10 Dinge, die ich in Äthiopien gelernt habe

Mittwoch, 30. November 2011

1. Kaffee trinken. 51 Jahre lang war ich fest davon überzeugt, keinen Kaffee zu mögen. Dabei mochte ich nur den deutschen Filterkaffee nicht. Buna hingegen, dieses starke, milde, völlig unbeißende äthiopische Teufelszeug…
2. In Konsequenz daraus: mein altes Mantra, alles mindestens einmal zu probieren, überarbeiten in: allem eine zweite oder dritte Chance zu geben. Vielleicht habe ich es es nur vor Jahren nicht gemocht, jetzt aber schon. Oder ich habe nur eine bestimmte Variante von etwas nicht gemocht. Ich verändere mich, die Dinge verändern sich – mit anderen Worten: revidieren, revidieren, revidieren.
3. Das gilt auch für mein ursprüngliches Reisekonzept, nur Städte zu besuchen. Was wäre mir entgangen, wenn ich die ganze Zeit in Addis geblieben wäre! Also: Pläne über den Haufen werfen, wenn sie sich im Lauf der Zeit als ungenügend entpuppen, Gelegenheiten nutzen, nicht starrsinnig sein. Ideen sind oft nur Initialzündungen, um den Karren in Bewegung zu setzen. Wenn er aber erst mal rollt, darf man sich auch wieder von ihnen verabschieden. Um Platz für neue Ideen zu machen.
4. Nur weil ich noch nie davon gehört habe, bedeutet es nicht, dass es nicht existiert. Meine Ignoranz in Sache äthiopischer Kultur und Geschichte und meine Überraschung, all diesen Reichtum im Norden zu finden, war eines der größten Aha-Erlebnisse dieses Jahres.
5. Die feinen Unterschiede erkennen lernen. Bestes Beispiel in Äthiopien: Injera, das schwammige Fladenbrot, das Basis jeder Mahlzeit ist, Teller und Esswerkzeug zugleich. Fand ich am Anfang schrecklich. Dann nicht mehr so. Dann habe ich gemerkt, dass es gutes und nicht so gutes gibt, feines, fast flauschiges, dann wieder zu säuerliches, zu zähes. Dann habe ich mir erklären lassen, dass gutes Injera ganz regelmäßige „Augen“ hat, Poren, mit denen man die Sauce besonders gut aufnimmt. Am Ende habe ich verstanden: Selbst ein so banales Allerweltsgericht aus einem der ärmsten Länder der Welt hat seine eigene Würde.
6. Mich nicht für etwas Besonderes halten. Jeder denkt immer über sich: Das, was anderen passiert, passiert mir bestimmt nicht. Zehn Monate lang war mir nichts gestohlen worden, nicht mal in der Klau-Metropole Barcelona. Also begann ich unvorsichtig zu werden und mich für die Ausnahme von der Regel zu halten. Und prompt…
7. Nicht scheu sein. Als bekennende Norddeutsche bin ich – vorsichtig gesagt – nicht sehr ranschmeißerisch. Einfach so mitsingen und mittanzen, wenn andere das tun – schwierig. Aber machbar, wie ich seit dem letzten Abend in Lalibela weiß.
8. Freundlichkeit annehmen. Mir ist eingebimst worden, anderen nichts schuldig zu sein und ihnen nicht zur Last zu fallen. Dass Menschen gern etwas für mich tun, dass es ihnen eine Freude ist, musste ich im Lauf des Jahres erst mühsam lernen. In Addis haben mir die Beckers einen Fortgeschrittenenkurs verpasst.
9. Hardcore-Anekdote in Sachen Annehmen am Rande: Auf der Fahrt durch den Norden haben wir mittags Rast gemacht, uns wie immer vor dem Essen die Hände gewaschen (Injera!). Fließend Wasser gab es nicht, so hat Dereje uns Frauen mit einem Schöpfgefäß die Hände gewaschen. Nach dem Essen ging ich auf die Toilette, hatte das mit dem fehlenden fließenden Wasser längst vergessen und merkte, als es zu spät war: Verdammt, die Spülung funktioniert nicht. Verdammtverdammtverdammt. Doch als ich die Klotür aufmachte, stand dort eine strahlend lächelnde alte Frau mit einem Eimer Wasser bereit, den sie sich auch nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Sie ging an mir vorbei und goss ihn mit Schwung in die Schüssel. Dankbarkeit hat ja viele Gesichter, meines war an diesem Tag schamrot.
10. Ich will einen Hund und ein Hund will mich. Die Erkenntnis habe ich Finn, dem irrsinnig charmanten äthiopischen Straßenköter der Beckers, zu verdanken. Mal sehen, ob das Konsequenzen hat.

