Hoy mi padre tiene 85 años – und ich bin nicht dabei. Mierda.
Auf dem Foto links hat mein Vater das, was meine Mutter und ich sein Lügengesicht nennen. Wenn er so guckt, wissen wir: Egal was er sagt, es ist Mumpitz. Rechts sein „Bist du wirklich drauf reingefallen?“-Gesicht. Ich vermisse beide und ich wünschte, ich wäre heute zu seinem Geburtstag da. ¡Feliz cumpleaños, papá!
Der berühmteste Tango der Stadt, gesungen vom berühmtesten Tangosänger der Stadt, Carlos Gardel. Da ist auch schon egal, dass der Mann seit 75 Jahren tot ist. Als sein Flugzeug 1935 verunglückte, begingen viele seiner Fans Selbstmord. Und bis heute heißt es in Buenos Aires: „Gardel singt mit jedem Tag besser.“
Hier geht es um die beiden argentinischen Leidenschaften Frauen und Pferdewetten. Und den Umstand, dass man bei beidem oft por una cabeza, um eine Pferdekopflänge, verliert.
¿A qué hora? frage ich. A la ocho, grummelt er. In vier Stunden also, um 20 Uhr, kann ich meine Wäsche wieder abholen. Zwei Waschmaschinenladungen gewaschen, getrocknet und zusammengelegt: 13 Pesos. 2,40 Euro. Morgen, am Sonntag, wäscht er auch.
Ich hatte ja schon mal geschrieben, dass mir das Lernen einer neuen Sprache vor allem deshalb so viel Spaß macht, weil man gleich eine ganze Geisteshaltung mitgeliefert bekommt. Im Spanischen gibt es das Verb tener (= haben, besitzen), das multipel kombinierbar ist. Tener la culpa = schuld sein, tener la cabeza bien amueblada (wörtlich: einen gut möblierten Kopf haben) = clever sein. Was mir gut gefällt: Sein Alter gibt man ebenfalls mit tener an: Tengo cincuenta años = Ich bin 50. Also: Ich habe, ich besitze diese 50 Jahre. Sie gehören mir. Das finde ich ein prima Konzept, mit dem Altern umzugehen.
Ich bin Journalistin geworden, um meine Nase ungefragt in alles reinstecken zu können und dafür auch noch bezahlt zu werden. Gelegentlich schütze ich aber auch nur journalistisches Interesse vor, wo eigentlich blanke private Neugierde herrscht. Als ich irgendwo las, dass Francis Ford Coppola, Urheber diverser Meisterwerke (Der Pate! Apocalypse now! Sofia Coppola!), hier in Buenos Aires ein Haus besitzt, das er an Gäste vermietet, musste ich es natürlich unbedingt angucken. Offizielle Anfrage: ich wolle was drüber schreiben (tue ich ja auch gerade…). Die Bitte ging durch mehrere Instanzen, gestern dann die Nachricht: Sie können gern vorbeikommen.
Jardin Escondido ist ein Ensemble von fünf kleinen Stadthäusern in Palermo Soho, dem inzwischen todschicken Boutiquen- und Ausgehviertel von Buenos Aires. Wie viele Häuser hier sieht es von außen unscheinbar aus, dahinter öffnet sich eine ganze Welt um einen kleinen Innenhof herum. Coppola hat das Haus gekauft, als er ein Jahr in Buenos Aires lebte, um seinen letzten Film Tetro zu drehen. Auf dem Bild oben: sein Schlafzimmer, übrigens mit einem schockierend kleinen Bad.
Bislang konnte man das Haus nur im Ganzen anmieten, für etwa 13.000 US$ pro Woche. Jetzt sind die sieben Zimmer auch einzeln zu bekommen (ab 200 US$ die Nacht, das Schlafzimmer des Meisters ab 300 US$). Es ist sagenhaft ruhig, das Lauteste ist die Gegenstromanlage des kleinen Pools im Innenhof.
In Sydney waren es Restaurants, in Buenos Aires sind es Buchläden. Aber es hilft ja nichts: Wenn so viele wunderschöne Geschäfte in einer Stadt existieren, kann ich nicht die Augen davor verschließen.
Dieser Laden hier ist Eterna Cadencia in Palermo Hollywood (der Namenszusatz stammt von den vielen Film- und TV-Produktionsfirmen in der Gegend). Die Auswahl ist makellos, ich war kurz versucht, eine zweisprachige Ausgabe von Walt Whitmans Leaves of Grass zu kaufen. Und sie haben sogar Los Buddenbrook in einer wunderschönen Ausgabe.
Ein Juwel: der Innenhof mit einem kleinen Café, siehe oben. Es gibt wie in beinahe allen Cafés und Geschäften freies WLAN. Irgendwann die Tage packe ich mein MacBook ein und werde mich zum Arbeiten hierher setzen. Ich nenne es jedenfalls Arbeit.
Mein Spanisch steckt in den Kinderschuhen, deshalb verstehe ich auch nur in Ansätzen, was Guido Indij über unsere Begegnung vorgestern abend geschrieben hat. Ich weiß nur: Ich hatte einen wunderbaren Abend mit zwei der interessantesten Verleger der Stadt. Guido, eigentlich Fotograf, betreibt seit Jahren seine Kunstbuch-Verlage La Marca Editora und Asunto, er ist sozusagen der Walther König von Argentinien. Seine Lebensgefährtin Constanza Brunet, ehemalige Journalistin, hat vor ein paar Jahren Editorial Marea gegründet, einen Verlag, der sich auf journalistische Bücher und Biografien spezialisiert hat. Eine ihrer Entdeckungen, den Reisebericht von Carlos Ferrer über seine Motorradtour mit Che Guevara, hat sie in elf Länder verkaufen können, so was hält einen Kleinverlag über Wasser. Sie ist gerade zur Verlegerin des Jahres in Argentinien gewählt worden. Nicht nur das hatten wir zu feiern. Ich war übrigens genau so müde, wie ich auf dem Foto aussehe: Man isst hier frühestens um 21.30 Uhr, meist später. Oft fällt mir der Kopf in die Suppe.
Vor 100 Jahren war Buenos Aires eine der reichsten Städte der Welt. Die Bürger von Recoleta konnten sich Trottoirs aus Marmor leisten, die Häuser, die damals gebaut worden, waren von atemberaubender Pracht. Einiges davon sieht man heute noch auf der Avenida Alvear, der Vorzeigemeile von Recoleta. Die einstigen Herrenhäuser sind inzwischen Botschaften oder Hotels oder Flagshipstores der globalen Luxusmarken von Louis Vuitton bis Ralph Lauren. Nirgendwo knallen Reichtum und Armut so hart aufeinander wie hier: Keine 600 Meter weiter beginnt der mit 26.000 Bewohnern größte Slum der Stadt, Villa 31.
Seit meiner „Und tschüß“-Aktion aus dem letzten Jahr habe ich eine ganz einfache Regel: Für jedes neue Ding muss ein altes weg. Das gilt natürlich besonders auf Reisen. Damit der Koffer nicht irgendwann aus allen Nähten platzt, folge ich einer strikten 1 rein/1 raus-Regel. In diesem Fall war es leicht: Eines meiner beiden Paare Ballerinas löst sich allmählich in Wohlgefallen auf, die Sohle ist durch und der Rand ausgerissen. Da die Porteña es nicht so mit Schlichtheit hat, hatte sich die Suche nach Ersatz etwas hingezogen. Seit heute ist sie beendet. Und die neuen sind sogar noch bequemer, magnifico.