Reisegarderobe Januar

Samstag, 5. Februar 2011

Nichts Neues aus Buenos Aires, denn ich habe den ganzen Tag gearbeitet. Deshalb ein Nachtrag aus Sydney speziell für die Anhänger des Kleinen Blauen: So sieht es aus, wenn man mit Minimalgarderobe unterwegs ist. Ich überlege gerade, ob ich meine Jeans wieder nach Hause schicke, die habe ich noch nicht einmal getragen.

Große Oper

Sonntag, 30. Januar 2011

„Hallo, hier ist Stephen. Ich rufe an vom Sydney Opera House. Sie haben heute nachmittag um 17 Uhr eine Führung gebucht. Ich wollte nur Bescheid sagen: Wir können alles sehen, aber nicht in den großen Konzertsaal, da wird geprobt. Wollen Sie den Termin verschieben?“ Nein, will ich nicht. Aber ich bin wieder mal entzückt über den Service hier. Eine normale Touri-Führung, und man wird persönlich per Handy verständigt, nur weil ein Saal nicht zugänglich ist?

Die Führung besteht dann sowieso nur aus Stephen, zwei Chinesen und mir. Wir gehen durch die Eingeweide der Oper, hören Musikfetzen eines Opernhighlights-Konzerts von hinter der Bühne, gucken doch noch kurz in den großen Konzertsaal, wo gerade der Soundcheck von Cat Power stattfindet, die ich heute Abend hier sehen werde.

Die Oper ist von innen mindestens so atemberaubend wie von außen. Wilder, roher, als das elegante Äußere vermuten lässt. Der Bau hat 16 Jahre gedauert, die Kosten sind von 7 auf 102 Millionen Dollar angeschwollen, eine Regierung ist darüber gescheitert, der Architekt Jørn Utzon wurde aus dem Land getrieben. Dagegen ist der Bau der Elbphilharmonie ein Schweizer Uhrwerk.

Abends dann Cat Power. Somnambule Lieder, die Stimme mal Nebel, mal Nebelhorn. Sehr schöner Abschied aus einer sehr schönen Stadt.

10 Dinge, die ich in Sydney gelernt habe

Sonntag, 30. Januar 2011

1. Ukulele spielen
2. Jeden Morgen kalt duschen. Auf einer Tüte des Sportklamottenlabels Lululemon stand „Tue jeden Tag etwas, wovor du Angst hast“. Auch wenn ich mich normalerweise nicht nach Plastiktüten richte: Dies leuchtete mir ein. Und ich dachte mir: Warum bringen wir das nicht gleich am Morgen hinter uns.
3. Den Tim Tam Slam. Dazu beißt man von den hiesigen Lieblingsschokokeksen Tim Tams zwei gegenüberliegende Ecken ab und saugt Kaffee oder Tee durch den Keks. Dann schnell in den Mund damit, bevor er zerbröselt. Superleckere Sauerei.
4. In Ländern mit Linksverkehr wird auch auf der linken Seite des Bürgersteigs gegangen.
5. Man muss sich nicht entscheiden, man kann einfach alles machen. Das hat mir meine Kneipenbekanntschaft Michelle beigebracht, die zwei Staatsbürgerschaften hat, zwischen London und Sydney pendelt und sowohl als Rechtsanwältin wie auch als Schauspielerin arbeitet.
6. „No worries, mate“ ist eine sehr brauchbare Weltanschauung. Das australische Mantra, das nur sehr unvollkommen je nach Kontext mit „Kein Problem/alles klar/gern geschehen/nur die Ruhe/macht doch nichts“ übersetzt werden kann, hört man circa zehnmal am Tag. Dass Dinge hier grundsätzlich kein Problem sind: schon mal fein. Das „mate“ (ebenfalls sehr grob: „Kumpel“) ist aber fast noch interessanter. Vor elf Jahren gab es mal ein Referendum zur australischen Verfassung, und es wurde ernsthaft debattiert, ob man den Begriff „mateship“ in die Präambel aufnehmen sollte. Es klappte dann doch nicht, aber egalitäre Freundlichkeit als Verfassungsgrundsatz: was für eine hinreißende Idee!
7. Wasser ist ein Heilmittel. Besonders, wenn man jeden Tag drauf schaut.
8. Menschen, die noch nicht alles von sich wissen, sollten eine Hydrocolontherapie machen. Bringt zwar nichts, aber ich finde ja, dass man alles, wirklich alles mindestens einmal ausprobiert haben muss. Wer kräftig lachen will, schaut sich das hier an.
9. Es gibt eine Eiscrememarke namens „Skinny Cow“, die auch noch schmeckt. So gut, dass man locker vier Portionen essen kann. Was möglicherweise kontraproduktiv ist.
10. Näher ran ist besser als weiter weg. Das gilt wahrscheinlich auch noch für anderes als das Fotografieren.