The Great Ethiopian Run

Sonntag, 27. November 2011

Der Great Ethiopian Run, ein 10-Kilometer-Lauf durch Addis Abeba, findet dieses Jahr zum zwölften Mal statt. Gemeldet sind 36.000, mitlaufen wollen gefühlt weitere 10.000: Verwandte, Kaugummiverkäufer und Straßenkinder, die die leeren Plastikflaschen wieder einsammeln. Ich bin natürlich auch dabei – es geht ohnehin um nichts anderes als das Dabeisein, es gibt keine Startnummern, das Renn-T-Shirt ist die Teilnahmeberechtigung.

Wie immer bei solchen Charity-Läufen ist die Stimmung schon vor dem Start außerordentlich lustig. Es wird getanzt, gesungen, sich gegenseitig bemalt, viel fotografiert und noch mehr gelacht.

Der Start. Bei den Massen natürlich ein langsamer. Man schlendert langsam los – und wenn man schon mal dabei ist, belässt man es gleich beim Schlendern. Keine Eile: Immerhin ist Sonntag, das Wetter ist gut, man hat endlich mal Zeit zum Plaudern…

Kilometer 1: Wie immer faszinierend, wie hier alles sofort verziert, verändert, abgewandelt wird. Viele Renn-T-Shirts haben neue Ausschnitte, Perlenkanten und Fransen bekommen oder sind gleich zu Tanktops umgearbeitet worden.

Kilometer 2: Leute auf Stelzen, mit Löwenperücken, mit Karnevalsmasken, mit Stoffaffen auf dem Kopf… Der übliche Charityrun-Irrsinn.

Kilometer 3: Diese Jungs machen schon mal Bier-Pause. Spätestens hier wird klar: Das Rennen ist eine einzige zehn Kilometer lange ambulante Party – manchmal halt auch Stehparty. Die meisten machen einen gemütlichen Sonntagmorgenspaziergang draus, ich natürlich auch. Am Rand der Strecke spielen Bands, wird getanzt – wäre schade, an all dem Spaß einfach schnöde vorbeizulaufen.

Kilometer 4: Ich gehe ein Stück mit einer Japanerin, wir sind uns einig, dass es keine bessere Sightseeing-Methode gibt.

Kilometer 5. Seien wir realistisch…

Kilometer 6: Eine gewaltige Wasserkanone spritzt die Teilnehmer nass. Jetzt wird es langsam so richtig lustig.

Kilometer 7: Das diesjährige Motto des Laufs ist ein sehr defensives „Narrow the gap to meet the MDG goals“: Die Millennium Development Goals sind acht Entwicklungsziele bis 2015, die im Jahr 2000 von der UN beschlossen worden sind: Bekämpfung von Armut, Primärschulbildung für alle, Gleichstellung der Geschlechter… Dass vom Erreichen dieser Ziele nicht mal per T-Shirt-Aufdruck die Rede ist, sondern bestenfalls von einer Annäherung an sie, spricht sehr für hiesigen Realitätssinn. Viele im Feld starten zusätzlich für eine weitere Charity, die mal mehr, mal weniger Sinn macht: Equal access to HIV and AIDS? Hm… Age demands action: Das unterschreibe ich allerdings sofort.

Kilometer 8: Von einem Laster aus wird die Menge mit Wasserpacks bombardiert. Auch hier sofort gut gelauntes gegenseitiges Bespritzen.

Kilometer 9: Ich habe noch einen Kilometer vor mir, der hier aber längst alle hinter sich. Er ist alle Great Ethiopian Runs von Anfang an mitgelaufen, jetzt hat er eine Medaille mehr.

Am Ziel! Zehn Kilometer in 2:07:12, ein neuer Rekord (an Langsamkeit). Trotzdem: meine persönliche äthiopische Jahresbestleistung.

Die Medaillen sind leider schon alle vergriffen, dafür: jede Menge Erinnerungen an einen letzten unvergesslichen Tag in Äthiopien.

Lustig, lustig, tralalalala

Samstag, 26. November 2011

Heute: Weihnachtsmarkt in der deutschen Gemeinde. Mit Glühwein, Christstollen, Krippenspiel, Kinderchor („Bald ist Nikola-haus-a-bend da“), Adventskränzen. Ein seltsam herzerwärmender Anblick, das alles – eine kleine Heimat fern der Heimat.

Die hier musste mit: eine reizende handgesägte, etwa fünf Zentimeter lange Sternschnuppe für 40 Cent. Mit der werde ich in einem Monat Weihnachten auf dem Containerschiff feiern.

Damals

Freitag, 25. November 2011

Der Auftrag kam von einer SZ-Leserin, Ruth Paulig. Ihr Bruder Heinrich habe in den Siebzigern in Addis als Mathematikprofessor an der Uni gearbeitet und sehne sich sehr nach Äthiopien zurück. Aufgrund eines Schlaganfalls könne er aber nicht mehr reisen. Ob ich ihm bitte ein Tütchen Berbere besorgen könne, das scharfe äthiopische Gewürz, das er so liebt? Und bitte auch mal bei seiner alten Haushälterin Birke vorbeischauen, die mit ihren sechs Kindern bei ihm gelebt habe? Ihr ein bisschen Obst bringen – das ist so teuer geworden – und Geld für Medikamente?

