Im Lauf des Nachmittags dachte Rose zum ersten Mal darüber nach, wie sie mit mir Geld verdienen könnte. „Wenn wir für jedes Bild zehn Rupien nehmen würden, macht das…“
Wir waren mit dem Schiff auf die Insel Elephanta gefahren, rund eine Bootsstunde von Mumbai entfernt, ein klassisches Sonntagnachmittagsausflugsziel für Inder. Es waren nur eine Handvoll Ausländer an Bord. Die eine Attraktion auf Elephanta: ein Höhlentempel aus dem 8. Jahrhundert mit diversen in den Fels gehauenen Shiva-Statuen, darunter einem sechs Meter hohen dreigesichtigen Shiva – der Gott als Schöpfer, Zerstörer und Beschützer. Die Portugiesen, die die Insel und den Tempel im 16. Jahrhundert entdeckten, haben einige der Statuen für Schießübungen genutzt, so wird erzählt, und so viel Kälte und Dummheit muss man erst mal im Herzen haben, einem völlig entrückten tanzenden Shiva die Beine wegzuschießen. Es sind aber noch genügend Statuen übrig, vor denen sich die Mumbaier Jugend mit ebenfalls steinernen Gesichtern zum Porträt aufbaut.
Zweite Attraktion der Insel: ich. „Can we take a picture of you?“ Mir werden rosagekleidete Kleinkinder an die Hand gegeben, kichernde oder ängstlich blickende Frauen zur Seite gestellt, und klick, klick, klick. Rose kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ich finde es nur fair: Für jedes Foto, das ich von einem Inder mache, macht ein Inder eins von mir.
Bei der Gelegenheit: Ich bin inzwischen ein großer Anhänger des salwar kameez geworden, des indischen Hosenanzugs, der hier weit öfter als Saris getragen wird – und auch unendlich viel praktischer ist, zumal bei großer Hitze. Am Mittwoch war es 41,6 Grad warm im Mumbai (übrigens eine Tatsache, die der Lokalpresse nur ein kleiner Einspalter wert war, obwohl es der heißeste Tag seit 1956 war – es gibt hier Wichtigeres), und selbst bei solchen Temperaturen trägt sich das Ganze wahnsinnig angenehm. Sogar in Dunkelblau.