Und tschüß

Samstag, 5. November 2011

308 Tage, das ist kein schlechter Schnitt auf einer Weltreise. 308 Tage hat es gedauert, bis das Unvermeidliche passiert ist: Mir ist heute meine Tasche geklaut worden.

Am meisten ärgere ich mich über mich selbst, denn ich weiß es ja besser. Hab das Ding immer schön quer vorm Körper getragen, im Gedränge auch mal unter den Arm geklemmt. Ich kenne alle Tricks, bilde ich mir ein, alle Ablenkungsmanöver. Aber heute habe ich die Tasche wie der größte Anfänger aller Zeiten kurz neben mich gestellt, es war am gottverlassenen Derg Monument, einem kommunistischen Mahnmal. Oben vor dem Monument weit und breit keine Menschenseele zu sehen – bis auf den Moment, wo sich ein Junge (ich glaube: der ganz links außen auf dem Foto oben) sich lautlos von hinten anschlich, die Tasche griff und loswetzte. Ich für hundert Meter brüllend hinterher, klar, aber das Bürschchen war schneller, vor allem, als er sich in die Büsche schlug. Mann, habe ich geflucht.

In der Tasche war mein Kindle (Mist), zwei kurz zuvor gekaufte Bücher über Addis und Äthiopien, Sonnenbrille (bei dem Wetter eh nicht nötig) und meine Geldbörse mit umgerechnet etwa 50 Euro. Glücklicherweise hatte ich vor meinem Spaziergang die größte Menge des Bargeldes, Kreditkarten, Führerschein und Pass in den Hotelsafe gepackt. Handy, Hotelkeycard und Fotoapparat waren in meiner Jackentasche. Denn ich bin zwar blöd, aber nicht so blöd. Der Schaden ist also eher ein ideeller, denn diese Tasche begleitet mich seit Sydney, ich habe sie sehr lieb gewonnen und hätte sie gern als Andenken an die Reise behalten. Und der Verlust des Kindle schmerzt natürlich. Andererseits: Alle gekauften Kindle-Bücher habe ich auch auf einer App in meinem iPhone, ein Hurra auf die Technik.

Was nicht geklaut worden ist: ein Tütchen mit diesem bezaubernden sahnegefüllten Spritzgebäck-Schwan aus einer Bäckerei an der Churchill Avenue. Der wird jetzt gerade, während ich dies schreibe, zu einer Kanne Earl Grey gegessen.

Und wenn ich schon dabei bin: Hier ein paar Fotos von meinem heutigen Streifzug.

Die St. George Cathedral ist ein ungewöhnlicher Rundbau. Die Gläubigen wandern gegen den Uhrzeigersinn um sie herum und küssen sie in regelmäßigen Abständen, die Türen waren alle geschlossen. Ich, im Uhrzeigersinn gehend, wurde gemahnt, die Richtung zu ändern – das würde mich mehr öffnen.

Die Cunningham Street im Bereich Piazza (oder Piassa, die Schreibweise wechselt) ist eine der zentralen Einkaufsstraßen von Addis Abeba.

Haile Selassie Street, ebenfalls im Zentrum.

Schon mal ein Vorgeschmack auf Kuba: Alte Käfer gibt es hier in rauen Mengen.

Die Beschilderung ist, wie so oft in Afrika, kreativ bis unlesbar. Das gilt übrigens auch für die Straßenschilder. Kürzlich sind in einer Hauruck-Aktion 52 Straßen nach Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union umbenannt worden, offenbar in Reaktion auf die Drohung, den Hauptsitz in eine andere afrikanische Stadt zu verlegen. Bedeutet: Alle Straßenpläne sind Makulatur.

Bar.

Schlachter.

Bücherstände.

Einer der größten Buchläden, Megabooks. Interessanterweise ausschließlich Fachliteratur. Buchhaltung, Ingenieurswissenschaften, Englisch als Fremdsprache. Halt alles, was wirklich wichtig ist in so einem Land.