Aber natürlich, sehr gern. Birke wohnt in einem winzigen Haus unweit des zentralen Platzes Arat Kilo. Ihr Sohn Getenet holt mich netterweise ab, allein hätte ich den Weg durch die engen Gassen kaum gefunden. Der Besuch entwickelt sich schnell zu einer Reise in die Vergangenheit. Birke holt alte Fotoalben hervor, „ihren Schatz“, sagt Getenet. Darin unzählige Bilder nicht nur ihrer eigenen Familie, sondern auch welche von all den Menschen, für die sie im Lauf ihres Lebens gearbeitet hat, Deutsche, Franzosen, Familien, deren Kinder sie aufwachsen und schließlich gehen sah. Auf mehreren Fotos ist sie mit einem weißen Baby auf dem Arm zu sehen: Michael, der in Addis geborene Sohn von Heinrich – heute ein erfolgreicher Wissenschaftler, er leitet einen Forschungsbereich an der TU München.

Wir reden viel über Vergangenheit und Erinnerung. Ich frage Getenet, dessen Kinderbilder ebenfalls im Album kleben, wie alt er sei. „41 oder 42“, sagt er. Das wisse er nicht? Nein, das kann er nur schätzen. In Äthiopien gebe es keine Geburtsurkunden, und seine Mutter könne sich nicht genau erinnern. Nicht mal an den Geburtstag? Nein: Er hat sich selbst einen gewählt. „Ich mag die Zahl 7, und ich mag den Monat Mai. Und ich mag Donnerstag. Also habe ich geschaut, in welchem Jahr der 7. Mai auf einen Donnerstag fiel.“

Natürlich gibt es buna, natürlich reden wir über die Sorgen, die die Familie gerade hat. Jeyuwork, die Tochter, die ihre Mutter zusammen mit einem Nachbarmädchen pflegt, hat gerade ihren Job verloren. Sie hat in einem Andenkenladen in einer Einrichtung des SOS-Kinderdorfs gearbeitet, dort sind gerade nach einem Korruptionsfall mehrere Stellen gestrichen worden. Getenet, ein Fahrer für eine Aids-Charity, unterstützt die Familie, ist aber viel unterwegs. Die Diabetes-Medikamente, die Birke braucht, sind teuer und müssen voll bezahlt werden, eine Krankenversicherung gibt es hier nicht. Ich räume sofort mein Portemonnaie aus.

Mich beschäftigen solche Fotos, solche Geschichten immer sehr: die Begegnungen und Berührungspunkte, die man im Leben hat (die auch ich in diesem Jahr habe), und die Wege, die sich danach wieder in ganz andere Richtungen entwickeln. Ich soll unbedingt die Fotos schicken, die ich an diesem Vormittag gemacht habe, sagt Getenet. Die wird er ausdrucken. Und die werden wahrscheinlich bald neben all den anderen im Album seiner Mutter kleben.

Im Norden, letzter Abend

Mittwoch, 23. November 2011

„Was um Himmels willen ist das denn?“ fragte ich, als ich dieses Ding am Horizont auftauchen sah. „Da fahren wir hin. Da trinken wir jetzt ein Bier“, sagte Netsanet. Das Ding heißt Ben Abeba und ist ein neues Café-Restaurant in Lalibela, vor gerade mal vier Wochen eröffnet. Eine seltsam amorphe Struktur, die man über spiralförmige Beton- und Holzplankenpfade besteigt. Oben drei satellitenförmige Plattformen, die über der Landschaft zu schweben scheinen, darunter ein großer, offener Essraum, eine moderne, ebenso offene Küche, kokonartige Toiletten – völlig irre und unerwartet an einem Ort wie diesem. Aber was war in dieser Woche eigentlich nicht irre und unerwartet? Es war also genau der richtige Platz für unseren Abschiedsabend.

Das Ben Abeba ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Susan, einer schottischen Hauswirtschaftslehrerin, die eigentlich nach Lalibela kam, um Englisch zu unterrichten, und Haptuma, der hier ein Taxi- und Leihwagenunternehmen betreibt. Die beiden haben Architekturstudenten völlig freie Hand gelassen, etwas Einmaliges zu entwerfen. „Na gut, ein bisschen bremsen mussten wir sie schon“, sagte Haptuma – wenn das hier die gebremste Version ist, mag man sich die ursprünglichen Entwürfe kaum vorstellen. Susan und Haptuma flitzen glücklich über alle Ebenen, die schon jetzt, so kurz nach der Eröffnung, gut besucht sind: „Wir mussten gar nichts machen, es lief alles über Mundpropaganda.“ Ein weiterer Beweis, dass Mut und ein Schuss Verrücktheit meist zu den schönsten Resultaten führt – zumal in einem Land, das noch jede Menge Raum für beides lässt. Ben ist schottisch für Hügel, Abeba amharisch für Blume, und irgendwann soll rund um das Ding ein veritabler Dschungel entstehen, der gerade angepflanzt wird.

