Religionen, die ich noch nicht kannte 1

Jainismus. Nie gehört, aber das will bei Religionen ja nichts sagen. Es ist auch eine vergleichsweise kleine, gerade mal 4,5 Millionen Anhänger hat sie, fast alle in Indien. Jainisten sind sowas wie die Calvinisten von Indien, sie glauben, Erlösung müsse man sich selbst verschaffen, sonst tut’s keiner. Sie führen ein ungemein asketisches Leben, geprägt von drei Gesetzen: Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen, Unabhängigkeit von unnötigem Besitz und Wahrhaftigkeit. Weder Tiere noch Pflanzen dürfen für sie sterben, deshalb kommen die meisten Berufe für sie nicht in Frage, nicht mal die Landwirtschaft (beim Pflügen könnten Würmer sterben). Sie sind strikte Vegetarier und essen kein Wurzelgemüse, auch keine Zwiebeln und keinen Knoblauch, weil deren Ernte den Tod der Pflanze bedeutet.

All das wusste ich vorher auch nicht, nur, dass es einen schönen Tempel in Malabar Hill geben soll, dem reichsten Stadtteil von Mumbai, ein paar Kilometer von meinem Hotel entfernt. Der kauert auch tatsächlich im Schatten von bewachten Apartmenthäusern, ein kleines Schatzkästchen von einem Tempel, alles andere als asketisch: eine Minaudiere in gut gelaunten Juwelentönen. Der Hauptraum ist gerade mal 60 Quadratmeter groß, mit schönem Kuppeldach. In den offenen Seitenflügeln kann man sich mit Wasser aus Messingeimern und –schalen die Füße waschen. Fotografieren? Aber gern, nur soll man bitte den Götterbildern dabei nicht den Rücken zukehren. Geht klar, ist nur fair.

Endlich: der erste ruhige Ort in Mumbai.

11 Antworten to “Religionen, die ich noch nicht kannte 1”

  1. petra Says:

    welch eine Wohltat…………

  2. Marie Says:

    Ich halte seit ein paar Jahren bei “lauten” Reiseorten mal ein digitales Diktiergerät in die Höhe, um die Geräusche und das Geplapper einzufangen.

  3. emmiliy Says:

    das echte indische landleben in unberührter natur, abgelegene dörfer mit sehr gastfreundlichen bewohnern und campen in der wildnis
    in der provinz rajasthan
    ute singh und ihre reitsafaris http://www.princesstrails.com
    das fand ich in einer reisezeitschrift 08

  4. kaltmamsell Says:

    Aha, kommentierte der Mitbewohner mein Vorlesen, dann haben Sie also nie am Lagerfeuer “Universal Soldier” auf der Gitarre gezupfsungen: “He’a a Catholic, a Hindu, an Atheist, a Jain…”

  5. uwe Says:

    Du, Du, Du! Calvinisten glauben gerade nicht, Erlösung müsse man sich selbst verschaffen, im Gegenteil: Gott hat vorbestimmt, ob einem Seligkeit oder Verdammnis blüht (Prädestinationslehre).
    Diese Lehre fördert freilich den sogenannten calvinistischen Arbeitsethos – schließlich deutet ein strebsames, erfolgreiches Leben ja darauf hin, daß Gott einen auf dem Weg zur ewigen Seligkeit führt.

  6. PepeB Says:

    Diese Woche schon zwei neue Wörter gelernt, die ich nicht kannte: bei Ihnen “Minaudiere” und woanders “Skrei”, ein echtes Ereignis für Daheimgebliebene!

  7. Gisela Says:

    “Der erste ruhige Ort”, das ist schön. Wie in unserem RdS…
    In Buenos Aires fehlte wohl so etwas??
    Danke für`s Mitreisenkönnen zu interessanten Orten, Begebenheiten, Treffen, Genüssen usw… So weit bin ich bisher nicht in der Welt herumgekommen, und dann noch so preiswert und mühelos. Ich freue mich auf die weiteren Ziele!

  8. Judith Says:

    indien macht einen erschreckend “bunten” eindruck auf meine farblosen augen….oder täuscht das?

  9. meike Says:

    Zumindest Mumbai ist eher smoggrau und dreckbraun, da wird man für jede andere Farbe dankbar. Was wäre denn erschreckend am Bunten?

  10. septembersonne Says:

    Von dieser Religion hab ich vorher auch noch nie was gehört.

  11. @an_floet Says:

    Ich kann mich überhaupt nicht sattlesen an William Dalrymples “Nine Lives: In Search of the Sacred in Modern India ” – http://www.amazon.co.uk/Nine-Lives-Search-Sacred-Modern/dp/1408800616

    Dalrymple erzählt die Geschichten von neun Inderinnen und Indern, die erste Geschichte ist die der Jainistischen Nonne. Unvergesslich.

    Hier der Klappentext:

    “In this title, a Buddhist monk takes up arms to resist the Chinese invasion of Tibet – then spends the rest of his life trying to atone for the violence by hand printing the best prayer flags in India. A Jain nun tests her powers of detachment as she watches her best friend ritually starve to death. A woman leaves her middle-class family in Calcutta, and her job in a jute factory, only to find unexpected love and fulfilment living as a Tantric skull feeder in a remote cremation ground. A prison warden from Kerala becomes, for two months of the year, a temple dancer and is worshipped as a deity; then, at the end of February each year, he returns to prison. An illiterate goet herd from Rajasthan keeps alive an ancient 4,000-line sacred epic that he, virtually alone, still knows by heart. A devadasi – or temple prostitute – initially resists her own initiation into sex work, yet pushes both her daughters into a trade she now regards as a sacred calling. Nine people, nine lives. Each one taking a different religious path, each one an unforgettable story. Exquisite and mesmerising, and told with an almost biblical simplicity, William Dalrymple’s first travel book in over a decade explores how traditional forms of religious life in South Asia have been transformed in the region’s rapid change. A distillation of twenty-five years of exploring India and writing about its religious traditions, “Nine Lives” is a modern Indian Canterbury Tales.”