Eine ziemlich typische Straßenansicht. Wellblechsiedlungen, dahinter Hochbauten in verschiedenen Phasen der Fertigstellung. Und davor, an der Mauer, improvisierte Zelte aus Lastwagenplanen, aber auch Leute, die einfach nur zusammengerollt in einem Plastiksack schlafen, direkt auf der Straße, im Regen. Der Anblick ist für mich immer noch erschütternd, obwohl ich merke, dass mich nach Indien nichts mehr so leicht schockiert.

Kaffee ist ein Riesenthema hier in Addis wie auch sonst in Äthiopien, das sich selbst als Urland des Kaffees betrachtet – sehr schade, dass ich Teetrinkerin bin, denn der Geruch, der aus den Kaffeebars in die Straßen weht, ist köstlich. Eine der besten (mit angeschlossener Rösterei) ist das Tomoca in der Wavel Road (Nähe Churchill Avenue). Kaffee-Aficionados rösten selbst in kleinen Pfannen und mahlen per Hand, alle Geräte kann man hier kaufen.

Ich jetzt aber: Schwan & Tee. Schwanentee. Und Montag eine neue Tasche und ein neues Portemonnaie kaufen. Wenn ich ein Talent habe, das beim Reisen wirklich nützlich ist, dann dieses: So was wie einen Diebstahl nie persönlich nehmen. Denn das ist er nicht. Gerade in einem Land wie Äthiopien ist er nur eine fällige Umschichtung von Reich zu Arm.

Einmal um den Block

Mittwoch, 2. November 2011

Dieser erste Tag erinnert mich sehr an Indien. Bettelnde Mütter mit Kind auf dem Arm, die sich ins Taxifenster hängen, Soldaten, die einem das Fotografieren öffentlicher Gebäude verbieten wollen (oben: Africa Hall und UN-Wirtschaftskommission für Afrika), chaotischer Verkehr, irre Luftverschmutzung, Wellblechhütten. Und, wie damals in Mumbai: Ich bin die einzige Weiße, die zu Fuß unterwegs ist. Wer es sich auch nur einigermaßen leisten kann, fährt Taxi oder Sammeltaxi.

Dazwischen musste ich aber auch immer mal wieder lachen.

Zwei furchteinflößend gigantische Friedenstauben auf einem Portal. Verteidigungsministerium?

Der derzeit regierende heimliche König, Haile Gebreselassie, bester Läufer der Welt, macht Werbung für Johnny Walker? Okay…

Passend dazu: erstaunlich viele Leute mit Turnschuhen lassen sich die Schuhe putzen. Die äthiopischen Schuhputzer arbeiten mit Seifenlauge und Lappen – es geht vor allem darum, den Dreck runterzukriegen. Polieren: Nebensache.

Mein Ziel, etwa drei Kilometer entfernt: das Nationalmuseum. Und dort hatte ich tatsächlich zum ersten Mal fast Tränen in den Augen. Zu sehen, wie die großen Fundstücke des Landes – die Skelette von Lucy, DIK 1-1 und Ardi, den ältesten Hominini der Welt, alle in Äthiopien entdeckt – hier lieblos in verstaubten Kisten nur mit ein paar kargen Zeichnungen erläutert präsentiert werden (auch wenn es natürlich nur Replika sind), dreht mir mein Museumsliebhaberherz um. Dasselbe gilt für die unfassbaren Kronen und Staatsroben von Haile Selassie: unbeleuchtet in verschmierten Glaskästen, es ist herzzerreißend. Was könnte man mit etwas Geld für eine tolle Ausstellung daraus machen! Aber genau das fehlt natürlich. Und wenn es da wäre… Ja, hier gibt es Dringenderes zu zahlen.