Für uns drei ist es Zeit für den Abschied: Netsanet und ich werden am Morgen zurück nach Addis fliegen, Dereje fährt den Wagen in zwei Tagesetappen über die gut 700 Kilometer heim nach Addis. Noch ein Bier, ein letztes Essen (später der Umzug in einen Laden mit Gesang und Tanz und Tej, dem äthiopischen Honigbier), und jede Menge Gelächter.

Schön war’s, und deshalb jetzt ein paar Dankesworte: Diese Woche im Norden habe ich der Großzügigkeit von Marco Polo Reisen zu verdanken, die mir innerhalb einer Woche die Reise zusammengeschneidert haben, nachdem ich in meiner berüchtigt erratischen Art beschlossen hatte, ein bisschen vom Land sehen zu wollen. Sehr herzlichen Dank an Frano Ilic und Karin Graf vom Mutterunternehmen Studiosus, die das alles möglich machten, und an Adonay Tour, die die Organisation vor Ort unternommen haben. Ich habe eine ähnliche Reiseform – allein mit Fahrer und Guide – ja schon im März mit meiner Freundin Rose in Indien ausprobieren können und würde es immer wieder so machen. Es ist persönlich, flexibel, lustig, erlebnis- und erkenntnisreich. Und hat mich in Hütten und Paläste, zum Allerheiligsten und Allerprofansten geführt – an Orte, die ich allein nie gefunden hätte. Ein eiskaltes Dashen-Bier auf alle Beteiligten, es war ein einziges Vergnügen.

Und jetzt wieder (seufz) Addis.


Im Norden, Tag 8: Lalibela

Dienstag, 22. November 2011

Wenn man nur einen Ort in Äthiopien ansehen könnte, sollte es Lalibela mit seinen elf Felsenkirchen sein. Am Ende dieses Tages war ich zutiefst beschämt, dass ich vor meinem Äthiopien-Monat noch nie von diesem Ort gehört hatte. Das mag an meiner mangelnden Bildung liegen, aber ich vermute, ich bin nicht die einzige. Wie kann es sein, dass die ägyptischen Pyramiden weltberühmt sind und diese Bauten, ein mindestens ebenso großes Weltwunder, kaum bekannt?

Am Beispiel einer der Kirchen, des kreuzförmigen Bet Giyorgis, lässt sich das, was hier geschaffen wurde, besonders gut erklären: Die zehn bis dreizehn Meter hohen Bauten wurden direkt aus dem Basalt herausgeschlagen. Von oben nach unten wurde der Fels um sie herum abgetragen, anschließend wurden sie ausgehöhlt – wenn man das so profan nennen will, denn im Inneren finden sich feinst herausgemeißelte Säulen und Apsiden. Der Bauplan muss von Anfang an bis im Detail festgestanden haben, wie man an den Wasserrinnen von Bet Giyorgis sehen kann, die ja fast als erstes herausgemeißelt sein müssen. Und, fast noch unglaublicher: Jede Kirche ist anders, folgt einem anderen Baustil, und das, obwohl sie über einen Zeitraum von nur 100 Jahren entstanden sind.

Die Kirchen sind im 12. Jahrhundert von König Lalibela beauftragt worden. Um ihn ranken sich, wie um alles in Äthiopien, viele Legenden. Als Kind sei er von einem Schwarm Bienen umgeben worden, die ihm jedoch nichts antaten, Lalibela heißt entsprechend „Den die Bienen als Herrscher anerkennen“. Später soll er von seinem eifersüchtigen Bruder, dem damaligen König, vergiftet worden sein und habe drei Tage im Koma gelegen. Dabei sei ihm der Bauplan eines zweiten Jerusalem als Vision erschienen. Eine andere Version besagt, dass er nach dem Attentat für 25 Jahre nach Jerusalem floh und zurückkehrte mit dem Plan, eine zweite Stadt dieser Bedeutung zu bauen. Bis heute ist Lalibela der neben Axum heiligste Pilgerort äthiopischer Christen. Zu Weihnachten kommen 500.000 Gläubige hierher. Doch auch im Alltag sind die Kirchen alle in Betrieb; Priester, Betende, Touristen, Führer leben in friedlicher, andachtsvoller Koexistenz. (Bis auf einige, die sich die beinah naive unschuldige Atmosphäre zunutze machen: 1997 verschwand das sieben Kilo schwere Goldkreuz von Lalibela, ein nationales Heiligtum. 1999 wurde es im Gepäck eines ausreisenden belgischen Antiquitätenhändlers gefunden.)

