir mit auf die Reise geben. Ich glaube an dich, du machst das schon.“

Termine über: r_oakley@hotmail.com

Swinging

Vieles in Buenos Aires scheint entweder ganz alt oder ganz neu zu sein, Bauten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts gehen dabei eher unter. Eine der schönsten Ausnahmen ist das Café Florida Garden, das mal nicht das Klischee der bröckelnden Pracht erfüllt, sondern reinrassiges Sixties-Design bietet – und zudem eine Rückzugsmöglichkeit von der etwas nervigen Fußgängerzone Florida. Draußen: alle paar Meter ein Lederjackenverkäufer oder Tourenveranstalter, der einen kobern will. Drinnen: weißlivrierte Kellner, die einem gern mal ein Stückchen Brownie zuschieben, wenn man an der Theke steht.

Florida 899/Paraguay, Buenos Aires

Hello again

Damen und Herren, einen großen Applaus bitte für Herrn Ole Kock, der sich jetzt einige Nächte damit um die Ohren geschlagen hat, dieses Ding hier wieder zum Laufen zu bringen. Er hat den Webspace auseinander genommen, mit Sagrotan feucht durchgewischt, WordPress neu installiert und und die geretteten Posts und Kommentare reinstalliert.

Was passiert ist: Diese Seite hatte sich einen Trojaner eingefangen, deshalb haben wir sie vom Netz genommen. Sie musste in Quarantäne und einmal gründlich ausgeräuchert werden, damit sich der Virus nicht weiterverbreitet.

Kann es sein, dass Sie sich mit dem Trojaner angesteckt haben? Bei Macs unwahrscheinlich (dafür lieben wir Mac-User sie ja auch so), bei PCs aber möglich. Ich kopiere hier mal zur Sicherheit den Ratschlag von Leser „just me“:

Tipps zum Bereinigen:
(1) Virenscanner laufen lassen (z. B. antivir, in Quarantäne, aus Quarantäne löschen).
(2) Cache des Browsers leeren.
(3) Java (wenn älter als V. 6.24) deinstallieren, dann neue Version installieren.
(4) Und dann noch malwarebytes drüber laufen lassen.

Webdoktor Ole empfiehlt für PCs ebenfalls die kostenlosen Programme AntiVir und ZoneAlarm. Die Empfehlung meines Providers 1&1 will ich Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten:

Um einen möglichen Virus von Ihrem Computer zu entfernen und ihn in Zukunft vor schädlichen Viren zu schützen, empfehlen wir Ihnen die professionelle Anti-Viren-Software Norton 360 oder Norton Internet Security.
Weitere empfohlene Anti-Viren-Programme sind:
- Spyware Doctor: http://www.pctools.com/spyware-doctor/
- Lavasoft Ad-Aware: http://www.lavasoft.com/products/ad-aware_se_personal.php
- MacScan (für Mac-User): http://macscan.securemac.com/download.html

Es ist möglich, dass die Seite trotzdem noch als „malicious site“ angezeigt wird – laut 1&1-Hotline ist das normal, da in den logfiles, die man nicht löschen kann, derartige Vorgänge festgehalten worden und davon künden, dass da mal was war. Aber jetzt ist alles gut. Und bleibt hoffentlich auch so. Denn nicht nur Sie als Leser waren auf Entzug, ich war es auch.

Mir tut das Ganze furchtbar leid, ich hoffe sehr, dass niemand durch das Lesen dieses Blogs zu Schaden gekommen ist. Diese Seite ist dazu gedacht, den Reisevirus zu verbreiten. Und sonst nichts.

Vor mir die Welten

Wenn ich mir so anschaue, wie winzig die Erde ist, denke ich: Ich gehe in diesem Jahr nur mal kurz um den Block.