Mangomania

Samstag, 19. März 2011

Ist jetzt nicht weiter spannend, aber ich liebe Mangos. Und ich gehöre zu den Leuten, die in kleine spitze Schreie ausbrechen, wenn sie etwas zu essen sehen, was sie gern haben. Was werde ich also bei dem Anblick oben getan haben? Richtig.

Schauplatz ist der Crawford Market, ein überdachter Markt für Obst und Gemüse, Gewürze und Parfum-Fakes, Wellensittiche und Hundewelpen. Halt für alles, was man im Leben so braucht. Wie die meisten asiatischen Märkte ein sensorischer Overkill. Nicht zuletzt wegen der akrobatischen Kulis und der Handwerker wie dem Messerschleifer unten, der seinen Stein mit Fahrradpedalen in Schwung bringt.

Mahlzeit!

Freitag, 18. März 2011

Von den berühmten Dabbawallas von Mumbai hatte ich schon vorher gehört, ein klassisches Brandeins-Thema: wie Wirtschaft eben auch funktionieren kann. Die Dabbawallas sind 5000 in einem Kollektiv organisierte Essensausträger, die es jeden Tag schaffen, 200.000 Henkelmänner mit liebevoll gekochter Hausmannskost, dabba (Hindi) oder auch tiffin (englisch) genannt, aus den Vororten von Mumbai an ihre Empfänger in der Innenstadt auzuliefern. Es ist eine hocheffizient arbeitende Menschenkette mit etlichen Verzweigungen: Ein Henkelmann wird von einem Dabbawalla abgeholt, mit dem Fahrrad zur nächsten U-Bahn-Station gebracht, dort zusammen mit anderen Henkelmännern im Gepäckwagen in die Innenstadt gefahren, die von einem weiteren Dabbawalla ausgeladen, auf eine andere Linie umgeladen, am Zielort von wieder einem anderen ausgeladen, auf Holztragen sortiert, an einen weiteren Sammelpunkt gebracht und von dort mit dem Rad oder zu Fuß, per Holzkarren oder auf dem Kopf getragen pünktlich zur Mittagszeit ausgeliefert werden, so wie jeden Tag. Anschließend wird der leergegessene Henkelmann auf demselben Weg wieder nach Hause transportiert. Die Fotos sind gegen Ende der Mittagszeit entstanden, unser freundlicher Dabbawalla oben hat gerade Pause und wartet, dass die Essenden ihre Henkelmänner zum Sammelort bringen. Der Service kostet 400 Rupien im Monat, etwa sieben Euro.

Wie das funktioniert und dass es überhaupt funktioniert, ist das Thema vieler Studien. Das Wirtschaftsmagazin Forbes hat den Dabbawallas ein Sigma 6-Rating gegeben, die höchste Effizienzstufe, denn angeblich geht nur eine von sechs Millionen Lieferungen mal daneben. Richard Branson hat schon mal einen Tag mit einem Dabbawalla verbracht, um hinter ihr Geheimnis zu kommen – was keines ist, sondern nur die strikte Befolgung eines Farb- und Zahlencodes auf den Henkelmännern – die meisten Dabbawallas, die alle aus einem Dorf aus der Nähe von Pune stammen, sind Analphabeten.

Hier bzw. hier weitere Geschichten über sie, hier auch ein Filmbericht.

Marine Drive

Donnerstag, 17. März 2011

Marine Drive ist eine etwa drei Kilometer lange Küstenstraße, die zum Feinsten zählt, was Mumbai zu bieten hat. Warum, hat sich mir zunächst nicht erschlossen, als ich die runtergekommenen Häuser sah, die sich hier aneinanderreihen. Teilweise wunderschöne Dreißiger-Jahre-Bauten, aber alle schwer gebeutelt vom Monsun. Drinnen, so sagte man mir, herrsche teils große Pracht, aber Geld in die Fassade stecken? Wozu? Die nächste Regenzeit kommt bestimmt.

Die Straße entfaltet ihre ganze Magie erst in der Dämmerung. Dann hocken alle dicht an dicht auf der Kaimauer, um der Sonne beim Untergehen zuzuschauen. Und tatsächlich, da wird sogar der Moloch kurz romantisch.



Auf dem Dach des Ambassador Hotels gibt es ein rotierendes Restaurant, und selbst das gewinnt in diesem Licht. Vielleicht mal hoch die nächsten Tage.

