Touristenprogramm

Muss ja auch mal sein: die Sehenswürdigkeiten. Zu Ihrer Linken, meine Damen und Herren, das Gateway of India. Das Tor zur Stadt und zum Kontinent, 1924 gebaut, zum Andenken an den Besuch von König Georg V. Sozusagen als britischer Triumphbogen. Just durch diesen Bogen allerdings zogen die letzten britischen Truppen 1948 ab, nachdem Indien seine Unabhängigkeit erlangt hatte. Heute: Flaniermeile.

Ein Steinwurf davon entfernt: ein weiteres Nationaldenkmal. „Sind Madam Gast des Hauses?“ Aber selbstverständlich bin ich das – zumindest immer dann, wenn es mir Zugang zu Heiligtürmern wie dem Garten des Taj Mahal Palace Hotel beschert, „for residents only“.

Leider fliegt der Schwindel schnell auf, als mich nämlich der Kellner bei der Bestellung nach der Zimmernummer fragt. So skrupellos bin ich dann doch nicht… Aber zumindest kurz habe ich hier im Laubengang gesessen.

Das Taj ist nicht irgendein 5-Sterne-Schuppen, sondern Symbol indischer Geschichte. 1903 ließ es der Parse (wir erinnern uns: Towers of Silence) und Gründer des Tata-Imperiums, Jamshetji Tata, bauen, nachdem ihm der Eintritt in das britisch geführte Watson’s Hotel verweigert worden war: „dogs and Indians not allowed“. Sein Plan war, das größte, schönste, luxuriöseste Hotel Indiens zu bauen. Das Watson’s ist längst geschlossen, zur Taj-Gruppe gehören dagegen heute 76 Hotels, sieben Paläste, sechs Privatinseln, zwölf Spa-Resorts… gewonnen, oder? 1947 handelte Mahatma Ghandi hier mit dem späteren Ministerpräsidenten Nehru die Unabhängigkeit von den Briten aus, eine Vitrine ziert Fotos von einer sehr jungen Queen Elizabeth, einer sehr alten Tina Turner und Dutzenden anderen Gästen aus dem Westen. Das Gästebuch allerdings: trotzig auf der Seite mit Ravi Shankars Unterschrift aufgeschlagen. Der brachte im Hotel George Harrison das Sitar-Spielen bei.

Damit ist die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende. Im November 2008 wurde das Taj Ziel von pakistanischen Terroristen, die bei ihrem Amoklauf durch Mumbai mindestens 179 Menschen töteten, andere Quellen sprechen von über 200. Allein im Taj wurden 31 Gäste und Bedienstete umgebracht, der Dachstuhl brannte, in den Gängen wurden Tränengasgranaten geworfen, Hotelgäste seilten sich mit Bettlaken ab. Die Polizei brauchte drei Tage, um das Hotel zu stürmen. „Indiens 11. September”, schrieben die Zeitungen.

Im letzten Jahr wurde das Hotel wieder eröffnet, symbolträchtig am 15. August, Indiens Unabhängigkeitstag. Im Herbst stieg Barack Obama hier ab und hinterließ ebenfalls eine Nachricht im Gästebuch (sehr hübsche Handschrift übrigens). Heute war das Hotel nach neuerlichen Terrorwarnungen im Dezember wieder von Polizeisperren abgeriegelt, wer rein wollte, musste durch Metalldetektorschleusen gehen. Es bleibt ein Ort der ewigen Unruhe. Aber Unruhe de luxe.

7 Antworten to “Touristenprogramm”

  1. Aimée Says:

    Wie und vor allem warum geht man durch einen Bogen, wenn auf der anderen Seite Wasser ist – direkt aufs Schiff? Photos und Text hinterlassen mich verwirrt….

  2. Emmily Says:

    Slumbrand in Mumbai.
    Die junge Hauptdarstellerin des bei. Filmes ist nun obdachlos

  3. Nictom Says:

    Ja, dort ist das schon nett zum Flanieren.
    Hinter dem Triumphbogen ist die Anlegestelle des Bötchens, was einen auf Elephanta-Island schippert.
    Ansonsten schräg gegenüber steht das berühmte verflixt alte Hotel Taj Mahal, wo 2008 ein Attentat verübt wurde, in seiner vollen Pracht.
    Wirklich nett die Gegend. Aber auch eher die Ausnahme in diesem Land *seufts*

    LG
    Nictom
    die trotzdem nicht tauschen möchte

  4. meike Says:

    @Aimée: ganz einfach, die Truppen zogen an Bord der RMS „Empress of Australia“, die am Kai hinter dem Tor festgemacht hatte.

  5. Ben's Mum Says:

    Das aktuelle Wetter macht das “Lustwandeln” im Laubengang sicherlich zu einem Erlebnis und schlägt einen Besuch während der Regenzeit um Längen. Sich die Verhältnisse während der nassen Jahreszeit nur mal vorzustellen, ermöglicht noch ganz andere Schlüsse über das Leben in dieser Stadt.
    Weiterhin viel Spass und die nötige “Frechheit”, sich manchen Eindruck durch eine kleine Lüge zu erschleichen…

  6. nelly fleckhaus Says:

    Liebe Meike,

    an deiner Stelle hätte ich gesagt: Ich bezahle grundsätzlich immer sofort inklusive Trinkgeld.
    Nelly Fleckhaus

  7. Sibylle Says:

    Die Handschrift ist wirklich sehr schön wenn man bedenkt, dass Obama Linkshänder ist!