Der Eine-Million-Dollar-Kuchen

Okay, nicht ganz. Aber: 19,55 AUS$ – gut 14 Euro – für ein Stück Kuchen ist schon steil. Dafür ist es aber auch der Heilige Gral unter Sydneys Kuchen: Lorraine Godsmarks date tart, vor 20 Jahren erfunden, als sie noch Patissière im Rockpool war (‘tschuldigung für das Gourmet-Geschwafel, das ist ansteckend hier in Sydney). Dattelpüree auf Mürbeteig, darauf die eierigste, sahnigste, vanilligste Eiercreme. Gerade genug gegart, dass sie nicht vom Kuchen fließt. „Ich mache diese Tarte immer noch so häufig, wie ich kann“, sagte Ms. Godsmark in einem kleinen Porträt über sie hier. Und wenn sie nicht so teuer wäre, würde ich sie so häufig essen, wie ich kann.

Yellow Bistro, 57-50 Macleay St, Potts Point, 2011

Samstagnachmittagsschlendrian



Paddington ist ein merkwürdiger Stadtteil. Seine Hauptstraße, die Oxford Street, ist die klassische lustige Boutiquen- und-Café-Meile, am Abend machen hier die Clubs auf. Aber sowie man sich ein paar Meter in eine Nebenstraße schlägt, steht man im Dorf vor viktorianischen Reihenhäusern mit schönen Gusseisengeländern, teils überwuchert von Frangipanibäumen oder Hibiscus. Und all das in völliger Stille. Ich habe vorhin eine milde Obsession für die gusseisernen Geländer entwickelt, fürchte ich. Jedes Haus scheint ein eigenes Muster zu haben – könnte man eigentlich ein schickes Memory-Spiel draus machen.

Markttag

Der Paddington Market steht in jedem Reiseführer, aber das muss ja nicht gegen ihn sprechen: Dieses Samstagsritual ist eine entspannte Ansammlung von gut 200 Ständen rund um die Uniting Church in der Oxford Street, recht gemütlich, ohne große Schieberei (zumindest nicht morgens um 10 Uhr, wenn er aufmacht). Klamotten, Kunstgewerbe, Second Hand-Zeugs und wie immer und überall: Essen. Wir standen eine Weile sehr fasziniert vor einem Typen, der tolle Kartentricks vorführte und das Zauber-Kartenspiel (inklusive How to-DVD) auch verkaufte. Ich gebe zu, es hat in mir gezuckt. Stattdessen als erstes Souvenir der Reise: ein charmanter kleiner Salzlöffel aus Zinn mit einem Schnabeltier am Griff.

Brot

Das beste Brot von Sydney, heißt es, gibt es in der Sonoma Bakery. Die beliefert die teuersten Restaurants der Stadt und hat inzwischen drei Cafés eröffnet. Phantastisches Sauerteigbrot, dick belegt mit Pastrami/Krautsalat/Chili/ Limone/Radieschen/Senf oder mit Huhn/ Estragon/Minze/Walnuss. Selbstgeröstetes Müsli, serviert mit Joghurt und Rhabarber. Köstliche Mandelcroissants.
Hier ein schönes Stück über den Wahnsinn, der hinter dem Unternehmen steckt.

241 Glenmore Rd, Paddington, Mo-Sa 7-18 Uhr, So 8 bis 17 Uhr.

Workout(side)

„Mutti, warum hauen sich die Leute da?“ Am Samstagmorgen verwandelt sich beinahe jeder Park – in diesem Fall der von Rushcutters Bay – in ein Outdoor-Fitnesscenter. Boxtraining links, rechts eine Yogaklasse unterm Baum, weiter hinten Cricket-Training, und ganz vorn ein Personal Trainer, der seine beiden Kunden Gewichte stemmen und im Zickzack um Hütchen rennen lässt. Dass es zwischendurch regnet, ist als Abkühlung höchst willkommen. Nur ein Mädchen aus der Yogaklasse flucht leise: Der herabblickende Hund steht ein bisschen rutschig auf der nassen Matte.

Skippy

Ich hatte schon Leute an meinem Tisch sitzen, die blass wurden, wenn ich Kaninchenschenkel in Weißwein und Thymian servierte. Kaninchen! So niedlich! Wie kann man das nur essen? Nun finde ich, dass Niedlichkeit noch nie ein Argument für irgendwas war, nicht mal für Gnade. Und schon gar nicht dafür, etwas so Köstliches nicht zu essen. (Ich muss vermutlich nicht betonen, dass ich keine Vegetarierin bin. Ich halte es da mit dem alten Satz: Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir Tiere essen, warum hat er sie dann aus Fleisch gemacht?)

