Tel Aviv/München
Kleine Beobachtung am Rand, ein Eindruck nach dem Navigieren durch mittlerweile zehn Städte: Ich kenne das Gehen durch die Stadt normalerweise als eine Art Choreographie des Sich-aus-dem-Weg-Gehens. Man achtet aufeinander, berechnet die Laufwege von Entgegenkommenden, vermeidet Kollisionen. Hier nicht. Die Leute gehen, wohin sie gehen, stehen, wo sie stehen, und rücken auch dann nicht zur Seite, wenn man genau vor ihnen steht. Zuerst habe ich das mit meiner Hausfrauenpsychologie für eine banal-alltägliche Variante einer nationalen „Ihr kriegt uns hier nicht weg“-Mentalität gehalten – also komplett nachvollziehbar –, aber dann fiel mir ein: München. Genau dieselbe „Mir san mir“-Attitüde. Immer zweimal mehr wie du.
Oktober 20th, 2011 at 09:41
Geh-Choreographie hat eben eine eigene Tanzschrift – die können nicht alle. Ist Samstags in Berlin am Tauentzien genauso ♫
Oktober 20th, 2011 at 09:47
Liebe Meike, grins! Grüße aus München
Oktober 20th, 2011 at 09:54
Das erinnert mich an ein Kapitel in der “Gebrauchsanweisung für New York”, mit dem Thema Shall we Dance? Und hier in München haben die Autofahrer leider die selbe Einstellung wie die Fußgänger, sehr anstrengend auf Dauer!
Oktober 20th, 2011 at 10:03
Ps dazu passt dieser, besonders beim nachwuchs beliebte satz (siehe fb)
“ich komme aus Bayern und bin damit automatisch cooler als du!”
Oktober 20th, 2011 at 10:14
… jetzt kann ich es ja gestehen … mir ist es schon oft in anderen Städten passiert, dass ich mit dem Gehen gerade am Anfang echt Probleme habe, ich weiß oft nicht, wie die Choreographie gedacht ist und irrlichter deshalb ziemlich in der Gegend rum, bis ich mich eingegroovt habe. Nun würde mich natürlich interessieren, liebe Meike, wie Sie die beschriebene “Mir san mir” Attitüde empfinden – gar heimelig?
Oktober 20th, 2011 at 10:17
@Drachenfee: Ich bin Norddeutsche und deshalb gewohnt, allem aus dem Weg zu gehen…
Oktober 20th, 2011 at 11:31
Tel Aviv kenne ich nicht, München aber sehr wohl, und weil ich Ihnen ganz grundsätzlich glaube, stimme ich der These einfach mal zu: Es ist eine deutsche und anscheinend auch israelische Angewohnheit, den eigenen Weg als den einzig richtigen anzusehen, weswegen dieser ohne Rücksicht auf Verluste fortgeführt werden darf. Deutlich wird das, wenn man sich das Fußgängerverhalten in anderen Stätden anschaut, ich hörte unlängst aus Paris, dass die Leute dort schnell, womöglich deutlich schneller als hierzulande unterwegs seien, auf Grund einer instinktiven, unabgesprochenen Choreografie aber Zusammenstöße weitgehend vermeiden würden. Vergleichbares kann ich aus New York und Krakau berichten.
In einem Punkt muss ich Ihnen aber widersprechen: In Hamburg ist es genauso schlimm wie in München. wenn nicht sogar schlimmer.
Oktober 20th, 2011 at 11:39
Zahnwart! Hörnsema! In Hamburg berührt man einander nicht mal am Samstag auf dem Weihnachtsmarkt!
Oktober 20th, 2011 at 11:43
@ Meike: War ja auch mehr so ne rethorische Frage – von Norddeutsche zu Norddeutsche
Oktober 20th, 2011 at 11:51
@Meike: Anscheinend bewege ich mich zu viel unter Quiddjes. Die berühren sich, äh, durchaus.
Oktober 20th, 2011 at 11:59
Pinneberger. Mehr sach ich dazu nich.
Oktober 20th, 2011 at 11:59
Beim Laufen geht das in Tel Aviv ganz einfach, wenn man genauso uninteressiert nicht von seinem Weg abweicht.
Nur mit dem Stehenbleiben, da hatte ich Probleme und bin mehrfach hinten aufgelaufen…
Oktober 20th, 2011 at 12:22
Also ich bin ja auch ne Hamburger Deern , seit 20 Jahren dahoam in München und egal wo man ausweichen muss, ob HH oder M, weggucken tun se alle, so gaaanz leicht genervt, lächeln is nich.
