Negev

Ich bin erst mal durchgefahren. Auch ohne Aussteigen am Toten Meer (oben das Salz- und Kaliwerk) dauerte die Fahrt nach Eilat sechs Stunden, ich nehme lieber auf dem Rückweg Zeit zum Treiben. Und auch so war es schwer genug, nicht alle paar Kilometer anzuhalten und die Kamera auszupacken. Ich liebe Wüste, und die Negev ist keine Ausnahme.

Meine Vermieterin Gabrielle hatte mich noch gewarnt, „die richtige Straße“ zu nehmen. Auf der anderen, der, die näher an der ägyptischen Grenze liegt, habe es neulich nördlich von Eilat einen Zwischenfall gegeben. „Hast du ‚Babel‘ gesehen?“ Ich wusste gleich, was sie meinte: Heckenschützen hatten vom Sinai aus zunächst auf einen Bus, dann auf einen Privatwagen geschossen, acht Menschen waren dabei gestorben.

Seltsamerweise macht mir das keine Sorge. (Obwohl ich natürlich die andere Straße genommen habe.) Auch wenn ich durch die Straßen von Tel Aviv gehe, fühle ich mich nicht bedroht. Noch schaffe ich es nicht, die Nachrichtenbilder mit dem Land zu verbinden. Aber die Gefahr ist da. Natürlich. Vor ein paar Tagen war ich in einem Vorort zum Essen eingeladen. Sie ist Deutsche und lebt seit 22 Jahren hier, er ist Israeli, die Familie ursprünglich aus Bagdad. Selbstverständlich haben sie einen Bunker im Keller, „ich nutze ihn hauptsächlich als Weinkeller“, sagt er, der Sommelier, lächelnd. Und sie sagt: „Niemals würde ich mein Kind mit einem Bus fahren lassen.“ Wann immer sie einen Bus überholt, sagt sie, zieht sie unwillkürlich den Kopf ein. Warum sie bleiben? Sie schweigen erst. „Wir denken seit zwei Jahren darüber nach zu gehen. Wir haben die Schnauze voll.“ Einfach zu lange mit dem Krieg, den Anschlägen gelebt, die erste Intifada mitgemacht, die zweite. Immer wieder gehofft, dass es endlich vorbei ist. Jetzt ist der Sohn 11, in sechs Jahren müsste er zur Armee, für drei Jahre. Vorher, das schwören sie sich, gehen sie. „Aber wir haben hier unser Leben, unsere Familie, unsere Arbeit. Die Sonne, den Strand.“ Zum Abschied pflückt er mir zwei Zitronen vom Baum vor dem Haus.


9 Antworten to “Negev”

  1. Franka Says:

    s c h ö n e Bilder

    es könnte so schön sein dort zu leben

    Shalom
    Franka

  2. isabelle Says:

    tolle eindrücke und ein spannender bericht!

  3. Daniela Says:

    Gänshautfeeling beim lesen, eine ganz andere Welt die da gerade erlebst.

  4. Dorit Says:

    Was für beeindruckende Fotos aus einer noch beeindrucken-deren Welt und doch: kein Ort ohne das große “M”, haha

    Liebe Grüße, Dorit

  5. Rita Says:

    Wunderschön die Bilder 1 und 6, ja auch das ist Israel. Die 1. Intifada mit steinewerfenden Kindern habe ich erlebt und nicht ernst genommen! Trotzdem – was für ein Land!
    Angelika Schrobsdorff in ihrem Buch “Die kurze Stunde zwischen Tag u.Nacht” schreibt “Wenn die Sonne sich den Hügeln nähert u.als rotglühende Kugel aus ihrem Strahlenkranz heraustritt, beginnt eine der schönsten Stunden u.eine der einsamsten:die kurze Stunde zwischen Tag u.Nacht,zwischen schrillem Licht u.milder Dunkelheit,die lange Stunde zwischen schwindender Zuversicht und nahender Verzagtheit.Das Blau des Himmels vertieft sich,honigfarbenes Licht fließt auf die Stadt u.läßt den bleichen, wuchtigen Stein der Häuser aufleuchten – jeder Stein Gold,das häßlichste Haus plötzlich verzaubert.Und dann wird zur Gewißheit,daß nichts in dieser Stadt ein Zufall ist,nicht das Licht,daß auf sie herabfällt,nicht der Stein aus dem sie gewachsen ist,nicht die Hügel,die sie umschließen;nicht die Menschen,die ihn noch manchmal finden – in der Stunde zwischen Tag und Nacht,in dem Licht,dem Stein,den Hügeln;in der Stadt Jerusalem”.
    Auch zu empfehlen “Jerusalem war immer eine schwere Adresse” und “Wenn ich dich je vergesse oh Jerusalem”.
    Und niemals zu vergessen der Besuch in Yad Vashem.
    Danke für Ihre Berichte, ich genieße sonst gerne ohne Kommentar und bin mit Freude
    Ihre Mitreisende Rita

  6. Andra Says:

    Bemerkenswert an den bisherigen Israel-Fotos finde ich die Abwesenheit von Menschen. Scheint ein leeres Land zu sein.

  7. Hollow Skai Says:

    Leon de Winters „Das Recht auf Rückkehr” hast du bestimmt schon gelesen, oder? Wenn nicht, wird es Zeit.

  8. Nini_Meta Says:

    Wo wir hier gerade wohl bei Israel-Buchtips sind: Arthur Köstler- Diebe in der Nacht. Wunderschön, aber leider nur im Antiquariat zu finden.
    Viel Spaß weiterhin und danke für die tollen Bilder. Als wir am/im Toten Meer waren, konnte ich gar nicht mehr aufhören zu lachen. Großartig wie ein Korken im Wasser zu dümpeln!

  9. Annika Says:

    Ich hoffe, Sie besuchen auch noch Jerusalem – wäre ja schade im Land zu sein ohne diese Stadt zu sehen. In meiner Erfahrung wird das Sicherheitsgefühl in Jerusalem mehr getestet als in Tel Aviv, weil dort beide Völker auf engem Raum zusammen sind. Und die Polizei/Armee Präsenz ist stärker.