Bet (= Haus) Amanuel: klassisch strenge axumitische Baukunst, innen wie außen mit präziser Geometrie gestaltet.

Bet Maryam ist innen besonders reich verziert, auch der Davidstern findet sich an seiner Decke. Am faszinierendsten aber fand ich die verhüllte Säule. Angeblich befinden sich eingraviert auf ihr die zehn Gebote in der alten Landesschrift Ge’ez, aber auch Details zum Bau der Kirchen sowie zu Beginn und Ende der Welt. Der Legende nach habe die Säule bis ins 16. Jahrhundert geleuchtet, die Priester haben bislang nie zugelassen, dass sie enthüllt wird, nicht einmal zu wissenschaftlichen Untersuchungen. In regelmäßigen Abständen wird sie in neues Tuch gekleidet.

Die Kirchen, die in zwei größeren Komplexen und der Einzelkirche Bet Giyorgis angeordnet sind, sind untereinander durch ein labyrinthisches System von Gräben und Gängen verbunden. Der beeindruckendste davon ist gut 15 Meter lang, unterirdisch und ohne jegliches Licht. Man tastet sich durch tiefste Schwärze, die eine Hand an der rauen Wand, die andere über dem Kopf, um sich nicht zu stoßen – damals wie heute ein Glaubenstest.

Noch mal, weil es wirklich so unglaublich ist: Jedes noch so kleine bauliche Detail, innen wie außen, musste mühsam aus dem Fels herausgemeißelt werden. Auch scheinbar nebensächliche Funktionen wie diese Durchgriffe zum Befestigen von Öllampen oder Vorhängen.

Eines der amüsanten Rituale von Lalibela ist, dass einem ein lizensierter shoe bearer zur Seite gestellt wird: In den Kirchen muss man die Schuhe ausziehen, der shoe bearer passt auf sie auf und trägt sie gelegentlich auch schon zu einem anderen Ausgang voraus, wenn man mal wieder durch das Labyrinth der Gänge woanders landet als am Ausgangspunkt. Eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme natürlich, aber eine charmante. Einige Touristen lassen sich von ihren Jungs die Schuhe binden, ich habe unserem (oben beim messerscharfen Bewachen von Netsanets und meinen Sneakern) freundlich klar gemacht, dass ich das auch alleine kann.

Eine Erklärung für die relative Obskurität von Lalibela ist sicher der Umstand, dass es lange legendär unerreichbar war. Jahrtausendelang führte keine Straße in das Gebiet, der britische Historiker Thomas Pakenham brauchte noch Mitte der Fünfziger vier Tagesreisen auf dem Maultier, um von Dessie nach Lalibela zu gelangen. Lange kamen jährlich vielleicht fünf Besuchergruppen. Bis Ende der Neunziger waren die Pisten in der Regenzeit unbefahrbar, auch der Flugverkehr konnte nur in der Trockenzeit stattfinden: Die Startbahn des 25 Kilometer entfernten kleinen Flughafens ist erst seit kurzem asphaltiert.

Unglaublicher Ort, oder? Man taumelt heraus, zutiefst berührt, ergriffen, demütig, fassungslos. Und einmal mehr dankbar dafür, all das sehen zu dürfen.

Im Norden, Tag 7: Von Mekele nach Lalibela

Dienstag, 22. November 2011

Ein weiterer Reisetag: neun Stunden Autofahrt, gottlob meist über Asphaltstraßen. Ich finde diese reinen Fahrstrecken meist mindestens so interessant wie die Besichtigungstage. Und das nicht nur, weil es links und rechts und erst recht auf der Straße viel zu sehen gibt – Menschenkarawanen auf dem Weg zum Markt, Ziegen-, Esels-, Kamel- und Rinderherden, die oft genug den Verkehr aufhalten, morgens meist Läufergruppen, aus denen vielleicht der nächste äthiopische Superstar hervorgeht, Schulkinder in bunten Uniformen, die Bücher unterm Arm –, sondern auch, weil die Stimmung in unserer Mini-Reisegruppe so ausnehmend gut ist. Dereje spielt seltsam hypnotisierende äthiopische Kirchenlieder und singt dazu (Netsanet grinsend: „he is a very religious boy“), aber auch Reggae und Country. Unser gemeinsamer Lieblingssong nach einer Woche: Don Williams, I’m Getting Good At Missing You. Mittags stoppen wir irgendwo, essen Injera und trinken eine Cola. Und jeden Spätnachmittag, wenn die Sonne golden über dem Land steht, sage ich wie ferngesteuert: „Dies ist meine absolute Lieblingstageszeit“, was schon zu vielen Parodien geführt hat, ebenso wie die Tieranekdoten, die Netsanet bevorzugt erzählt. Kurz: Wir haben uns aneinander gewöhnt und einander lieb gewonnen. Von mir aus könnte es ewig so weitergehen.