Mit allen Wassern

Mittwoch, 16. März 2011

Waschtag. Oder vielmehr: Waschenlasstag. Der Wäschezettel meines Hotels führt nur wenige Positionen mit westlicher Kleidung auf (besonders entzückend: „Handschuhe“ und „Taschentuch“), aber irgendwie sortiere ich mein Zeug da ein. Und erhalte es am Abend mit sorgfältig angebändselten Stofffetzen, auf denen meine Zimmernummer steht, die T-Shirts um Pappe herumgefaltet.


Heute habe ich mir angeschaut, wo sie vermutlich gewesen sind: im dhobi ghat, einer Open Air-Wäscherei. Die größte von Mumbai liegt in der Nähe der Mahalaxmi Station: 200 dhobis, Waschmänner, und ihre Familien arbeiten hier – das Geschäft ist erblich. Die Wäsche wird in Betonwannen eingeweicht, geschrubbt, geschlagen, gespült, in Kessel mit Stärke geworfen, aufgehängt, zusammengelegt – es ist ein wahnsinniges Schauspiel, scheinbar direkt aus dem Mittelalter. Vor allem Hotels und Krankenhäuser lassen hier waschen, aber von der benachbarten U-Bahn-Station werden auch immer wieder Bündel mit privater Wäsche hierher geschleppt.






Mein Zeug: blitzeblank. Und die raue Behandlung war ihm nicht anzusehen.

Indischer Humor

Dienstag, 15. März 2011

Heute morgen in der Zeitung:

Und dann doch wieder…

Dienstag, 15. März 2011

…Momente wie der, wenn der Mann gegenüber wie jeden Morgen mit einer Tüte Brotreste aufs Dach geht, um die Tauben zu füttern. Er sitzt immer nur 10, 15 Sekunden auf einer kleinen Bank, schaut zu und verschwindet dann wieder. Ich warte jeden Morgen auf ihn, wie die Tauben.

Juhu

Dienstag, 15. März 2011

Heute würde ich sie endlich treffen: Kashmera Shah, Bollywood-Schauspielerin, in letzter Zeit eher durch Skandale aufgefallen wie die Teilnahme an der beliebten Reality-Show Love Lock-Up, in der ein Paar mit Beziehungsproblemen acht Tage in einen Raum gesperrt wird (RTL 2, are you listening?). Dies ist eine Zusammenfassung der Folge, wirklich faszinierend. Und dann war da natürlich noch ihr erotischer Kalender, dessen feierliche Enthüllung ich neulich ja blöderweise verpasst habe. Hier ein paar… Impressionen. Aufschlussreich, was in Indien als sexy gilt, besonders dies hier:

Man muss sich Kashmera also als eine indische Daniela Katzenberger vorstellen. Mit anderen Worten: Ich freute mich wirklich auf sie. Sie schlug als Treffpunkt das Marriott Hotel in Juhu Beach vor, eine etwa einstündige Taxifahrt Richtung Norden. Gut, Juhu wollte ich mir sowieso angucken. Der übliche Taxi-Scheiß: Der Fahrer wollte erst nicht den Zähler einschalten, mir 100 statt 50 Rupien für die Route über den schnelleren Sea Link abknöpfen und mich dann in Bandra ganz rauswerfen, ich solle mir doch eine Motorrikscha für den Rest des Weges nehmen, er bekomme hier oben kein Benzin (Tank war halbvoll) – ich bin den Quatsch inzwischen gewohnt. Das Marriott: die übliche Security-Schleuse und Abtastung am Eingang, hier freundlicherweise durch eine Frau. (Bei der Gelegenheit: Habe ich schon erzählt, wie oft ich auf der Straße „unabsichtlich“ von Männern berührt werde, gern auch am Po, wenn ich an der Ampel stehe?)

Ich war früh dran, ich wollte noch an den Strand gehen: „Sorry, ma’am, nur für Hotelgäste“ – okay. Im Café: ein Kännchen Tee. Und warten. Und warten. Und warten. SMS geschickt, keine Antwort. Nach einer Stunde aufgegeben, zurück in die Stadt. Nur war da schon Rush Hour, keine Chance auf ein Taxi auf der Straße. Der Portier besorgte mir ein Pre-Paid-Taxi, natürlich für den dreifachen Preis. Rückfahrt: eineinhalb Stunden. Vier Stunden Sinnlosigkeit, ein weiterer Nachmittag in Mumbai.

