Bauhausen
Die Weiße Stadt also. Den Namen verdankt Tel Aviv seinen geschätzt 3000 Bauhaus-Gebäuden aus den 30er bis 40er Jahren, aus einer Zeit, als sich die Bevölkerung binnen kurzem verdreifachte. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Bauhaus-Häuser, 2003 hat die UNESCO das Ensemble zum Weltkulturerbe erklärt. Wenn man sich allerdings auf die Suche nach ihnen macht, findet man sich eher in einer Graubraungelblichen Stadt wieder. Die Feuchtigkeit, die Seeluft, die Hitze haben die meisten Fassaden ruiniert, den Rest besorgten unbekümmertes Umbauen, zugemauerte Balkons. Erst seit den Neunzigern besinnt sich Tel Aviv wieder auf seine Architekturgeschichte, doch bislang wurden nur einige hundert Bauten renoviert. Fördergelder bekommen die Besitzer nicht dafür, am Rothschild Boulevard allerdings, wo sich ein Haus an das andere reiht, gibt es die Auflage, dass für jeden Neubau eines verspiegelten Banken- oder Versicherungspalastes ein Bauhaus-Gebäude restauriert werden muss. Aber der Normalfall sieht so aus:
Die derzeitige Wiederentdeckung des Bauhaus-Erbes ist natürlich vor allem spekulationsgetrieben. Renovierte Wohnungen lassen sich für Millionenbeträge an ausländische Investoren, gern russische Oligarchen, verkaufen. Einerseits ist es zum Zähneknirschen, wenn man sieht, was aus der ehemals egalitären Idee des guten Designs für alle geworden ist. Andererseits werden auf diese Weise zumindest ein paar Häuser überleben, die ansonsten keine Chance gehabt hätten.
Aus der Abteilung Ausgleichende Gerechtigkeit: Die frisch getünchten und teuer verkauften Häuser werden regelmäßig von den hier herumfliegenden Fledermäusen mit Kot bombardiert. Leider stehen die Tierchen unter Naturschutz… Karma.
Unabhängig davon ist die Avenue Rothschild eine der schönsten Straßen von Tel Aviv, mit einer prächtigen Fußgänger-Allee in der Mitte. Mein Lieblingshaus hier ist gar kein Bauhaus-Gebäude, sondern eine der mindestens ebenso typischen Promenadenmischungen in dieser Stadt. Von einem russischen Architekten namens Berlin für eine jemenitische Familie gebaut, beherbergte es lange im ersten Stock eine Armenküche für orthodoxe Juden, im Erdgeschoss ein chinesisches Restaurant für die Reichen, heute eine Szenebar. Only in Tel Aviv.
Oktober 22nd, 2011 at 16:20
Wahrscheinlich gefällt Ihnen das letzte Haus so gut, weil es ja auch ohne weiteres an der Außenalster stehen könnte.
Oktober 22nd, 2011 at 18:46
Bauklötze, äh, -häuser staunen.
Oktober 22nd, 2011 at 20:10
Bauhausarchitektur als Spekulationsobjekte für russische Oligarchen…au wei. Wenn das die Väter (und Mütter) der Idee wüssten – sie würden wohl in ihren Gräbern rotieren.
Ich hab mal in einer kleinen Bauhaus-Wohnung gewohnt, ein wunderbares, geniales Dings. Träume noch heute davon, wie einfach, gut durchdacht, praktisch, lichdurchflutet, klar und großzügig die Wohnung trotz ihrer geringen Quadratmeterzahl war.
Oktober 22nd, 2011 at 20:13
Die Avenue Rothschild hätte ich kaum wiedererkannt. Als ich noch regelmäßig in TA war, standen dort fast so viele Telefonzellen wie Bäume. In der Zeit der Mobiltelefone sind die wohl überflüssig geworden. Ein klein wenig schade, denn beim Warten auf ein freies Telefon kam man wunderbar mit den anderen Wartenden ins Gespräch.
Oktober 23rd, 2011 at 20:07
Küss die Hand für die Überschrift.
Oktober 24th, 2011 at 10:35
….und bitte noch Neve Zedek bebildern! Ist so herrlich verwinkelt, urig, ruhig und laut in den Cafe´s. Mit Liebe hergerichtete Häuschen. Habe immer noch einen kleinen Kontrastschaden am Auge wegen der leuchtenden Bougainvilleen, die überall, auch an den Autobahnen, Ayalon´s und Schnellstraßen wachsen.
Der Petersfisch in En Gev am See Genezareth (nicht beim Kibbutz abbiegen, erst ca. 1,5 km später wenn man von Süden kommt) ist saftig, total zart und lecker. Aber keine baked potatos dazu bestellen, die schmecken wässrig. Und baden macht da auch keinen Spaß (STEINE; STEINE; STEINE) und ist zudem teuer: 25 Schekel pro erwachsene Nase – diskutieren geht am besten in Russisch, hat wohl aber trotzdem kaum Aussicht auf Erfolg. Ja und wenn Sie dann den Jordan an berühmter Taufstelle besichtigen möchten: achten Sie auf die Bisamratten, die dank füttereifriger Touri´s ein ziemlich gutes Auskommen hier haben. Viel schöner – und urwüchsiger – ist es ein kleines Stück flußabwärts (hinter der Täuferstelle durch die Dattelpalmenplantage, am Zaun entlang bis zum Kanuverleih – einfach reingehen – kost nix).
Oktober 24th, 2011 at 10:37
…hatte dort das Gefühl vom “Leben in der Kommune”…
Oktober 24th, 2011 at 11:25
Liebe Meike, wir sind (back in Germany, nach vielen Jahren Absence) neu hier, haben gerade diesen Blog entdeckt (besser spät als nie) und gleich feuchte Augen bekommen, aus vielerlei (weiterreisten) Gründen. “Zwischen Hamburg und Haiti” gehört auch zu unserer Kindheit aber sag’ mal, was ist denn aus der alten Erkennungsmelodie geworden, hast Du eine Ahnung wer oder was das war? Echte Fernwehmucke…
Zeit die Koffer wieder zu packen….Ansonsten Kompliment und Danke für Deine Talente, die Du mit uns teilst.
Oktober 24th, 2011 at 12:03
Fifth Dimension – Up Up And Away
Oktober 24th, 2011 at 13:24
Meike, Du machst uns Insrael sehr sehr schmackhaft. Wir haben immer noch keine Idee wo es nach Palermo hingehen soll, aber in 2 Wochen müssen wir uns entschieden haben.
Ich mag diese Fotos in diesem besonders dolle! Weiter so!!!!
Oktober 24th, 2011 at 19:47
Bauhausen. Sabber. Angefixt.
Oktober 25th, 2011 at 18:52
Wow, was für eine Bauhaus-Geschichte. War total spannend zu lesen. Romy