National Museum, King George VI Street, Addis Abeba

Hinterher immerhin eine Entdeckung: Rechts neben dem Museum gibt es ein Gartencafé namens Lucy. Man sitzt sehr schön im Grünen, eine willkommene Oase. Und das hiesige St. George-Bier ist fast so trinkbar wie das palästinensische Taybeh neulich.

Letztes Mahl

Montag, 31. Oktober 2011

Besser geht’s nicht in Tel Aviv. Feiner bestimmt, hipper auch, teurer problemlos. Aber besser? Manta Ray ist ein Strandrestaurant am Südstrand der Stadt, auf halbem Weg nach Jaffa. Mit bestem Blick aufs Meer und allerbestem Blick auf sich aus ihren Neos pellende Surfer. Das Essen: tolle Mezze, halb israelisch, halb international. Da ist von Hummus über Sashimi bis Ceviche alles dabei. Hauptgericht: Tagesfang von Jaffa, kleine blitzfrische Fischlein mit zitroniger Sauce zum Dippen und Nektarinen-Fenchel-Joghurt-Salat. Schlicht und ergreifend.

Manta Ray, am Alma Beach, westlich des Charles Clore-Parks

Ankerplatz

Montag, 24. Oktober 2011

Das Café Rimon am Damaskustor, fünf winzige Tische mit bestem Blick auf die Gasse. Mein Hafen in Jerusalem. Morgens komme ich, um Tee mit frischer Minze zu trinken, abends für ein Taybeh, ein palästinensisches Bier, gebraut nach deutschem Reinheitsgebot in der Nähe von Ramallah. Ich kenne inzwischen die Tochter, den Schwiegersohn, die beiden Enkel des Besitzers, und ich kenne seinen 90jährigen Vater, der morgens um 7 Uhr den Laden aufmacht. Nebenan ist ein Änderungsschneider, der mir meine aufgerissene Hose zusammengeflickt hat, und ein Handyladen, dessen W-Lan stark genug ist, um mir die vorbestellte Steve Jobs-Biografie auf den Kindle laden zu können. Was natürlich sinnlos war, denn zum Lesen kommt man im Rimon sowieso nicht, dafür gibt es viel zu viel zu gucken.

Ein Freitag in Tel Aviv

Samstag, 22. Oktober 2011

1. Frischgepressten Granatapfelsaft in der Dizengoff-Straße trinken. Mein Lieblingsstand ist der neben dem Bauhaus Center in Nummer 99. Dort ist nämlich ein Plattenspieler in Betrieb, der die Straße mit feinster Ware beschallt. Heute: Rick James. Besser kann ein Tag nicht anfangen. Mit dem Saft habe ich mich auf die Bank vor dem Stand gesetzt und bin, wie praktisch jedesmal, mit dem Banknachbarn ins Quatschen gekommen. Heute: eine etwa 60jährige Bildhauerin aus London, geboren und aufgewachsen in Israel, die zu einem Klassentreffen ihrer Kunsthochschule angereist war. Wir plauderten über nationale und individuelle Identitäten, und sie sagte: „Ich sage nie einem Fremden, dass ich aus Israel bin. Die Debatten sind mir einfach zu anstrengend. Stattdessen behaupte ich immer, ursprünglich aus Österreich zu sein, von daher sind nämlich meine Eltern eingewandert.“

2. Im Bauhaus Center stöbern. Dabei diese Glasuntersetzer mit Bildern israelischer Politiker entdeckt: Theodor Herzl, Moshe Dayan, Menachem Begin, David Ben-Gurion… Ich habe natürlich Golda Meir (in blau) gekauft, die Heldin meiner Kindheit. Darauf parke ich mein Whiskyglas, wenn ich im Januar wieder zuhause bin.

3. Weiter die King George Street hochgeschlendert. Vor dem Meir Garden lauter Hunde am Zaun festgebunden. Was ist hier los? Das örtliche Tierheim hat einen Streichelzoo organisiert. Gute Idee, die Tiere zu den Menschen zu bringen und nicht umgekehrt; so finden sich vielleicht eher ein paar Adoptierwillige.

