Sturm & Drang
Selbst bedeckte Tage sind in dieser Stadt ein Erlebnis, besonders dann, wenn der Sturm die Wellen an den Malecon treibt und die Straße überschwemmt. Ich hatte regelrechte Heimatgefühle. Wind! Wellen! Gischt im Gesicht! Algen und Sand im Gulli! Es war eine Pracht. Wer sich fragt, warum viele Häuser hier so aussehen, wie sie aussehen: Dieser Tag hat die Antwort geliefert.
Annette und ich haben beim Fotografieren von Oldtimern eine gewisse Nonchalance entwickelt. „Vor diesem roten Haus hätte ich gern einen in Komplementärfarbe. Lass uns noch zwei Minuten warten.“
Vorher waren wir im Museo de la Revolución, einer wunderbar erschöpfenden und erwartbar tendenziösen Sammlung von heroischen Revolutionsparaphernalia, inklusive Wachsfiguren von Che und Cienfuegos.
Im Büro des Präsidenten, wo vor Fidel auch schon Batista gesessen hat: meine Lieblingsrequisite. Wenn ich mal groß bin, dann…
Wie immer zum Gruseln: die Folterinstrumente, hier ein Gerät zum Ausreißen von Fingernägeln. Ich versuche mir immer vorzustellen: Ein Schmied oder ein Mechaniker konstruiert so ein Ding. Plant es, gießt es, feilt am Mechanismus, bis es tadellos funktioniert… wie gesagt, zum Gruseln.
Eher zum Lachen (aber auch zum Gruseln, ich finde alte Puppen ja prinzipiell furchteinflößend): eine Puppe, mit deren Hilfe Nachrichten an Che Guevara geschmuggelt wurden. Die Vorstellung, dass der Commandante dem Püppi die Kleider ausgezogen hat…
Apropos Che: Auch von dem gibt es tolle Bilder im Museum, hier mein liebstes: als 22jähriger auf 4500 Kilometer langer Fahrradtour durch Nordargentinien. Wie der junge Brad Pitt. Nur noch cooler.
Und draußen vor dem Museum geht bis heute die Geschichte weiter.
Dezember 9th, 2011 at 23:49
wow!!
tolle bilder, wie immer – und inspirierende texte, natürlich auch wie “gewohnt”!
was soll nur ab januar werden – ohne diesen schönen blog!?
Dezember 10th, 2011 at 00:17
Ah, schon wieder Neues, da muss ich meiner heiteren Begeisterung direkt Ausdruck verleihen: schöne Bilder und Momentaufnahmen!
Aus den Bildern der vielen alten Karossen ließe sich ein schönes Memory zusammenstellen, ob elegant in Komplementärfarbe zum Hintergrund oder wie neulich die Lady in pink vor ebensolchem Wagen.
Der ausschauhaltende Hund mit seinem prüfenden Blick und der war-das-schon-alles-Haltung; das antike, irgendwann nur noch rudimentär güldene Fernsprechgerät… Alte Puppen finde ich auch tendenziell gruselig – dieser Blick… selbst wenn sie nicht wie diese als konspirativer Kurier genutzt wurden.
Bei solchem Folterkrams schnürts mir die Kehle zu, was Menschen Menschen anzutun bereit sind und wie (buchstäblich) furchtbar kreativ sie deswegen werden können.
Auch in den vorigen Beiträgen fielen die vielen Mauern und Wände mit Kampfrufen und Slogans schon auf. Werden die “organisiert” immer wieder nachgepinselt? Sind die Motive seit Ewigkeiten etabliert oder gibts da auch neue Varianten? Typographisch oft sehr klassisch-elegant.
Dezember 10th, 2011 at 00:22
~~ SEAMOS REALISTAS Y HAGAMOS LO IMPOSIBLE ~~
[ERNESTO *CHE* GUEVARA 1928-67 waere jetzt RENTNER und 83 jahre alt..]
@meike winnemuth: 2 ½ fragen aus „dunkeldeutschland“ :
1) wie funktioniert eigentlich das (oder sagt man der?) neue *KINDLE-4* jetzt auf cuba..?
2) planen sie [mit ihrem journalisten-ID-ausweis] in diesem monat, einen besuch im US-gefangenenlager ‚camp delta’ – im bekannten und BERUECHTIGTEN ! marinestuetzpunkt der US-NAVY auf cuba.. in der GUANTÁNAMO-BUCHT..?
Dezember 10th, 2011 at 01:40
der hund berührt mich gerade ganz besonders stark
Dezember 10th, 2011 at 02:09
Wie in der DDR, nur mit mehr Sonne. Aber nirgends Leuchtreklamen, während bei uns schon auf dem Markt Hinweistafeln aufgestellt werden, damit man den Gemüsestand links oder den Käseonkel rechts ja nicht übersieht.
Dezember 10th, 2011 at 08:43
Das Foto mit dem Hund: Einfach klasse!
Ingrid
http://www.viva-mexico-design.de
Dezember 10th, 2011 at 09:50
Mon Dieu, mein Riechsalz! *-* Was für Fotos!
Dezember 10th, 2011 at 13:49
Hallo Meike,
…apropos Gischt am Malecon…kennen Sie den wunderbaren Film von Wim Wenders?
Buena vista social club? Am besten gefällt mir da immer wie Ry Cooder am Meer entlang fährt (Gischt!)..und die herrliche Musik!
Was ist mit Musik in Cuba? Keine besonderen Vorkommnisse?
Dezember 10th, 2011 at 14:22
Das Foto vom jungen Che gefällt mir sehr.
Kennen Sie den Film seiner Reise durch Südamerika mit dem Freund plus Motorrad?
Man vesteht danach, was ihn so antrieb.
http://www.moviemaze.de/filme/1009/die-reise-des-jungen-che.html
Dezember 15th, 2011 at 20:21
faszinierend, wie anders die farben der sturmfotos sind, im vergleich mit denen vom vortag. mich rührt der hund auch an, obwohl ich (schäfer)hunde nicht so mag.
irre ich mich, oder schreibst du zz nur wenig vom essen vor ort? das war in anderen städten deutlich mehr, oder?