Geruhsame Nacht

Mittwoch, 23. März 2011

Deogarh ist ein Provinznest zwischen Udaipur und Jodhpur, unserem nächsten Ziel. Hier werden wir übernachten, es werde irgendein günstig gelegenes Hotel, hatte man uns gesagt. Und dann das: Deogarh Mahal, ein Maharaja-Palast mit Kolonial-Charme. Kein Fernseher auf dem Zimmer, stattdessen ein Salon mit einem Schachspiel und einem Grammophon. Und Fotos ehemaliger Maharajas an den Wänden und auf dem Kamin. Zur vollen Stunde ertönt vom Uhrenturm im Hof die Big Ben-Melodie. Es ist fast nicht auszuhalten, so schön.

Den Wald vor lauter Säulen

Mittwoch, 23. März 2011

Über die Jains war ich ja schon in Mumbai gestolpert: eine Religion mit etwa drei Millionen Anhängern, gewaltfrei, streng vegetarisch lebend. Jain-Mönche fegen beim Gehen den Boden vor sich, um auf keine Insekten zu treten. Da für die Anhänger aufgrund ihres Glaubens bestimmte Berufe nicht in Frage kommen – Militär natürlich nicht, Landwirtschaft auch nicht, denn man könnte beim Pflügen ja Würmer töten – und sie die Idee verfolgen, dass man im Sitzen am wenigsten Schaden für andere Kreaturen anrichtet, findet man viele Jains in Handel, Verwaltung, Banken. Mit anderen Worten: Sie sind reich.

Der Jain-Tempel von Ranakhpur ist gut 1000 Jahre alt. Es gibt hier 1440 marmorne Säulen, keine wie die andere. Und es herrscht trotz der ergriffen herumwandernden Touristen eine derart tiefe Stille an diesem Ort, dass Mumbai wie auf einem fremden Planeten wirkt.

Gesichtslos

Mittwoch, 23. März 2011

Die Ruinen von Nargador liegt ein paar Kilometer nördlich von Udaipur, mitten auf dem Land an einem kleinen See. Selten, dass hier mal einer anhält, sie liegen nicht auf der üblichen Touristenstrecke und sind deshalb auch nicht bewacht. Wenn man sich die schönen, detailliert gemeißelten Figuren am Vishnu-Tempel anschaut, fällt auf, dass allen die Gesichter weggeschlagen wurden. Warum? Unser Führer Surendra erklärt: Das haben die Einwohner des nahen Dorfs getan, um Antiquitätenschmuggler auszuhebeln. Ohne Gesicht sind die Figuren wertlos. Da habe ich heute fast das erste Mal geheult: zerstören, um zu bewahren, was für eine Entscheidung.

Heute fahren wir rund 190 Kilometer über Land, durch steppige Landschaften, über holprige Straßen, vorbei an ziegenhütenden Kindern, Wasserrädern, die von Ochsen angetrieben werden, und hoch mit Heu beladenen Dromedaren. Wasserbüffelherden kreuzen die Straße, wir überholen Jeeps, in die sich 20 Leute gezwängt haben. Die Männer tragen magentafarbene und dottergelbe Turbane, die Frauen sogar bei der Feldarbeit die Arme voller Schmuck und Saris mit glitzenden Schleiern. Es ist ein Dauerbombardement auf alle Sinne und alle Hirnregionen.

Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck „to feast the eyes“ (also etwa: den Augen ein Festmahl bereiten), und das tue ich hier den ganzen Tag. Meine Augen kriegen Futter wie lange nicht mehr, sie werden geradezu gemästet. Fotografieren wird sinnlos, denn in jeder Minute müsste man die Kamera wieder heben; nach einer halben Stunde gebe ich erschöpft auf. Und lasse einfach alles in mich einsickern. Indien kann man sowieso nicht auf Bilder bannen.

Seide

Mittwoch, 23. März 2011

„Das bin ich nicht“, sagte ich im Stoffladen, als es darum geht, welchen der hunderte von Seidenstoffen man zu einem Morgenmantel verarbeiten könnte. „Ich bin nicht Seide und ich bin nicht Muster. Ich bin Frottee und weiß. Allerhöchstens dunkelblau.“ Und also sprach Rose in ihrer Weisheit: „Du glaubst nur, dass du so bist. Vielleicht bist du aber in Wirklichkeit Seide in türkis-orangefarbenem Kaschmirmuster, du weißt es nur noch nicht.“ Und so geschah es, dass ich jetzt mit Silberkanne und maßgeschneidertem seidenem Morgenmantel reise. Nennen Sie mich Maharani.