4. Der Carmel-Markt. Immer ein sensorischer Overkill und am Freitag immer besonders irre, weil alle noch schnell ihre Wochenend-Einkäufe machen. Heute gucke ich nur. Der Kühlschrank ist voll genug, und am Sonntag fahre ich sowieso nach Jerusalem.

5. Die Haaretz kaufen und sich in ein Café setzen. Am Freitag immer zusammen mit der Herald Tribune und mit der Wochenendausgabe. Darin eine Geschichte über die Heimkehr eines der 1027 palästinensischen Gefangenen, die diese Woche gegen den israelischen Soldaten Gilad Shalit ausgetauscht wurden: eine Frau namens Irina Polishchuk-Sahrane. Geboren in der Ukraine, Mitte der Neunziger nach Israel eingewandert, wo sie als Prostituierte in einem Bordell in Tel Aviv arbeitete. Einer ihrer Kunden war der Palästinenser Ibrahim Sahrane. Sie verliebten sich, heirateten, zogen in sein Heimatdorf Deheisheh, nicht weit von Bethlehem. Die Statistik des Flüchtlingslagers: 18 Selbstmordattentäter starteten von hier, 35 sitzen mit zum Teil mehrfach lebenslänglichen Strafen in israelischen Gefängnissen. Irina Polishchuk-Sahrane, die als Ukrainerin immer die Außenseiterin im Camp war und Unmut auf sich zog, weil sie mit offenen Haaren durch die Straßen ging, wurde 2002 für die Vorbereitung von Terrorattacken zu 20 Jahren verurteilt, sie hatte zusammen mit ihrem Mann Selbstmordattentäter nach Jerusalem gefahren. Erst im Gefängnis konvertierte sie zum Islam. Vor zwei Jahren bot man ihr an, zusammen mit ihrer Tochter die Ukraine heimzukehren, sie lehnte ab, sie wollte ihre Tochter nicht aus der Familie reißen.

Eine von 1027 Geschichten.

5. Nach Hause fahren im Sherut, einem Sammeltaxi. Eine geniale Einrichtung: Es sind Kleinbusse mit 10 Sitzplätzen, die wie Busse bestimmte Routen abfahren, aber wie Taxis überall angehalten werden können und einen an jeder beliebigen Stelle – in meinem Fall direkt vor der Haustür – aussteigen lassen. Fahrpreis: sechs Schekel, etwa 1,10 Euro. Die Sherut-Etikette: einsteigen, hinsetzen. Den Fahrpreis nach vorne durchreichen lassen, Wechselgeld wird zurückgereicht. So hält man den Fahrer nicht lange auf, er kann das Finanzielle an der nächsten Ampel erledigen.

Erstes Mahl (draußen) und erstes Mal (drinnen)

Sonntag, 2. Oktober 2011

Ach, fangen wir doch gleich mit Essen an, warum nicht? Es führt bei mir ja doch kein Weg daran vorbei. Ich wohne nicht weit vom alten Hafen entfernt, der in den letzten Jahren zu einer holzbeplankten Restaurant- und Shoppingmeile umgebaut worden ist. Heute war es hübsch leer, der Sonntag ist hier wie unser Montag, ein normaler Arbeitstag nach dem gestrigen Shabbat. Auf eine Empfehlung hin habe ich Beni HaDayag angesteuert – alias Benny the Fisherman – und arglos eine gegrillte Brasse bestellt. Und bekam dann ein Schälchen, zwei Schälchen, fünf Schälchen, 14 Schälchen mit Vorspeisen hingestellt plus eine Schüssel Salat plus Pita – der Wahnsinn. Gebackene Aubergine (die einzige Art, wie ich Aubergine ertrage, den Fettschwamm unter den Gemüsen), Joghurt mit Dill, scharfe Tomatensauce, Pilzsalat, Kohlsalat, Tabbouleh… es hörte nicht auf. „Sie können von allem gern nachbestellen“, sagte die Bedienung. Ach, Mist. Dabei wollte ich Israel nutzen, um mich wieder in Form zu bringen; ich habe mich gerade für den Hamburger Marathon im April angemeldet – nur für den Fall, dass ich mich nächstes Jahr langweilen sollte. Die Brasse war dann auch ganz vorzüglich: einmal schnell drübergeflämmt, nur mit Zitrone serviert, noch brutzelnd serviert. Genau so, wie man Fisch haben will.

