Jineteros

Man hatte mich bereits schonend darauf vorbereitet, aber es am eigenen Leib zu erleben, ist noch mal was anderes: Nirgendwo ist es nerviger, alleinreisende Frau zu sein und auch bleiben zu wollen, als in Havanna. Es fing schon vor der Passkontrolle an: Ein älterer Herr in der Schlange vor mir starrte mich die ganze Zeit an und sagte schließlich: „You are very beautiful. I will wait for you on the other side.“ Danke, vielen Dank, wirklich, aber: nein danke. Bei meinem ersten Spaziergang durch die Altstadt gestern an jeder Ecke „You are beautiful! I love you! Where are you from?“ Ich konnte mich auf keine Kaimauer am Maleçon (oben), keine Bank setzen, ohne angequatscht zu werden oder ohne dass sich jemand ungebeten neben mich setzt. Freundliches „no gracias, chao“ nützt nichts, es hilft nur ein überhasteter Aufbruch. Die Standardfrage, woher ich komme, beantworte ich inzwischen mit „Dinamarca“, Dänemark, weil mir so zumindest das übliche radebrechende „Wie geht’s, alles klar?“ erspart bleibt, mit dem Deutsche beglückt werden. Dänisch hat hier keiner im Programm. Richtig die Schnauze voll hatte ich, als ein Kerl mich auf der Uferpromenade minutenlang verfolgte und irgendwann von hinten meine Hand ergriff. „Hola, guapa.“ Ich: „No.“ – „Hola.“ – „¡Adios!“ – „Hola.“ – „¡Déjame!“ – „Hola, querida.“ – „¡¡¡FUCK OFF, goddammit!!!“ – Verletzt: „Hola.“
All das hat natürlich nicht das Geringste mit meiner plötzlichen überirdischen Schönheit zu tun, sondern ausschließlich mit dem Versuch, durch Beflirten Alleinreisender zu ein paar Kröten zu kommen, zu ein paar Einladungen in Bars oder mehr. Oft sind die Kerle jineteros, Koberer, die Touristen für Prozente in Restaurants oder casas particulares schleppen, oft aber auch Hobby-Gigolos, die sich auf die Bespaßung einsamer älterer Damen spezialisiert haben. Wie auch immer: supernervig, denn es zwingt mich als zu einer muffigen Abwehrhaltung, auf die ich überhaupt keine Lust habe.

Also ab in die nächste Bar, in diesem Fall El Floridita, eine von Hemingways Lieblingsbars. Die Daiquiris sind überteuert, der Laden ist voll mit blitzlichternden Touristen, die sich gegenseitig vor der Bronzestatue von Papa fotografieren, aber sonst: himmlischer Frieden. Bis sich ein Spanier neben mich setzt und fragt: „So – where are you from?“ Seufz. „Dinamarca.“


2 Antworten to “Jineteros”

  1. Detlef Says:

    Tipp 1: “No” ist schon zu viel. Einfach gar nicht reagieren.
    Tipp 2: Bewege dich so, als wärst du eine Einheimische. Ja, du siehst nicht so aus – aber es hilft trotzdem.
    Tipp 2a: Sehe geschäftig aus – so als seist du gerade auf dem Weg zur Bank, um ein paar Überweisungen zu erledigen.
    Tipp 3: Auf die Frage “Where are you from?” könnte die Antwort “De la luna” helfen. Reicht meistens für ein paar Sekunden Verdatterung.
    Tipp 4: Am hilfreichsten ist natürlich, mit einem männlichen Begleiter unterwegs zu sein.

    Und lass dir bloss deinen letzten Monat nicht von ein paar Jungs kaputtmachen.

  2. meike Says:

    Danke, Detlef: An Tag 2 habe ich schon Tipps 1 und 2 intus. Funktioniert auch, solange ich in Bewegung bin. Sowie ich allerdings irgendwo sitze… siehe oben. Heißt das nun, dass ich mich diesen Monat wie ein Hai durch die Stadt bewegen muss?