Und in Tel Aviv?
Oktober 20th, 2011 at 12:26
Gibt es in Israel eigentlich noch das Kibbuz-System der 70er Jahre, in die Jugendiche für ein Jahr oder so aus der westlichen Welt strömen?
Oktober 20th, 2011 at 12:31
Oh, wow! Und ich dachte, nur mir geht das in München so! Ich bin jetzt regelrecht beruhigt. Ich bin hier schon zweimal richtiggehend über den Haufen gerannt worden . Ich ärgere mich gerade schon wieder, wenn ich daran denke (Dieses ärgern über Situationen in der Vergangenheit, auf die man rückblickend nicht schlagfertig genug reagiert hat, ist auch schon wieder ärgerlich
Der Münchener Kampf um den Gehsteig ist wirklich grauenhaft. Vielelicht sollte ich umziehen? Aber wohl dann nicht nach Tel Aviv. Aber vielleicht hält man die Trottoir-Choreo dort besser auszuhalten, wenn man sich ab und zu in Salzlake betten kann. LG!
Oktober 20th, 2011 at 13:11
Liebe Meike. Tel Aviv/München/Kopenhagen. Als würdest Du Kopenhagen beschrieben haben. Genauso. Ist Dir das nicht aufgefallen? Treffen sich 2 mit Kinderwagen. Kein Durchkommen.
Das wird gerne als Toleranz der Dänen verstanden. Keiner regt sich auf. Hmm. Ich leider schon.
Gruss von Homer
Oktober 20th, 2011 at 14:15
@Toni
“Glückliche Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis und reiche Erinnerungen”.
(Thomas Brussig)
Oktober 20th, 2011 at 14:26
@Marie: Ja, es gibt immer noch Kibbuzim, und man kann auch immer noch anheuern. Allerdings werden kaum noch Erntehelfer in der Landwirtschaft gesucht, dafür ist die Erntetechnik hier inzwischen zu gut. Dafür gibt es immer mehr Kibbuzim als Ferieneinrichtungen, Hotels etc., die Helfer suchen. Ansonsten nimmt die Bedeutung der Kibbuzim ab, viele haben sich vom Gemeinschaftseigentumsgedanken verabschiedet und versuchen, mit Überalterung & freier Marktwirtschaft klar zu kommen.
Oktober 20th, 2011 at 14:53
In den USA (ich lebe dort) gibt es ja an vielen Kreuzungen 4 Stoppschilder und derjenige darf als erster fahren, der als erster an der Kreuzung angehalten hat. Hier funktioniert das ganz gut, aber ich glaube, in Dtl. würde das nie funktionieren, da würde jeder Autofahrer denken, er hätte als erster die Vorfahrt.
Oktober 20th, 2011 at 15:16
Haha, Kerstin, das ist sehr sehr wahr.
Dort schauen und lächeln sich die Leute auch an, wenn sie sich im Wege sind und sagen “excuse me”.
Mich würde auch mal interessieren wie freundlich die Israelischen Einwohner miteinander umgehen…???
Grüße an alle, die heute sensibilisiert ohne Ellenbogen durch die Stadt marschiert sind.
Kerstin
Oktober 20th, 2011 at 15:34
Und wenn man dann nach dieser freundlichen Grundstimmung, die man in den USA erlebt, wieder auf dem Weg zurück nach Deutschland ist, fängt das Gedrängel wieder an am Flughafen, da reicht’s mir dann schon immer.
In der Süddeutsche ist heute ein Artikel über einen jungen Mann, der die Sklavenarbeit im amerikanischen Mariott in Providence öffentlich gemacht hat, leider gibt’s auch das.
Wie jeder Mensch hat auch jedes Land seine zwei Seiten.
Oktober 20th, 2011 at 16:18
Jap, wobei wir dann wieder beim Thema wär’n…..
Oktober 20th, 2011 at 16:56
zur headline/ueberschrift: *TEL AVIV-MUENCHEN* noch diese info:
SEIT MAERZ 2009 UNTERHAELT DER *FREISTAAT BAYERN* EINE EIGENE (!) DIPLOMATISCHE VERTRETUNG IN ISRAEL.. IN *TEL AVIV* .. IN DER KAUFMANN STREET NUMMER 4 .. (als vermutlich einziges bundesland)
*BOTSCHAFTER* (!) *BAYERNS* – ist der ehemalige f-j.strauss-berater (er war sein pressesprecher) und ehem. redakteur beim muenchner merkur und beim bayerischen fernsehen, herr godel rosenberg…
Oktober 20th, 2011 at 23:27
Ist hier ein Kerstin-Treff heute?