Beni HaDayag, Alter Hafen, Hangar 8

Tel Aviv ist, wenn man’s auf den Punkt bringen will, ein acht Kilometer langer Strand mit Stadt dahinter. Einer der nördlichsten Strände ist gleich auch einer der interessantesten: der orthodoxe Nordau Beach hinter einem Bretterzaun, der tageweise nach Geschlechtern trennt. Sonntags, dienstags und donnerstags können hier die Frauen baden, montags, mittwochs und freitags die Männer, Samstag ist zu. Heute lagen hier Orthodoxe mit verhüllten Haaren, die vollbekleidet schwimmen gingen, neben zwei jüngeren Frauen, die sich oben ohne sonnten – Nordau ist trotz oder wegen der strengen Sitten der einzige Strand in Tel Aviv, wo das möglich ist. Die Atmosphäre: entspannt; wie immer, wenn Frauen unter sich sind. Bisschen wie Damensauna. Bauch raushängen lassen und sich ungestört unterhalten – auch wenn die Bademeister männlich sind.

Nordau Beach, Shlomo Lahat Promenade. Feinster Sand, Duschen und Umkleiden, ein kleiner Fitnessbereich.


Was wir dann doch nicht mehr geschafft haben

Freitag, 30. September 2011

1. Zum Heimspiel vom FC Barcelona zu gehen. 5:0 gegen Atletico Madrid. Messi hat drei Tore gemacht. Verdammte Hacke. Aber es hatte geregnet und wir waren müde und… ach, verdammte Hacke.

2. Das Innere der Sagrada Familia zu sehen. Die Schlange war so lang und es war so heiß und… ach, verdammte Hacke. Aber das Ding steht ja noch ein bisschen, und fertig wollen sie 2025 werden. Also knapp vor der Elbphilharmonie.

3. Einen Platz bei Cal Pep bekommen, der angeblich besten Tapasbar der Stadt. Ich habe dreimal eine Viertelstunde vor Öffnung in der Schlange gestanden, dreimal keinen der 20 Plätze ergattern können, habe dreimal mit mir gerungen, ob ich warten soll und bin jedes Mal gegangen. Es gibt ja noch so viele andere gute Tapasbars. Die buttrigen Bohnen mit Foie und Butifarra im Cuines Santa Caterina! Burrata mit Ochsenherztomaten im Vinya del Senyor!

4. Ein Tretboot mit Rutsche in Sitges mieten. Das war wirklich unverzeihlich.

Um die Wurst

Samstag, 17. September 2011

Bratwurst. Man möchte meinen: deutsch. Von wegen: katalanisch, zumindest wenn es um den Einfallsreichtum geht, mit dem hierzulande Würste gemacht werden. Die botifarra – vorausgesetzt, man kauft sie hier – gibt es mit Feigen und Zwiebelconfit, mit Spinat und Pinienkernen, mit Foie Gras, mit Whisky und grünem Pfeffer, mit Oregano, mit Cidre und Ziegenkäse, mit Curry-Apfel, mit Schnittlauch und Minze, mit… Ich habe, überwältigt, erst mal mit den Klassikern angefangen: einmal natur, einmal scharf, beide super. Eine tolle gekräuterte Paté mit Mango ham se auch. Und Käse. Und Seligkeit.

