10 Dinge, ich ich in Indien gelernt habe
Freitag, 1. April 20111. Geduld zu haben. Mit sich, mit dem Land, mit der Kollision von beidem. Indien war der größte Kulturschock, den ich je erlebt habe. Nach drei Tagen wollte ich nur noch weg. Und bin unglaublich froh, durchgehalten zu haben. Ich war zwar bis zum Ende fassungslos, aber diese Fassungslosigkeit hat mir von Tag zu Tag besser gefallen. Sie hat sich auch verändert: Anfangs fassungslos über das Elend, den Dreck, die Armut, das Chaos, den Lärm, den Wahnsinn. Am Ende über die Schönheit, die Beharrlichkeit, die Vielfalt und immer noch den Wahnsinn.
2. Neue Verkehrsregeln zu akzeptieren. Erstens: Verkehr wird per Lautstärke geregelt. Größte Hupe = Vorfahrt. Fußgänger ohne Hupe = rennen. Und: Lastwagen haben immer Recht. Zweitens: Optimale Ausnutzung der Straße: Auf zwei Fahrspuren passen drei Autos nebeneinander, auf ein Motorrad vier Leute, in einen Jeep 20. Man muss nur wollen. Drittens: Es herrscht Linksverkehr. Und zusätzlich Rechtsverkehr, wo es sich anbietet. Es kommt immer drauf an.
3. Bei der Gelegenheit habe ich auch gleich eine der wichtigsten Reiseregeln überhaupt gelernt: akzeptieren, was ist. Die eigenen Werte zuhause lassen, die gelten hier nicht. Stattdessen: zuschauen, zulassen. Das Ich aus der Gleichung rausnehmen.
4. „Bas!“ heißt „Schluss jetzt“. Nützlich bei nervigen Andenkenhändlern.
5. Den indian head wobble. Ein seitlich wiegendes Kopfwackeln, das je nach Kontext völlig unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Entweder: Ja. Oder: okay, habe ich verstanden. Oder: macht doch nichts. Oder: keine Ahnung. Oder: kommt überhaupt nicht in Frage, aber das werde ich dir nicht auf die Nase binden. Je schneller der Kopf wackelt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass etwas verstanden und positiv beschieden wurde. Und dass möglicherweise sogar eine Aktion erfolgt. Die Geste ist so nützlich und ansteckend, dass ich sie sofort selbst ins Repertoire aufgenommen habe.
6. Fladenbrot mit der rechten Hand zu zerteilen, ohne es mit der Linken festzuhalten.
7. Wasser aus einer Flasche zu trinken, ohne die Lippen an den Rand zu setzen. Die Inder gießen sich das Wasser aus ein paar Zentimetern Entfernung in den Mund, um die Flasche teilen zu können, denn aus demselben Gefäß zu trinken hat hier in etwa den Ekelfaktor wie bei uns, dieselbe Zahnbürste zu teilen. Diese Trinktechnik musste ich natürlich unbedingt ausprobieren. Und eines Tages, viele nasse Hemden später…
8. Dass man jede Sache immer auch aus einer anderen Perspektive sehen kann. Außen an Restaurants und auf Speisekarten steht oft „non-veg“, nicht-vegetarisch: Fleisch ist die Abweichung, nicht die Regel. Genau dieses Prinzip gilt für vieles, vieles andere mehr.
9. Dass man anders ist, als man denkt, lernt man nicht nur auf Reisen, sondern auch von Freunden. Am allerbesten natürlich, indem man mit ihnen reist.
10. Wenn man von einem Reiseführer in ein Geschäft gebracht wird, zahlt man den doppelten Preis. Nämlich seine Kommission gleich mit.