Abends kamen wir in Lalibela an, für heute war es zu spät, noch etwas anzuschauen. Mir nur recht, denn so konnte ich ein bisschen programmlos durch die Gegend spazieren. Und endete im Old Abyssinian Coffee House, einem Café am Rand von Lalibela mit spektakulärem Blick über das Land. Perfekt für ein Feierabendbier, dachte ich. Eine ähnliche Idee hatte auch schon ein anderer, der mit über dem Abgrund baumelnden Beinen vor dem Café saß, siehe oben. Wir kamen schnell ins Gespräch: Er heiße Kevin, sei Ire, habe in Dublin ein Restaurant. Und komme immer mal wieder nach Lalibela, um hier Kochkurse zu geben, hauptsächlich für Restaurantbesitzer, die lernen wollen, auch für westliche Mägen zu kochen, was Einfaches, aber Gutes. Wir redeten noch ein bisschen über das Land, die Leute, die Schönheit, die Freundlichkeit. Er griff sich irgendwann meine Kamera, machte ein Foto von mir im Dunkeln, erzählte, dass er gern experimentiere, in der Antarktis schon mit Schnee gekocht habe und in der Wüste mit Sonne und auch viel fotografiere. Neugierig geworden, fragte ich nach seinem Nachnahmen: Thornton.

Eben habe ich ihn gegoogelt und musste wieder lachen: Kevin Thornton ist in Irland ein bekannter Fernsehkoch mit anscheinend legendären Ansichten zu Pommes Frites, hat es mit seinem Restaurant Thornton’s mal auf zwei Michelin-Sterne gebracht und einen Fotoband veröffentlicht. Hier, in Äthiopien, war er einfach nur ein netter Kerl mit einem Bier in der Hand, der mit mir diese Landschaft teilte. Auch dafür liebe ich das Reisen.


Im Norden, Tag 6: von Axum nach Mekele

Sonntag, 20. November 2011

In Yeha steht ein vermutlich jemenitischer Tempel aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die Steine mit atemberaubender Präzision aufeinandergepasst. Mich faszinierte aber wie immer mehr das Ungekämmte: ein kleines Kirchenmuseum, das sich im ersten Stock eines winzigen Gebäude auf dem Gelände befindet. Man steigt eine Holzstiege empor und steht in einem wundersamen Dachboden. Ein Mönch, der hier auch wohnt (in einer Ecke liegt zusammengerollt seine Matratze), zeigt mit langem Bambusstab auf seine Schätze: Silberkreuze, alte Bibeln aus Ziegenhaut, Steine und Tonkrüge, die auf seinem Tisch stehen. An der Wand hängen lederne Gebetsbuchhüllen und selbstgezogene Kerzen. Magisch.

In Tigray stehen rund 200 direkt in den Fels gehauene Kirchen. Eine der spannendsten erreicht man nur mit etwas Kletterei über Fels und knarrende Holzgerüste. Oben wird man mit Blick auf Land und Malereien aus dem 6. Jahrhundert belohnt. Für mich immer wieder erstaunlich, wie gut die Bilder aus Pflanzenfarben erhalten sind (auch wenn sie sicher mal vor ein paar hundert Jahren überpinselt worden sind).

Nach dem Abstieg wurden wir vom Aufpasser und seiner Frau zu buna und selbstgemachtem Joghurt eingeladen. Auf dem Boden duftende Eukalyptuszweige, und wie immer wurde in einem Räuchertopf Weihrauch verbrannt: Kaffeetrinken ist hier Erlebnis für alle Sinne.

Die Felsenkirche von Abreha we Atsbeha bei Wukro. Ein Hocker, der Charles Eames inspiriert haben könnte. Und dutzende von Stillleben.

Ich bin meist nicht schnell genug für die unglaublichen Vögel, die hier durch die Gegend flattern, aber diese Stare haben lange genug still gehalten. Und ja, sie sehen wirklich so aus, das ist nicht die Ricoh mit ihrem Grünstich.

Nachtrag. In Mekele landete ich im Gaza, einem ziemlich guten Beispiel für äthiopisches Nachtleben: ein riesiges Restaurant, natürlich mit Band und Tänzern – und ebenso natürlich mit einem offenen Fleischer-Büdchen, wo Fleisch frisch vom Tier geschnitten und zu Kitfo, dem roh gegessenen Hackfleisch, verarbeitet wird. Die Stimmung war wie immer großartig. Ich war jetzt schon ein paarmal nachts aus, und jedesmal war es ausgelassen: Es wird laut mitgesungen und zwischen den Tischen getanzt, auf eine derart schulter- und nackenintensive Weise, dass man’s schon beim Zugucken im Kreuz kriegt. Ein einziger großer Spaß. Auf dem Heimweg: vorbei an Kneipen, aus denen in sagenhafter Lautstärke die Übertragungen der englischen Premier League auf die Straße geblasen werden. Britischer Fußball ist hier fast noch verbreiteter als heimischer, fast jeder Äthiopier ist flammender Anhänger eines englischen Vereins (Dereje schwört auf FC Liverpool). Hat mit Übertragungsrechten zu tun. Ergebnis: unzählige Kinder auf der Straße, die stolz Rooney- oder Gibbs-Trikots tragen.

