Neue Heimat

Vor zwei Wochen bekam ich diese Mail:

Sehr geehrte Frau Winnemuth,
ich bin in Buenos Aires geboren und habe dort meine Kindheit verbracht – eine Stadt, die ich liebe und die mir immer wieder Spaß macht, wenn ich sie besuche. Ich lebe seit 1985 in Deutschland.
Ich möchte Sie ganz herzlich einladen, für eine Woche in unserem Apartment in San Telmo zu wohnen. Die Einladung ist wirklich frei von irgend einer Gegenleistung, Sie sollen weder drüber schreiben noch es irgendwo erwähnen, wir werden es auch nicht machen.
Ein Hintergedanke ist aber selbstverständlich dabei: Ich möchte, dass Sie San Telmo eine Woche lang so erleben, wie San Telmo wirklich ist, ohne Klischees, ohne den Druck dahin fahren zu müssen, einfach sich mit den Menschen dort wohl fühlen und sie kennenlernen. Von San Telmo ist viel geschrieben worden und es steht in jedem Reiseführer, aber dort zu wohnen ist noch mal etwas anderes. Die Menschen dort sind sehr freundlich und hilfsbereit.
Das Angebot ist ernst gemeint, die Wohnung befindet sich in Dr. José Modesto Giuffra, zwischen den Straßen Defensa und Balcarce, mitten im Zentrum von San Telmo, der link dazu: http://tangoytango.com
Ich würde mich freuen, wenn Sie mein Angebot annehmen.
Beste Grüße,
András Semsey

Unglaublich, oder? Unglaublich nett, und deshalb habe ich das Angebot auch angenommen. Natürlich. The kindness of strangers. Auf San Telmo, den ältesten Stadtteil von Buenos Aires, war ich sowieso neugierig, ich hatte es bislang noch nicht so richtig hingeschafft. Wie toll also, mittendrin wohnen zu dürfen.

Die Wohnung entpuppte sich als kleines, kompaktes Apartment mit einer Wendeltreppe in die obere Etage, in der Schlafzimmer und Bad liegen, und einem schmalen Balkon mit schönem gusseisernem Gitter hinaus auf die ruhige Pasaje Giuffra. Das Schönste aber war das Haus selbst: um einen verwunschenen Innenhof herum gebaut, siehe oben. Aus organisatorischen Gründen bin ich erst gestern hergezogen und auch nur für ein verlängertes Wochenende – und habe es fast sofort bedauert. Denn dies ist ein ganz anderes Buenos Aires, als ich es bisher erlebt habe. Ein fast dörfliches.

An Sonntagen, wenn hier der große Antiquitätenmarkt stattfindet (um den ich an diesem Wochenende definitiv nicht herumkomme) und an den Abenden kann San Telmo zu einer Art Tango-Disneyworld werden, tagsüber und unter der Woche ist es ein verschlafenes kleines Kopfsteinpflaster-Paradies. Im Mercado, rechts oben, kann man Rinderzunge und Perlmuttknöpfe kaufen, im Fenster der Bar Sur, links unten, hängt ein Foto, das den Besitzer stolz mit „Frank Beckembaüer“ zeigt (und mit Liza Minelli, die übrigens in jedem Fenster der Stadt hängt, die hat hier wirklich nichts ausgelassen). Die nächsten Tage also: nur San Telmo, ein schöner Abschluss dieses Monats.

11 Antworten to “Neue Heimat”

  1. Beate Says:

    Ihr Blog ist meine tägliche Dosis Urlaub, die ich letzte Woche schmerzlich vermisst habe.
    Herzlichste Grüße aus Niederbayern! (Sie verpassen zur Zeit in Deutschland wirklich nichts.)
    Beate

  2. Maroussia Says:

    Na, bin ich aber froh dass ich Sie wiedder gefunden habe ! Ich verspreche mich ein Jahr witzige Lektüre und viel Spass. Auch für Sie.