Aufladen

Sonntag, 30. Januar 2011

Letzter Tag Sydney. Aufräumen, wegwerfen, saubermachen, die Zelte abbrechen. Am wichtigsten aber: noch mal alle Geräte an den Strom hängen. Den Kindle, das Handy, die Akkus meiner Kamera, die Akkus meines geräuschunterdrückenden Kopfhörers… Aufladen, Energie sammeln für den nächsten Flug und die nächste Station Buenos Aires.

Fast unglaublich, dass der erste Monat schon vorbei ist, und wie vorauszusehen, plage ich mich mit Abschiedsschmerz. Das wird mir jetzt noch weitere elf Mal passieren, schätze ich, mal mehr, mal weniger. Aus einigen Städten werde ich sicher lieber abreisen als aus Sydney, hier könnte ich gern noch ein paar Monate bleiben. War es also ein Fehler, mit dieser Stadt anzufangen? Auf keinen Fall. Ich halte es für eine gute Idee, ein Langzeitprojekt wie dieses mit einem Ort zu beginnen, der einem das Leben in der Fremde so leicht wie möglich macht. Wo man die Sprache spricht, das Klima verträgt, die Mentalität mag. Es wird noch anstrengend genug werden, sicher in Shanghai, wo die Kommunikation ein Problem sein wird. So schwer sollte man es sich am Anfang nicht machen. Dann lieber erst mal in das Nichtschwimmerbecken des Weltreisenden: nach Sydney. Um den Preis, dass man hier nie wieder weg will.

Die Sache mit den Hotels

Sonntag, 30. Januar 2011

Lange habe ich nicht kapiert, dass hier mit Hotels Pubs gemeint sind. Das Old Fitzroy Hotel ist so eins, gut hundert Jahre alt, die klassische Bierschwemme. Wobei: nicht ganz. Teil des Pubs ist ein Theater, die Heimat der Off-Theatertruppe Tamarama Rock Surfers. Die bieten ein prima Package für einen entspannten Kneipen- und Kulturabend: „A beer, a laksa & a show“. Für 35 AUS$ bekommt man ein Bier, eine leckere malayische Suppe und eine Vorstellung, in diesem Fall: Stand-Up Comedy von Arj Barker, der die Gags seines neuen Programms an einem willigen Publikum von circa 40 Leuten ausprobierte. Sagen wir mal so: Die Suppe war heißer.

129 Dowling Street, Woolloomooloo, NSW 2011

Yum Cha

Samstag, 29. Januar 2011

Eines der beliebtesten Samstagsrituale in Chinatown ist Yum Cha. Das heißt ursprünglich einfach nur „Tee trinken”, in Wirklichkeit geht es aber, wie bei so vielem hier, um Essen. Nämlich um eine ausgedehnte Dim Sum-Mahlzeit. Die meisten Yum Cha-Läden sind riesig groß, es passen bis zu 500 Leute rein, die sich an großen runden Tischen versammeln. Das Spiel geht so: Alle paar Minuten rollert eine freundliche Dame einen Wagen mit neuen Köstlichkeiten heran, von dem man sich aussucht, was man haben möchte. Gedämpfte Teigtaschen, mit Shrimps oder Hackfleisch gefüllt, Entenbrust, Frühlingsrollen, Hefeklöße, Krebse… Es hört einfach nicht auf.