Das mit Mumbai und mir wird nichts mehr, glaube ich. Wir sind nicht füreinander gemacht. Wir haben alles probiert, wir waren in Paartherapie, es hat nichts genützt. Ob es eine glückliche Beziehung wird, hängt natürlich immer von beiden Beteiligten ab. Ohne allzu esoterisch werden zu wollen: Meine bisherige Erfahrung beim Reisen war immer, dass man in eine Art Dialog mit einem Ort tritt. Wie man auf eine Stadt zugeht, so antwortet sie auch. Wenn einem die Stadt allerdings wiederholt in die Hand beißt, obwohl man versucht, sie zu streicheln, dann hat man irgendwann keine Lust mehr. Und das ist genau das, was hier gerade passiert: die berüchtigte Reise-Todesspirale. Die bisher eher freudlosen Erlebnisse führen dazu, dass ich dichtmache – und dass mir folglich kaum noch etwas Gutes widerfährt. Ich rechne mit dem Schlimmsten, und genau darum passiert es mir auch. Das Scheidungsverfahren läuft. Ein Schuldprinzip gibt es auch hier nicht.

Am Freitag allerdings ändert sich die Konstellation: Dann kommt eine Münchner Freundin nach Mumbai, wir werden am Montag von hier aus weiter nach Rajasthan reisen. Und dann: Neues Spiel, neues Glück.

Sweet home

Sonntag, 13. März 2011

Schön, Sie haben sich also entschlossen, 750 Millionen Ihrer 29 Milliarden Euro Vermögen in den Bau eines Eigenheims zu stecken. Ist ja auch vernünftig in diesen Zeiten. Was machen Sie also? Bauen Sie Versailles II an der Côte d’Azur? Ein Chalet in der Schweiz? Heuern Sie Rem Koolhaas an oder Peter Zumthor? Oder machen Sie es so wie der reichste Mann Indiens, der Erdölmagnat Mukesh Ambani, und klotzen 27 Stockwerke in zentrale Mumbaier Lage, 173 Meter hoch, 37.000 Quadratmeter nur für sich, die Frau Gemahlin, die drei lieben Kinderlein und die Frau Mama? (Plus für die 600 Angestellten, ohne die es wirklich nicht geht.)

Das angeblich teuerste Privathaus der Welt, im letzten Herbst mit einer zweifellos rauschenden Party eingeweiht, steht nicht weit von meinem Hotel in der Altamount Road im Stadtteil Kemps Corner und ist von mehreren Seiten gut einsehbar. Was vermutlich Sinn der Sache ist. Sechs Etagen sind allein für den Fuhrpark samt eigener Werkstatt reserviert. Im 9. Stock liegt die hauseigene Notfallklinik, im 11. Stock ein Schwimmbad und ein Fitnessclub, ferner gibt es einen Krishna-Tempel, ein Kino, einen Ballsaal und eine Diskothek, drei Gärten und einen Vogelpark. Auf dem Dach befinden sich drei Hubschrauberlandeplätze, damit es beim An-und Abflug der Gäste nicht zu Staus kommt.

Das Haus ist natürlich gut bewacht, aber die Wachen rundherum, die mich mit in den Nacken gelegtem Kopf und Fotoapparat um das Haus streichen sahen, winkten mich nur freundlich über den Parkplatz eines Nebengebäudes in die günstigste Fotoposition.

37.000 Quadratmeter… Die Mutter von Ambani pendelt übrigens zwischen diesem Haus und dem ihres zweiten Sohnes Anil, das nur läppische 14 Stockwerke hoch ist.

P.S. Der landete vorhin auf meinem Fenstersims im immerhin 10. Stock. Kennt sich jemand aus? Ist das ein Bussard? War recht groß. Er guckte mich an wie einen Parsen (sorry, kleiner Insiderwitz).

Samstag

Samstag, 12. März 2011

Heute einfach mal eine kleine Diashow vom Tag.

6.45 Uhr, Sonnenaufgang. Was ich an meinem Hotelzimmer ernsthaft liebe, ist der Ausblick durch die Panoramascheibe. Pure Stadt, am Morgen und am frühen Abend besonders schön. Die erste Kanne Tee im Bett (aus meiner Buenos Aires-Silberkanne, was war das doch für ein brillanter Kauf).

Open Air-Buchladen am Flora Fountain. Keine Ahnung, wie die das da jeden Tag hin- und wieder wegschaffen. Oder lassen sie die Bücher einfach unter der Plane liegen? Ich habe noch keine Stadt erlebt, die ambulanter ist als Mumbai. Jeden Morgen eröffnen Leute ihr Geschäft ganz einfach auf dem Bürgersteig: Eine Plane oder ein Stück Sackleinen wird auf dem Boden ausgerollt und das ist dann eine Schusterei, eine Handyreparatur, ein Barbier.