Im Norden, Tag 5: Axum

Samstag, 19. November 2011

Äthiopische Geschichte ist, zumindest in ihrer Frühzeit, eine wilde Mischung aus Legenden und nur wenigen handfesten archäologischen Erkenntnissen. Vieles ist reine Glaubenssache: dass die äthiopischen Kaiser Nachfahren des Sohns von König Salomon und der Königin von Saba seien, dass die Original-Bundeslade (die Steintafeln mit den zehn Geboten, das Allerheiligste des Judentums) von eben diesem Sohn, Menelik, aus Jerusalem entführt und bis heute in einer kleinen Kapelle in Axum aufbewahrt wird, zu der nur ein einziger auserwählter Wächter-Mönch Zugang hat – es ist alles großartigster Indiana Jones-Stoff.

Beide Legenden, die salomonische Abstammung der äthiopischen Herrscher und der Besitz der Bundeslade, sind essentiell für das nationale Selbstverständnis, und so ist es kein Wunder, dass auch neuere (mit anderen Worten: widersprüchliche) archäologische Entdeckungen sorgfältig in das Sagengewebe einflickt werden. Unser heutiger lokaler Führer Sistay ist ein Meister darin, Wissenschaft und Mythologie zu vermahlen und zu vermählen, es ist eine Freude, ihm bei seiner Akrobatik zuzuhören. Der Palast der Königin von Saba (oben), etwas außerhalb der Stadt gelegen, ist nachweislich aus dem 5. Jahrhundert, also 1500 Jahre jünger als die Legende behauptet? Ja sicher, aber doch nur, weil er auf den Grundmauern des ursprünglichen Palastes errichtet wurde… Und so weiter.

Unstrittig ist, dass Axum im vierten Jahrhundert von einem der ersten Konvertiten zum Christentum, König Ezana, regiert wurde. Das Axumitische Reich war eine der wichtigsten Hochkulturen seiner Zeit, unterhielt Handelsbeziehungen mit Indien, Persien und Rom. Bis heute unerreicht sind die Grabstelen, die über die ganze Stadt verteilt stehen. Hunderte sind es, vielleicht tausende, die unentdeckt unter den Feldern schlummern. Die höchste von ihnen (heute umgestürzt und zerbrochen) misst 33 Meter, ein 500 Tonnen schwerer Granit-Obelisk, gewaltiger als alles, was je in Ägypten gestanden hat. Bis heute weiß niemand genau, wer die Stelen gebaut hat und wie sie aufgerichtet wurden.

Um die Sache noch komplizierter zu machen: Auch unter Archäologen toben Grabenkämpfe, gibt es Vorwürfe von Plagiatsversuchen und unwissenschaftlicher Arbeit. Dabei ist höchstens ein Bruchteil dessen, was es zu entdecken gäbe, ausgebuddelt worden – kein Geld, keine wirkliche Dringlichkeit und vielleicht auch kein Interesse für diese weitgehend verschüttete Kultur. Um so aufregender, in die Grabkammern (oben angeblich die von Balthasar, einem der Heiligen Drei Könige) hinabzusteigen, die eben nicht Teil eines Touristentrampelpfades sind wie vergleichbare Fundorte in Griechenland, Italien oder der Türkei. Da, ein Kreuz in der Steinmauer, matt von einer Kerze erleuchtet. Und da, ist das ein eingemeißelter Elefant?

Und noch eine Entdeckung: Heute lasse ich mich endlich von Netsanet, Dereje und Sistay plattquatschen und probiere meinen ersten äthiopischen buna, den hiesigen Kaffee. Denn Äthiopien ist nicht nur Wiege der Menschheit, sondern auch Wiege ihres beliebtesten Rauschmittels. Kaffee, der seinen Namen der Provinz Kaffa verdankt, ist Staatsreligion, und folglich gibt es auch auch um ihn etliche Legenden: um Hirten, deren Ziegen plötzlich so lustig durch die Gegend sprangen, nachdem sie von einem Busch gegessen hatten, und um Bohnen, die zufällig ins Feuer fielen. Buna wird frisch geröstet und gemahlen, dann sehr lange zusammen mit Wasser gekocht und verliert dadurch seine Bitterkeit, also genau das, was mich olle Teetante immer von ihm abgeschreckt hat. Und verdammt, das Zeug schmeckt tatsächlich. Mit zwei Löffeln Zucker fast wie Schokolade, cremig, gar nicht beißend und bitter. Das Tässchen hat ordentlich Wumm, den Rest des Nachmittags springe ich selbst wie ein Zicklein durch die Stadt, amüsiert kommentiert von den anderen.