Bislang war der Lokalmatador das Marigold, jetzt kommt aber Konkurrenz in Form des brandneuen „The Eight“ im dritten Stock der Market City. Richtig, richtig gut war’s, besser habe ich Dim Sum selten gegessen. Die anderen anscheinend auch nicht, der Laden war knallvoll, und das, obwohl er erst vor einer Woche eröffnet wurde.

Level 3, Market City, 9-13 Hay Street, Sydney, NSW 2000

Party like it’s 4709

Samstag, 29. Januar 2011

Am 3. Februar wird das chinesische Neujahrsfest gefeiert, der erste Tag des Jahres 4709; es beginnt das Jahr des Hasen. Ich werde es leider verpassen, ich fliege übermorgen nach Buenos Aires. Aber ich wollte zumindest noch ein bisschen daran teilhaben, also bin ich heute auf eine anlässlich des Neujahrsfestes organisierte Food Tour durch Chinatown gegangen. Zum Essen kommen wir später (natürlich).

Oder vielleicht auch jetzt schon: Dies ist ein goldener Glücksrettich, und wenn man sich den auf den Schreibtisch stellt, winkt Reichtum und Zufriedenheit. Der goldene Glücksrettich ist so etwas wie der Goldene Schnatz von Chinatown. Gefunden habe ich ihn im Leung Wai Kee Buddhist Craft & Joss Stick Shop in der George Street, einem Geschäft, das sich auf Glücksbringer und vor allem buddhistische Grabbeigaben spezialisiert hat. Wer die chinesische Sitte kennt und schätzt, dem Verstorbenen symbolische Reichtümer ins Grab hinterherzuwerfen, der wird hier sehr, sehr glücklich. Denn Leung Wai Kee ist der vermutlich größte Hersteller von papiernen Opfergaben weit und breit, sie exportieren sogar nach Hongkong.

Es fanden sich: papierne BMWs, papierne Luxusvillen im Puppenhausformat, papierne Spanferkel. Das Allerschönste war aber die Auswahl an liebevoll geknickten und geklebten Anzügen und Kleidern, alle in Originalgröße und mit den passenden Accessoires. Hier ein paar der hübschesten Ensembles:

All diese reizenden, bis in die Stickerei detailgetreuen Papier-Kunstwerke werden nur gebastelt, um sie zu verbrennen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich bei meinem ersten Besuch auf einem chinesischen Friedhof, es war in Hongkong, in Tränen ausbrach, weil ich es so geliebt habe, wie ganze Familien am Wochenende zu Opa ans Grab pilgerten, um dort ein bisschen zu picknicken und Mitbringsel wie Frühlingsrollen, Bierflaschen und Würfelspiele zu hinterlassen. Kränze? Bitte, wer braucht Kränze? Hat man je einen zu Lebzeiten haben wollen? Na bitte. Also sollte man auch als Toter keinen kriegen, sondern nur das, was man schon immer gemocht hat.