La Botifarreria, carrer Santa Maria 4

Leib & Magen

Samstag, 17. September 2011

Die Kamera hat auch mal Siesta (der Akku war alle), deshalb heute ein paar iPhone-Bilder, mit Hipstamatic aufgenommen. Wahnsinnig passend, denn diese Tapasbar ist very hipstamatic: Cova Fumada ist einer dieser Läden, an denen man vorbeigeht, wenn man nicht weiß, dass sie da sind. Kein Schild, keine Speisekarte, nichts. Man findet ihn höchstens anhand der Leute, die um die Mittagszeit vor der Tür lungern, um einen Platz an der Bar oder gar an einem Tisch zu ergattern. Wer eine realistische Chance haben möchte, kommt um 12.30 Uhr oder früher, sie machen um 9 Uhr morgens auf.

In der offenen Küche (die schon offen war, bevor man offene Küchen hatte), schnippelt und brutzelt die Familie, hin und wieder trägt eine der Töchter einen Teller mit gambas oder frischer botifarra (das kriegen wir später) aus dem Kühlschrank im Nebengebäude durch das Restaurant. Die Gäste: eine Mischung aus Straßenkehrern in hellgrünen Westen, Verkäufern vom gegenüberliegenden Markt von Barceloneta und Damen mit Goldtäschchen. Irgendwann tauchten ein Gitarrero und ein Sänger auf, ohne sonderlich zu stören. Zwei fetzige Lieder, Abgang. Zu essen bestellt haben wir: dickes geröstetes Brot mit Aioli, gebratene Artischocken, Miesmuscheln in Tomate, Sardinen, bacalao (Stockfisch. Hasse ich normalerweise, hier nicht), Kichererbsen mit Blutwurst, Zimt und Pinienkernen. Und eine bomba, die Erfindung des jüngst verstorbenen Altvorderen: eine Kartoffelkrokette mit Aioli und scharfer Sauce. Alles köstlich. Dazu Wein in kleinen Gläsern. Vielen kleinen Gläsern. Sehr vielen kleinen Gläsern.

La Cova Fumada, carrer Baluard 56, Montag bis Freitag 9 bis 15 Uhr, Donnerstag und Freitag auch 18 bis 20 Uhr. Ab 14.20 Uhr ist vorn geschlossen, dann kann man immer noch durch den Hintereingang rein und was zu essen kriegen. Wenn man nett fragt.

El Xampanyet

Freitag, 9. September 2011

Barcelona kehrt langsam aus den Sommerferien zurück, Läden werden wieder eröffnet und vor allem: die Bars, die im August Betriebsferien gemacht haben. Am El Xampanyet, kaum 300 Meter von meiner Wohnung entfernt, bin ich schon ein paarmal vorbeigegangen, ohne es wirklich gesehen zu haben. Als vorgestern zum ersten Mal die Rolläden hochgezogen waren und die Familie den Laden durchfeudelte, dachte ich: Das könnte nett werden hier.

Und das war es auch. Eine herzliche Thekenmannschaft, lecker Cava plus zwei Tapas für 5,50 Euro: der ideale Ort für einen Aperitivo. Ich traf mich hier mit Hans, dessen Wohnung ich fast gemietet hätte: einem weiteren Nomaden in meiner Sammlung. Gebürtiger Österreicher, als Fernsehrechtedealer in Barcelona, Köln, New York und Kapstadt zuhause. Und natürlich erzählte er mir als erstes, wie alle anderen, seine schönsten Diebstahls- und Einbruchserlebnisse in Barcelona („schlimmer als in Kapstadt“). Langsam glaube ich, es ersetzt in dieser Stadt die Gespräche über Wetter und Fußball. Und falls sich allmählich der Eindruck breitmachen sollte, ich stünde jeden Abend in Bars und tränke Cava: stimmt absolut, tue ich.

El Xampanyet, Montcada 22, 08002 Barcelona