Hier in Santa Cruz (Bolivien) darf der zuerst fahren, der zuerst gehupt hat. Das gilt leider auch für Autofahrer vs Fußgänger. Da letztere nicht hupen können, haben sie auch nicht auf der Straße zu sein. Für dich bremst niemand, und wenn du zu langsam bist, hast du Pech gehabt.. Manchmal hupen sie nicht nur, sondern beschleunigen auch noch.
Ansonsten ist es nett hier.
Oktober 21st, 2011 at 06:18
@Stefanie – das Buch lese ich gerade und dann ist mir dies hier begegnet:
http://www.youtube.com/watch?v=pxkM3YTWu9s
typisch amerikanisch hab ich gedacht.. Irgendwie hat doch jede Kultur/Region so ihre netten Klischees und Eigenheiten. Die “hessischen” Tassen haben mich jedenfalls zum Lachen gebracht..
Oktober 21st, 2011 at 06:51
„WER KO DER KO“ ..
DIE GENIESSERISCHE ROBUSTHEIT DES BAYRISCHEN STAMMES aeussert sich heute vorwiegend im strassenverkehr… / oder eben in der gewoehnungsbeduerftigen „trottoir-choreographie“ des gehens in muenchen..
uebrigens: .. zum blog-spot tel aviv / muenchen:
DER BIERMARKT IN ISRAEL HAT NOCH VIEL POTENZIAL ! …. DIE ISRAELIS KONSUMIEREN ZUR ZEIT PRO KOPF GERADE EINMAL 13 LITER IM JAHR. zum vergleich: ….der bierverbrauch bayerns, rangiert mit z.zt. 155 litern pro kopf und jahr um 72 prozent über (!) dem deutschen bundesdurchschnitt.. wobei die millionen touristen freilich mittrinken.
„bayern, der freistaat des biers, der beichte und des barock, heimat der weisswuerste und schauplatz der spiele in bayreuth und oberammergau, dieses land von richard- und von franz-josef strauss, mit drei (3) universitaeten, sieben (7) bischofsstuehlen ! und den meisten kroepfen.. ist zu widerspruechlich.. sich selbst zu verstehen.. geschweige denn.. von anderen verstanden zu werden….. es wird ueberall im bayrischen alpenland heftig gejuchzt und gejodelt; WENN AUCH NICHT VON DEN EINHEIMISCHEN…..“
Oktober 21st, 2011 at 07:07
Richtig!
Der Bayer lacht nur wenn er muss!
Der Bayer geht zum Lachen in den Keller!
Sonst noch Fragen?
Oktober 21st, 2011 at 08:30
> Zahnwart! Hörnsema! In Hamburg berührt man einander nicht mal am Samstag auf dem Weihnachtsmarkt!
Hier musste ich gut grinsen. In unserer Kleinstadt muss man den richtigen Moment für den Weihnachtsmarkt abpassen. Sonst ist da kein Durchkommen.
Oktober 21st, 2011 at 13:06
Ach kommt’s so schlimm san mer doch gar net, Millionen Menschen haben gerade wieder so viel Spass gehabt bei uns, ja Clausi, auch MIT uns. Und auch wenn wir manchmal etwas stänkert daherkimme, immer noch besser als im hohen Norden, wo koaner die Zähne auseinand’ bringt, so unterkühlt san die. Da hab’ ich nämlich studiert und bis ich mal (obwohl blond und langbeinig) lustige, warmherzige Kontakte geknüpft hatte, also echt, gel, des hat scho ewig gedauert! Die Hanseaten bleiben ja sehr gern “so unter sich”…..
aber schee is scho, da droben…..
Oktober 21st, 2011 at 15:28
Komisch, ich habe nur Schwierigkeiten hier in München an Leuten vorbeizukommen, die Ohrstöpsel mit Musik in den Ohren haben. Dadurch spüren die die Choreographie der anderen um sie herum nicht und sind entsprechend unflexibel bei Gegen- und Nebenverkehr. Da hatte ich schon häufiger Fast-Zusammenstöße.