Bei der Gelegenheit gleich noch ein kulinarischer Nachtrag: sprice juice, auch eine hiesige Spezialität. Schichten von Frucht- und Gemüsesaft fast von Püreestärke, hier gesüßte Avocado und Mango, serviert mit einer halben Limone. Absolut köstlich.

Und schließlich noch einige Bilder aus Axum, nur so:

Im Norden, Tag 4: Fahrt nach Axum

Samstag, 19. November 2011

Heute: ein reiner Reisetag. 250 Kilometer bis Axum, wir brachen um sechs Uhr auf. „Wie lange werden wir brauchen?“ fragte ich. „Acht Stunden“, sagte Netsanet. Ich wollte es nicht glauben, aber sie sollte Recht behalten. Acht Stunden über steinige, staubige, holprige Schott-ott-otterpisten, Serpentinen rauf, Serpentinen runter. Man glaubt gar nicht, wie erschöpfend es ist, acht Stunden lang bis auf die Knochen durchgeschüttelt zu werden. In Axum haben wir drei uns schnell und maulfaul voneinander verabschiedet, jeder wollte nur noch ins Bett, und das nachmittags um zwei.

Zum Sundowner auf die Terrasse des Hotels Yeha (das hinsichtlich Schönheit & Elektrotechnik Mr. Martin’s Cozy Place in nichts nachsteht, aber dessen Badvorleger, links – offensichtlich eine Montagematte aus einer Reifenfabrik – mich sofort in beste, kichernde Laune versetzte): Ich werde zu einer lustigen Truppe Neuseeländer und Amerikaner herübergewinkt, die sich in Kairo kennengelernt und für einen Teil des Weges durch Afrika zusammengetan haben. Viele Biere später gesellt sich noch ein älterer Psychiater aus San Diego dazu, der sofort losschäumt, er sei es leid, hierzulande als walking wallet, als wandelnde Geldbörse betrachtet zu werden. Er wolle als Mensch, nicht als reicher Mensch behandelt werden, und wer ihn nicht respektiere, den respektiere er auch nicht, da habe er ja zum Hund seiner Mutter ein besseres Verhältnis als zu den ewigen Bettlern und Betrügern in diesem Land. Betretenes Schweigen, ich eröffnete sofort die Debatte, es wurde laut, es wurde hässlich, die anderen verabschiedeten sich lautlos, während wir uns weiter behakten. Ob er wirklich Psychiater sei, fragte ich ihn am Ende erschöpft, denn ich hätte selten jemanden mit einem derart verächtlichen Menschenbild getroffen, ob das eine Berufskrankheit sei, die Asbestlunge seines Standes. Und so weiter. Wie gesagt, hässlich. Wir kamen nicht recht weiter.

P.S. Einen Tag später treffe ich ihn wieder, frage betont freundlich, ob er einen schönen Tag gehabt habe. Und er, strahlend: den besten seit langem. Er sei in ein Privathaus eingeladen worden, zu einer Kaffeezeremonie. Diese netten Leute! Diese Herzlichkeit! Und ich muss mir schwer auf die Zunge beißen. Man muss einem reichen Stinkstiefel, der konservativ geschätzt das 2000fache eines durchschnittlichen Äthiopiers verdient, nur auf einen Kaffee einladen, und er findet die Welt in Ordnung. Vor allem findet er in Ordnung, dass man ihn einlädt und nicht etwa umgekehrt. Aber ich wollte nicht schon wieder die nächste Debatte vom Zaun brechen.

Diese zwei war ich noch schuldig: meine Reisebegleiter Netsanet und Dereje. Netsanet ist 24 und arbeitet seit ihrem Uni-Abschluss vor zwei Jahren als Reiseorganisatorin und Führerin. Ursprünglich wollte sie Ingenieurswissenschaften studieren, doch dort war alles voll, also wurde sie zwangsweise zu Tourismusmanagement verdonnert; freie Studienwahl gibt es in Äthiopien nicht. Wir reden viel über Lebensplanung. Sie ist die jüngste von sieben Geschwistern und will Heirat und Kinder so weit wie möglich hinauszögern: „Meine Schwestern waren mal solche tollen Frauen – aber wie langweilig sind sie geworden, seit sie Mütter sind.“ Dereje ist 32 und arbeitet seit neun Jahren als Fahrer. „Ich liebe meinen Job. Er ist so entspannt“, sagt er – und das, nachdem er einen Höllentag wie den heutigen hinter sich gebracht hat. Zwischendurch telefoniert er mit seiner eineinhalbjährigen Tochter („Hello sweetie!“).

Das ist kein Straßenbau, das ist die Straße. Genau so sieht die Piste über weite Strecken aus, an der einen oder anderen Stelle wird immer mal wieder gebaggert und planiert. Der Verkehr staut sich derweil, denn es gibt kein Entkommen – rechts der Berghang, links der Abgrund.