Kaufhäuser gibt es hier nicht. Dies kommt noch am nächsten ran: Khadi Gramodyog Sangh, ein großer runtergerockter Laden für indische Kleidung und Einrichtungsgegenstände. Früher, als der Laden noch Whiteaway & Laidlaw hieß, kauften hier die britischen Kolonialbeamten ihre Tropenhelme, Khakishorts und Chinintabletten. Ich habe ein salwar kameez erstanden, das Hemd für 193 Rupien (3,20 Euro). Man schämt sich immer ein bisschen bei solchen Preisen. Die Tageszeitung Times of India übrigens: 5 Rupien, acht Cent.

Khadi Store, 286 Dr DN Marg

Ein Palast? Beinahe. Es ist der Chhatrapati Shivaji Terminus, der Hauptbahnhof von Mumbai. Besser bekannt unter seinem alten Namen Victoria Terminus oder auch kurz VT. Ich stand davor und sagte „wow“. Der junge Inder neben mir, der ihn ebenfalls fotografierte, lachte und sagte „That’s India.“ Ein Architekturkritiker nannte den Stil mal „viktorianisch-gotisch-sarazenisch-italienisch-orientalischer Barock“ und das trifft es so halb. Es ist das größte britische Gebäude in Indien, 1887 vom Architekten der Londoner St Pancras Station gebaut. An der Fassade: steinerne Affen, Pflanzen, Fabeltiere.

Apropos Fabeltiere: Die offiziellen Mülleimer der Stadt bringen mich immer zum Lachen. Pinguine, in Indien? Warum nur? Ich muss das recherchieren.

Nachmittagsvorstellung der Bollywood-Romantic Comedy „Manu Weds Tanu“ im Sterling Cinema. Auf Hindi, klar. Aber man kommt trotzdem mühelos mit.

Der Stadtteil Fort im Zentrum. Hier siedelten die Briten als erstes, man sieht es den Häusern an. Paar tolle Schuppen dabei.

Ich vermelde nicht bei jedem Neuzugang im Koffer, was dafür rausfliegt, das wäre albern. Hier mal eine Ausnahme. Rein: großes Kaschmir-Seiden-Tuch, zweiseitig zu tragen. Raus: goldenes Lederarmband mit der Aufschrift Wohnen im Gewoge und keine Heimat haben in der Zeit. Das Tuch ist ‘n Tick größer, ich geb’s zu.

Ein bisschen Frieden

Freitag, 11. März 2011

„Dear friend”, so beginnt Ghandi seinen Brief, adressiert an “Herr Hitler, Berlin, Germany”, datiert auf Juli 1939, kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs. Er habe bisher trotz der Bitten seiner Freunde nicht schreiben wollen, weil er befürchtet hatte, ein Brief werde als Impertinenz empfunden. „Es ist offensichtlich, dass Sie heute der einzige Mensch auf der Welt sind, der einen Krieg verhindern kann, der die Menschheit vielleicht in den Zustand der Barbarei zurückwirft“, appelliert er an Hitler mit Verweis auf seinen eigenen Pazifismus. „Ich erhoffe Ihre Vergebung, sollte ich mich geirrt haben. Ihr aufrichtiger Freund, M. K. Ghandi“

Der Brief hängt im kleinen Ghandi-Museum, das in seinem Wohnhaus von 1917 bis 1934 eingerichtet ist, einem schönes Holzhaus in einer ruhigen Seitenstraße mit alten Villen. Ich war hiergegangen auf der Suche nach einem Gegengift, und ich habe es gefunden. Im Haus hängen vor allem Fotos, es gibt aber auch eine Rekonstruktion seines Wohnraums und, im obersten Stock, liebevoll gebastelte Dioramen mit Szenen aus seinem Leben. Die meisten haben einen bezaubernden Augsburger Puppenkisten-Charme, zu Tränen gerührt aber hat mich die Darstellung der Todesszene von Kasturba, mit der Ghandi 62 Jahre lang verheiratet war: er im Schneidersitz, sie mit dem Kopf in seinem Schoß. Sie wurden mit sieben Jahren miteinander verlobt, bei der Hochzeit waren sie 13 und 12.

Im Erdgeschoss: die Bibliothek, eine Oase. Mumbai nimmt und gibt.

Mani Bhavan, Mahatma Gandhi Museum, 19 Laburnum Road, Mumbai, Maharashtra 400007, 022 23805864