  3. Bea Says:

    Hach, was für ein schöner Sonntagmorgen: endlich wieder Lesestoff aus der großen weiten Welt. Und was war es doch für ein Drama mit der Webseite. Aber ich finde es geradezu unheimlich, dass etwas repariert werden kann, obwohl der Reparierende sich an einem anderen Ort, in einer anderen Zeitzone befindet. Per Fernheilung. Oder musste der Guru eingeflogen werden? Ich wuensche jedenfalls ein ganz wunderbares letztes Wochenende in Buenos Aires.

  4. Ulrike Says:

    So schnell ist die Zeit vergangen, es ist verrückt und manchmal hat man das Gefühl, als wenn gestern erst der 1te Februar gewesen. Vielen Dank für die immer interessanten und schönen Zeilen. Mein Fernweh, daß ich mir irgendwann eingefangen habe, wird durch Ihren schönen Blog immer auf einem gleichbleibenden Level gehalten.

    Ich wünsch Ihnen schöne letzte Stunden und natürlich eine gute Weiterreise nach Mumbai (darauf freu ich mich sehr – ein ungewöhnlich und sehr gegensätzliche Stadt. Bin gespannt, wie Sie sie finden werden)

    Liebe Grüße
    Ulrike

  5. Petra Says:

    Was für ein unglaublich nettes Angebot!
    Und: Schön, dass Sie wieder online sind.

  6. Margit Steltner Says:

    Schön, dass die Seite wieder läuft. Hatte schon leichte Entzugserscheinungen – irgendetwas hat gefehlt… Viel Freude die letzten Tage in Buoens Aires und dann eine gute Weiterreise.

    Liebe Grüße, Margit.

  7. Clemens Says:

    “Sie sollen weder drüber schreiben noch es irgendwo erwähnen, wir werden es auch nicht machen.” Na, das hat ja dann auch super geklappt. Aber wie könnte man auch den Aufenthalt in einem Viertel verschweigen, wo es Frank Beckembaüer, Rinderzunge *und* Perlmuttknöpfe gibt?
    An Mumbai denkend habe ich unter “cook it, boil it, peel it or forget it” übrigens auch den Hinweis gefunden: “Machen Sie einen Bogen um angeschlagenes Obst.” Würden Sie mal nachschauen, ob sich im Deckel Ihres Notebooks irgendwo ein angebissener Apfel befindet? Falls ja: abkochen! Dann bleibt es virenfrei. Die schönsten Grüße von Ihrem
    C.

  8. angelika Says:

    was für ein traum, allein dieser innenhof. und ein wunderbares angebot. schön, dass es solche menschen immer und überall noch gibt! ich würde ihnen auch sofort obdach anbieten, aber hannover liegt wohl kaum auf ihrer reiseroute und es gäbe auch nur ein zimmer. falls sie das mal brauchen – immer gern!

    regengrüße aus der provinz!

  9. Septembersonne_ Says:

    Der Innenhof sieht richtig schön aus. Toll, dass die seite wieder funktioniert.

  10. Susanne Says:

    Gott, wie süß von Herrn Semsey! Unglaublich nett!
    Guten Appetit bei der Zunge!

    In Buenos Aires war ich noch nie, würde aber gern (überlässt András das Apartment auch anderen?), Südamerika reizt mich sehr; ich bin aber auch langsam gespannt auf Ihre Posts aus Tokio, denn da war ich letzten Herbst und tief beeindruckt. Haben Sie schon einen Standort dort?

    Ich kann sonst Shimokita empfehlen, ist laut U-Bahn-Plan außerhalb, aber laut spiegel-online.de das Herz der Stadt – ich war da und liebte es. Aber auch Harajuku. Das ist dichter drin. Aber vermutlich haben Sie auch schon Ihre Pläne.

    “I like” your blog.

  11. For 91 Days Travel Blog Says:

    Krass – solche Leser wünschen wir uns auch!!!