Oktober 24th, 2011 at 09:50
Ich schweif mal am Thema vorbei:
Am Donnerstag in Jerusalem: Das Sukkotfest ist so gut wie beendet – fehlt noch das Thora-Fest. Jerusalem ist am Vormittag bis gegen 11Uhr geradezu leergefegt! Sogar im Souk “Tote Hose” weil keine Touri´s da sind. Im Jüdischen Viertel kleine Grüppchen festlich bekleideter Menschen, die eilig in einer der vielen Synagogen verschwinden. Beim Gang durch die Gassen dringen aus jeder Ecke alte mehrstimmige Gesänge ans Ohr – man fühlt sich zurückversetzt in die über 3000 Jahre alte Geschichte, sieht vor dem geistigen Auge eine große Schar durch die Wüste ziehen mitsamt Schafen, Ziegen und einer Horde Kindern. Eine solche rennt uns auf dem Weg zur Klagemauer fast um – mit wehenden Schläfenlöckchen und einer Hand an der Kippa. An der Klagemauer stehen mehrere Tische mit reich verzierten Thora-Rollen, um die 3-4 sich rhythmisch nach vorn und hinten wiegende Männer stehen. Andere haben sich weiße Gebetstücher (wie war doch gleich der Name>grübel<) über den Kopf gezogen neben wieder anderen mit Stremel (pelzbesetzter Hut der Streng-Orthodoxen Juden) auf dem Kopf. Wie schon im August (Ramadan) dürfen wir auf dem Tempelberg weder in die Moschee noch in den Felsendom ("Sie kommen hier weder jetzt, noch in den nächsten 200 Jahren hier rein!" sagte der Sicherheitsbeamte vor dem Dom damals). Gegen Nachmittag wird Jerusalem wieder reisegruppengeplagt.
Oktober 24th, 2011 at 11:50
@Pummi, danke, diesen Kommentar zu lesen macht Freude! Ja, genauso schaut’s aus.
Tradition und Geschichte par excellence.
Meintest Du den *grübel grübel* Tallit?
Oktober 25th, 2011 at 08:12
Hm, der Tallit ist doch aber das “Hemd”, das die Orthodoxen unter/über ihrem Hemd tragen. An den 4 Zipfeln sind die “Zitzit” befestigt und schauen immer heraus, also die mehrfach verknoteten Bindfäden, die an die Einhaltung der Gebote erinnern sollen – unsereiner würde sich einen Knoten ins Taschentuch machen…
Und ich muß mal noch schnell korrigieren: Der Sicherheitsbeamte sagte nicht “die nächsten 200″, sondern 2000 Jahre (!) dürften wir nicht rein…. – schnell den wieder aufkommenden Ärger runterschlucken – Kaffee her, aber schnell!
Oktober 25th, 2011 at 14:55
@pummi: Der Tallit ist tatsächlich das Gebetstuch, das über allem anderen getragen wird. Es hat auch Zizijot, ebenso wie das Leibchen, das unter dem Hemd getragen wird.
Oktober 29th, 2011 at 16:13
NACHTRAG zum blogspot von fr.winnemuth vom 20.oktober *TEL AVIV / MUENCHEN*:
„in deutschen grossstaedten kommen verkehrsteilnehmer nach einer studie – IN MUENCHEN am schnellsten ans ziel, in duesseldorf brauchen sie am laengsten.
WELTWEIT LANDETE MUENCHEN MIT SEINEM MOBILITAETSKONZEPT (!!) UNTER 78 GROSSSTAEDTEN DER WELT – AUF PLATZ NEUN.
das ergab eine weltweite studie der *unternehmensberatung arthur d. little*, ueber die die “wirtschaftswoche” berichtet…. in der internationalen listung landete hongkong auf dem ersten platz, gefolgt von amsterdam und london….
in der „separaten deutschlandliste“ mit den 15 groessten staedten (in deutschland) folgen auf den bayrischen spitzenreiter die staedte hamburg (2), berlin (3), stuttgart (4) und leipzig (5). SCHLUSSLICHTER SIND DEMNACH KOELN (14) UND DUESSELDORF (15).
fuer die studie bewerteten die experten u.a. die verkehrsstrategien der staedte und u.a. das tempo des nahverkehrs ….“
(von einer „choreographie“ war im bericht nicht die rede.. auch von einer „art choreographie des sich-aus-dem-weg-gehens“ nicht .. auch die von frau winnemuth in muenchen beobachtete s.g. „mir san mir“-attituede… wurde von arthur d. little nicht in seine studie mit-einbezogen..)
quelle: mik/dpa + „spiegel-online“ von samstag, den 29.oktober 2011 und „wirtschaftswoche“
Oktober 31st, 2011 at 19:54
@bernd & meike
Also, das “Leibchen” heißt Tallit katan, katan bedeutet “klein” (“gadol” ist groß). Zu dem Tuch sagt man nur Tallit. In Shops heißt es auch “Vest Tallit”…(engl.)