Leung Wai Kee, 764 George St, Sydney, NSW 2000

Bus 325

Freitag, 28. Januar 2011

Der Bus 325 fährt vom Circular Quay bis nach Watsons Bay, wo ich heute abend zum Essen verabredet war. Ich stieg ein, ich setzte mich. Hm, woher kommt die Musik? Hat jemand seinen iPod zu laut aufgedreht? Es dauerte zwei Stationen, bis ich kapiert hatte: Der Fahrer hört Jazz. Der Fahrer hört Jazz? Unglaublich. Ich gehe nach vorn: „Ist das Chet Baker?“ Der Fahrer strahlt: „Genau! Super, oder?“ In der Tat, völlig super. Busfahren in Sydney funktioniert ohnehin anders, als man es in Deutschland kennt. Hier verabschiedet man sich vom Fahrer beim Aussteigen und er tut es auch, mindestens mit einem freundlichen Winken. Mein Fahrer erzählt noch ein bisschen vom Radiosender, den er immer hört, und davon, dass noch nie einer seiner Passagiere etwas gegen John Coltrane einzuwenden hatte. Was auch? Ich setze mich wieder, glücklich. Ein paar Stationen später steht er auf, kommt zu mir nach hinten und gibt mir eine abgelaufene Fahrkarte, auf deren Rückseite er die Frequenz des Senders geschrieben hat und die Zeiten der Jazz-Sendung.

Rollkommando

Donnerstag, 27. Januar 2011

Ein absolutes Muss. Auf so was reagiere ich ja in der Regel allergisch, besonders dieses Jahr. Nein, ich muss überhaupt nichts, das ist ja das Schöne. Harry’s Café de Wheels, eines dieser absoluten Müsse von Sydney, habe ich also bis jetzt immer umschifft. Harry’s ist eine Imbissbude, die es seit 1945 gibt und die inzwischen unter Denkmalschutz steht. Zu essen bekommt man hier das, was es immer schon gab: Pies, darauf einen Schlag Erbsenpüree und Bratensauce. Seit 1970 gibt es außerdem Hot Dogs – eine Revolution damals! –, unter anderem die Hausspezialiät „Hot Dog de Wheels“ mit Chili con carne, Erbsenpüree, Knoblauch-Zwiebeln, Käsesauce und Chili-Sauce. Ganz recht, alles zusammen.

Den Namen verdankt der Laden der Tatsache, dass laut damaliger städtischer Vorschrift temporäre Imbissbuden jeden Tag mindestens 30 Zentimeter bewegt werden mussten. Also mussten Räder dran. Und wie das immer so ist mit kulinarischen Legenden: Zuerst kamen die Matrosen (Harry’s steht direkt vor dem Marinehafen von Woolloomooloo, eine Bucht von der Oper entfernt), dann die Taxifahrer, dann die Nachtschwärmer, dann alle anderen. Im Lauf der Jahre unter anderen Frank Sinatra, Marlene Dietrich, Robert Mitchum. Elton John hat hier sogar mal eine Pressekonferenz gegeben. Fotos der berühmten Besucher sind an die Außenwände der Bude genagelt.

Und wie ist er nun, der berühmte Pie von Harry? Ich habe die pure Variante bestellt (es war morgens kurz nach neun am Australia Day, da war mir noch nicht nach Erbsenpüree), und zwar einen Curry Pie, formlos serviert auf einem Stück Pergamentpapier (die Servietten entnimmt man einer Kleenex-Box). Eine faustgroße Kalorienbombe, mit sehr gutem mageren Fleisch in einer dicken braunen Sauce, tatsächlich ziemlich lecker. Und ziemlich scharf. Ich war jedenfalls hinterher erstens satt und zweitens wach.

An der Ecke Cowper Wharf Roadway und Brougham Road, Woolloomooloo, NSW 2011

Feierabend

Mittwoch, 26. Januar 2011

Über die Flughunde hier in Sydney hatte ich ja schon berichtet. So sehen sie aus, wenn sie Feierabend haben, nämlich den ganzen Tag: entspanntes Abhängen in den Bäumen des Botanischen Gartens.

Und wenn wir schon beim Abhängen sind: Dieses Spinnennetz in einer der vielen, vielen ruhigen Ecken des Botanischen Gartens hatte einen Durchmesser von gut anderthalb Metern, damit könnte man locker auch einen Flughund fangen. Gottlob war die Urheberin weit und breit nicht zu sehen.