Im Norden, letzter Abend
Mittwoch, 23. November 2011„Was um Himmels willen ist das denn?“ fragte ich, als ich dieses Ding am Horizont auftauchen sah. „Da fahren wir hin. Da trinken wir jetzt ein Bier“, sagte Netsanet. Das Ding heißt Ben Abeba und ist ein neues Café-Restaurant in Lalibela, vor gerade mal vier Wochen eröffnet. Eine seltsam amorphe Struktur, die man über spiralförmige Beton- und Holzplankenpfade besteigt. Oben drei satellitenförmige Plattformen, die über der Landschaft zu schweben scheinen, darunter ein großer, offener Essraum, eine moderne, ebenso offene Küche, kokonartige Toiletten – völlig irre und unerwartet an einem Ort wie diesem. Aber was war in dieser Woche eigentlich nicht irre und unerwartet? Es war also genau der richtige Platz für unseren Abschiedsabend.
Das Ben Abeba ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Susan, einer schottischen Hauswirtschaftslehrerin, die eigentlich nach Lalibela kam, um Englisch zu unterrichten, und Haptuma, der hier ein Taxi- und Leihwagenunternehmen betreibt. Die beiden haben Architekturstudenten völlig freie Hand gelassen, etwas Einmaliges zu entwerfen. „Na gut, ein bisschen bremsen mussten wir sie schon“, sagte Haptuma – wenn das hier die gebremste Version ist, mag man sich die ursprünglichen Entwürfe kaum vorstellen. Susan und Haptuma flitzen glücklich über alle Ebenen, die schon jetzt, so kurz nach der Eröffnung, gut besucht sind: „Wir mussten gar nichts machen, es lief alles über Mundpropaganda.“ Ein weiterer Beweis, dass Mut und ein Schuss Verrücktheit meist zu den schönsten Resultaten führt – zumal in einem Land, das noch jede Menge Raum für beides lässt. Ben ist schottisch für Hügel, Abeba amharisch für Blume, und irgendwann soll rund um das Ding ein veritabler Dschungel entstehen, der gerade angepflanzt wird.
Für uns drei ist es Zeit für den Abschied: Netsanet und ich werden am Morgen zurück nach Addis fliegen, Dereje fährt den Wagen in zwei Tagesetappen über die gut 700 Kilometer heim nach Addis. Noch ein Bier, ein letztes Essen (später der Umzug in einen Laden mit Gesang und Tanz und Tej, dem äthiopischen Honigbier), und jede Menge Gelächter.
Schön war’s, und deshalb jetzt ein paar Dankesworte: Diese Woche im Norden habe ich der Großzügigkeit von Marco Polo Reisen zu verdanken, die mir innerhalb einer Woche die Reise zusammengeschneidert haben, nachdem ich in meiner berüchtigt erratischen Art beschlossen hatte, ein bisschen vom Land sehen zu wollen. Sehr herzlichen Dank an Frano Ilic und Karin Graf vom Mutterunternehmen Studiosus, die das alles möglich machten, und an Adonay Tour, die die Organisation vor Ort unternommen haben. Ich habe eine ähnliche Reiseform – allein mit Fahrer und Guide – ja schon im März mit meiner Freundin Rose in Indien ausprobieren können und würde es immer wieder so machen. Es ist persönlich, flexibel, lustig, erlebnis- und erkenntnisreich. Und hat mich in Hütten und Paläste, zum Allerheiligsten und Allerprofansten geführt – an Orte, die ich allein nie gefunden hätte. Ein eiskaltes Dashen-Bier auf alle Beteiligten, es war ein einziges Vergnügen.
Und jetzt wieder (seufz) Addis.