Mein hiesiger Supermarkt führt Kängurufleisch in zwei Versionen, feines Filet – siehe oben – und etwas groberes Steak, in Kräutern und Knoblauch mariniert. Auf beiden Packungen klebt ein Etikett „Good for you, good for the environment“. Wie das? Nun, anders als Kühe oder Schafe zerstören Kängurus nicht kostbaren Mutterboden, sie brauchen weniger Futter, kommen besser mit Trockenperioden zurecht und vor allem: Sie produzieren kein Methan. Methan ist eines der gefährlichsten Treibhausgase überhaupt, 21mal so potent wie CO2 und für 15 Prozent der australischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Kängurufleisch hat nur zwei Prozent Fett, ist BSE-frei, schmeckt wie Wild und hüpft massig durch die Gegend – Kängurus vermehren sich wie die Karnickel. Fuck Niedlichkeit, sage ich da. Und haue mir ein Skippy-Filet in die Pfanne.

15 Sekunden Ruhm

Am 18. Januar um 15.30 Uhr werde ich eine Viertelminute lang ein Kunstwerk sein. Und Ihr könnt das auch, nämlich so.

Loo with a view

Das Glenmore Hotel ist ein Pub von 1921 im historischen Viertel The Rocks, ganz nett so weit. Richtig nett ist aber die Dachterrasse mit einem großartigen Blick über die Oper und Circular Quay. Nach 18 Uhr füllt sie sich schnell mit Leuten aus den Innenstadt-Büros, die ihr Feierabendbier trinken, also besser früh kommen. Und: Der Pub hat die Damentoilette mit dem möglicherweise besten Ausblick der Stadt.

96 Cumberland St, The Rocks, NSW 2000. Wochentags 10 bis 24 Uhr, am Wochenende 10 bis 1 Uhr.

Göttlich

Dinner & movie, die klassische Abendbeschäftigung: auch die sieht in Sydney ein klitzekleines bisschen anders aus. Zum Beispiel, wenn man ins Govinda’s geht. Unten ist der Lotos Room, wo man meditativ chanten kann, wenn einem danach ist, im ersten Stock gibt es ein Restaurant mit vegetarischem indischem Büffet, an dem man sich anschließend stärkt – und im zweiten Stock einen Kinosaal, wie man ihn sofort nach Deutschland exportieren möchte. Keine Sitzreihen, sondern knallrote Liegereihen mit bequemen Kissen. Alle müssen sich die Schuhe ausziehen, was zu dieser Jahreszeit ohnehin nur das Abstreifen von Flipflops bedeutet. Sehr, sehr entspannt, sogar „The Social Network“, der heute gezeigt wurde, war auf diese Weise ganz erträglich.

112 Darlinghurst Rd, Darlinghurst NSW 2010, 02 9380 5155. Hier gibt es das aktuelle Programm, buchen kann (und sollte) man auch gleich online.

Bis(s) zur Happy Hour

Jeden Abend in der Dämmerung ziehen Vogelschwärme über meinen Balkon. Dachte ich zumindest anfangs. Bis ich eines Tages ein bisschen genauer hinguckte und entdeckte: Verdammt, es sind gar keine Vögel. Es sind… was zum Teufel sind das für Viecher?

Hier ist die Antwort: Flughunde. Fledertiere. Tagsüber hängen sie in den Bäumen des Botanischen Gartens und stören nicht weiter – es sei denn, bei großer Hitze. Dann versuchen sie, ihre Flughäute mit ihrem eigenen Urin zu kühlen, und stinken in der Folge ganz gewaltig zum Himmel. Abends gehen sie auf Nahrungssuche und fliegen in die Vororte von Sydney.

Mich entzückt immer wieder, dass man hier mitten in der Großstadt wie in einem Freiluftgehege lebt. Was man sonst nur aus dem Zoo kennt, läuft hier über die Straße oder fliegt einem auf den Balkon wie neulich der Lori. Gestern auf dem Heimweg aus der Innenstadt liefen zwei Ibisse eine Weile neben mir her. Bestimmt gewöhne ich mich an den Anblick so schnell wie an den von Tauben und Spatzen zuhause, aber vorerst habe ich das überhaupt nicht vor.