Sauber!

Montag, 5. September 2011

Manchmal kann es so einfach sein. Meine schlechte Laune ist wie weggeblasen, seit ich beschlossen habe, es einfach so zu machen wie die Barcelonesen: alle Fenster weit auf, den Lärm als unterhaltsamen Soundtrack betrachten und bei Gelegenheit entspannt zurücklärmen. Dann kriegt meine Nachbarin von gegenüber halt jetzt mal als Antwort auf ihre ewige Natalie Imbruglia eine Dosis Thelonious Monk retourniert, bestimmt nicht minder nervig für sie. Nur zur Siestazeit zwischen zwei und vier ist die Carrer D’en Boquer demilitarisierte Zone, und auch das habe ich schnell gelernt: wie nett so ein Schläfchen am hellichten Tag ist.

Meinen ersten richtig schönen spanischen Innenstadtsglücksflash hatte ich aber heute morgen, als ich meine Wäsche raus auf die Gasse gehängt habe. Endlich mal das machen, was man sonst immer nur als Tourist von unten als malerische Milieustudie fotografiert! Zuerst hatte ich als Anfängerin noch Muffe, dass T-Shirts oder Wäscheklammern abstürzen, aber jetzt flattert das Zeugs blau im Wind, ich habe mich dazu gesetzt, lese ein bisschen, schreibe ein bisschen und finde Barcelona einfach wunderbar. Und für den Fall, dass es später wieder laut wird (und es wird), habe ich meinen geliebten Bose Quiet Comfort aus dem Koffer geholt. Den benutze ich normalerweise nur im Flugzeug, aber hier im Born wird die Anschaffung plötzlich zum Geniestreich.

Apropos Thelonious Monk: Eines der großen Vergnügen, wenn man plötzlich mal so viel Zeit hat wie ich, ist es, sich all die Dokumentationen und Filme anzuschauen, die auf Youtube geladen sind. Gerade habe ich beim Stöbern einen meiner liebsten Jazzfilme wiedergefunden, Jazz on a Summer’s Day (Nachtrag: Dieser russische Link scheint besser zu funktionieren). Auch der macht sofort gute Laune. Und als ob das noch nicht genügen würde: der Song aller Weltreisenden im Google Doodle. Hier die Video-Variante.

Wenn ich mal groß bin…

Sonntag, 4. September 2011

…wäre ich immer noch nicht groß genug für so einen Kamin. Er steht im ersten Stock von Vinçon, dem legendären Designgeschäft auf dem Passeig de Gràcia. Ich habe mich allen Ernstes für eine Viertelstunde in den Eames-Chair vor dem Kamin gesetzt (nein, das ist keine Vitra-Miniatur) und nur geguckt.

Selbst wer sich nicht so für Möbel interessiert: Die Schaufenster von Vinçon sind allein schon den Besuch wert. Und von der gigantischen Terrasse, ebenfalls vom ersten Stock aus zu erreichen, schaut man auf die Hinterseite von Gaudís La Pedrera.

Vinçon, Passeig de Gràcia, 96, 08008 Barcelona

Aber die Häuser!

Samstag, 3. September 2011

Am Passeig de Gràcia kriegt man den Mund nicht mehr zu. Wirklich atemberaubende Architektur.

11 Dinge, die ich in drei Tagen Barcelona gelernt habe

Samstag, 3. September 2011

1. Spanische Männer können 20 Minuten am Stück reden, ohne Luft zu holen. Und zwar laut und schnell und so, dass kein Mensch auch nur hochkant ein Wort dazwischenkriegt. Sie tun das bevorzugt in der engen Gasse, in der ich wohne.
2. Techno ist nicht tot. Nicht, wenn es nach meinem Nachbarn gegenüber geht.
3. Wenn jemand Oboe übt, klingt das nicht gut.
4. In den Häusern meiner Straße gibt es keine Mülltonnen, den Müll packt man vor die Tür. Wo er liegenbleibt.
5. Katalanische Barmänner tun ihre Verachtung Touristen gegenüber kund, indem sie Weingläser nur halb voll schenken.
6. Was nichts macht, weil der Wein absurd billig ist.