Der Neidfaktor

Dienstag, 22. März 2011

Nur um das auch noch schnell nachzuliefern, wo ich doch schon mitten im Bilderrausch bin: das Hotel, in dem wir gerade residieren. Udai Kothi, nicht weit vom See, sehr zu empfehlen. Hübsch, aber nicht überkandidelt eingerichtet mit Eisenbetten und Deckenventilator. Es gibt einen wunderschönen Dachpool mit benachbartem Restaurant, von hier aus hat man einen tollen Blick über Stadt und See.

Udaipur, Sahelion-ki-Bari

Dienstag, 22. März 2011

Ein Lustgarten etwas außerhalb des Zentrums, den der soundsovielte Maharana von Mewar im 18. Jahrhundert für die Hofdamen anlegen ließ. Eine Oase mit einigen sehr lustigen hochzeitstortenähnlichen Brunnen. Jedenfalls wenn man sich Hochzeitstorten mit Tigern und Elefanten vorstellt.

Udaipur, Stadtpalast

Dienstag, 22. März 2011

Der Stadtpalast von Udaipur ist gleich für mehrere Rekorde gut: Es ist die größte Maharana-(das ist eins drüber über Maharaja) Palastanlage von Indien, bestehend aus elf verschiedenen Palästen, die über 300 Jahre gebaut wurden. Sie sind Heimat der Sisodia-Familie, Herrscher der Provinz Mewar. Der derzeitige Maharana ist der 76., was die Sisodias zur vermutlich ältesten ununterbrochen herrschenden Dynastie der Welt macht. Ein Teil der Palastanlage ist heute Hotel, ein anderer (5.000 Quadratmeter großer) Teil Privatwohnung des Maharanas, seiner Frau und seines Sohns, und ein weiterer ist Museum.

Man weiß gar nicht, wohin man seinen Fotoapparat als erstes halten soll. Ich habe 135 Bilder gemacht, eines toller als das andere. Die Pracht ist unbeschreiblich, die Liebe zum Detail tränentreibend.

Die königliche Sitzwaage.

…and hello Udaipur

Montag, 21. März 2011

Bye bye Bombay

Montag, 21. März 2011

Zugewinngemeinschaft

Sonntag, 20. März 2011

Im Lauf des Nachmittags dachte Rose zum ersten Mal darüber nach, wie sie mit mir Geld verdienen könnte. „Wenn wir für jedes Bild zehn Rupien nehmen würden, macht das…“

Wir waren mit dem Schiff auf die Insel Elephanta gefahren, rund eine Bootsstunde von Mumbai entfernt, ein klassisches Sonntagnachmittagsausflugsziel für Inder. Es waren nur eine Handvoll Ausländer an Bord. Die eine Attraktion auf Elephanta: ein Höhlentempel aus dem 8. Jahrhundert mit diversen in den Fels gehauenen Shiva-Statuen, darunter einem sechs Meter hohen dreigesichtigen Shiva – der Gott als Schöpfer, Zerstörer und Beschützer. Die Portugiesen, die die Insel und den Tempel im 16. Jahrhundert entdeckten, haben einige der Statuen für Schießübungen genutzt, so wird erzählt, und so viel Kälte und Dummheit muss man erst mal im Herzen haben, einem völlig entrückten tanzenden Shiva die Beine wegzuschießen. Es sind aber noch genügend Statuen übrig, vor denen sich die Mumbaier Jugend mit ebenfalls steinernen Gesichtern zum Porträt aufbaut.

Zweite Attraktion der Insel: ich. „Can we take a picture of you?“ Mir werden rosagekleidete Kleinkinder an die Hand gegeben, kichernde oder ängstlich blickende Frauen zur Seite gestellt, und klick, klick, klick. Rose kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Ich finde es nur fair: Für jedes Foto, das ich von einem Inder mache, macht ein Inder eins von mir.

Bei der Gelegenheit: Ich bin inzwischen ein großer Anhänger des salwar kameez geworden, des indischen Hosenanzugs, der hier weit öfter als Saris getragen wird – und auch unendlich viel praktischer ist, zumal bei großer Hitze. Am Mittwoch war es 41,6 Grad warm im Mumbai (übrigens eine Tatsache, die der Lokalpresse nur ein kleiner Einspalter wert war, obwohl es der heißeste Tag seit 1956 war – es gibt hier Wichtigeres), und selbst bei solchen Temperaturen trägt sich das Ganze wahnsinnig angenehm. Sogar in Dunkelblau.