7. Die Ramblas sind ein Ort des Grauens. Menschen in absurden Kostümen sitzen in der Gegend herum und erwarten dafür Geld, halbtote Kaninchen vegetieren in den Käfigen von Tierhändlern, Touristen tragen ihre Rucksäcke vor dem Bauch, was zwar nachvollziehbar ist, aber hochgradig dämlich aussieht.
8. Ich bin eben doch älter und spießiger, als ich gedacht habe.
9. Oder es liegt daran, dass es einfach zu heiß und zu eng ist.
10. Oder an allem zusammen.
11. Aus irgendeinem Grund jedenfalls fällt mir zu meiner Verblüffung der Schritt von Kopenhagen nach Barcelona schwerer als beispielsweise der von Sydney nach Buenos Aires. Oder von Shanghai nach Honolulu. Ich bin merkwürdig grantelig hier, unentspannt, genervt. Das wird sicher noch besser. Und im Zweifel stimmt Punkt 8.

¡Cuidado!

Freitag, 2. September 2011

„Vorsicht, deine Handtasche ist offen“, sagte die Frau hinter mir in der Kassenschlange und ist damit die siebte, die mich hier vor dem grassierenden Klau warnt. Ist es wirklich so schlimm? Anscheinend, denn fast jede Frau trägt ihre Tasche quer über die Brust gehängt und unter die Achseln geklemmt. Und wenn es selbst schon für die Hackenporsches Extra-Sicherungsschlösser am Supermarkt-Eingang gibt…

Hoch hinaus & bodenständig

Donnerstag, 1. September 2011

La Seu, das Licht, heißt im Voksmund die alte Kathedrale von Barcelona, auf die ich heute eher zufällig gestoßen bin (gibt es was Schöneres, als ohne Stadtplan in konzentrischen Kreisen um eine neue Wohnung zu mäandern?). Sehr hell ist sie nicht, man muss ihr schon aufs Dach steigen, um das Licht zu sehen. Aber dann!

Noch schöner als die Kathedrale selbst ist der Kreuzgang mit seinem palmenbewachsenen Innenhof und den 13 schnatternden Gänsen – für jedes Jahr, das die Schutzheilige der Kathedrale, Santa Eulalia, gelebt hat, eine.

In den Gassen des Born hat sich die baskische Variante der Tapas (oder die spanische Variante des smørrebrød?) durchgesetzt: pintxos. Kleine Häppchen, meist auf Brot, zusammengehalten von einem Holzspieß. Man sammelt die Spießchen, nach ihrer Anzahl wird später abgerechnet. Man steht an der Bar, trinkt ein Glas Weißen (oder zwei) und debattiert mit den Nebenstehenden über die besten pintxos. Hin und wieder bringt jemand aus der Küche einen neuen Teller (Mini-Chorizos!) und alle stürzen sich drauf. Die perfekte 15-Uhr-Mahlzeit.

Zwischen Picasso-Museum und Santa Maria del Mar liegt diese Pintxo-Bar, die zum baskischen Kulturzentrum gehört und als eine der besten gilt:

Euskal Extea, Placeta Montcada 1-3

Neue Heimat 9

Mittwoch, 31. August 2011

Eine Gasse im Born, in die ich mich nie trauen würde, wenn ich hier nicht wohnen würde. Drei enge, steile Treppen hoch – und dann eine frische Brise Weiß, die 28 Grad Barcelona sofort auf angenehme 22 Grad herunterkühlen. El Born ist neben dem Barrio Gótico das Altstadtviertel von Barcelona, 10 Minuten von den Ramblas und 10 Minuten vom Strand entfernt, fünf Minuten vom Picasso-Museum und drei Minuten vom Markt. Die bisherigen Monate haben mich gelehrt: Die Entfernung zum Markt ist die bei weitem wichtigste. Wie oft geht man schon ins Museum? Wie oft hingegen braucht man einen frischen Mangosaft oder ein Viertelpfund Serrano-Schinken? Richtig.

Was mich nahtlos zu einer VMDW-Tradition bringt: das erste Mahl im neuen Heim. Serrano-Schinken, natürlich, von einem dicken kahlköpfigen Katalanen abgeschnitten, der mein neuer bester Freund für die nächsten vier Wochen wird. Dazu Honigmelone, dickes Pa d’Olives (an Katalanisch muss ich mich erst noch gewöhnen, nachdem ich mir in Buenos Aires einen Porteño-Akzent zugelegt habe) und eine Flasche Cava. Eine. Flasche. Cava. Nur für mich. Denn hey, dies ist der Monat, in dem gelebt wird; die protestantische Arbeitsethik habe ich in Kopenhagen hinter mich gebracht.