Mehr Licht!

Letzten Sommer habe ich für das SZ-Magazin eine Ode an die Espadrille geschrieben, ohne selbst welche besessen zu haben. (Ja, so sind wir käuflichen Autoren. Alles Schall und Rauch.) Deshalb fand ich, ich müsste der Sache zumindest eine Chance geben. In Barcelona geht das nur bei La Manual Alpargatera, wo angeblich sogar der König seine Schlappen kauft, mindestens aber Papst Johannes Paul II. selig. Und Jack Nicholson. Muss man nicht glauben. Vor allem nicht, wenn man den Laden gesehen hat. Sehr duster, sehr staubig, sehr schlecht gelaunte Verkäuferinnen, sehr… adios.

La Manual Alpargatera, carrer Avinyó 7

Ganz anders sieht die Sache in einem zweiten Traditionsgeschäft ganz in der Nähe aus: der Kerzenmacherei Subirà, die seit 250 Jahren existiert und seit 1847 in den jetzigen Räumen unweit der Kathedrale residiert. Eine reizende Freitreppe wie aus einer Operette, Kerzen in allen Höhen und Stärken (neben Mumpitz wie solchen in Form von Flamencotänzerinnen oder mit After Eight-Duft) und eine Verkäuferin, die jede Kerze wie eine Spargelstange behandelt, so delikat: ein echtes Vergnügen. Das dazu geführt hat, dass ich dies hier im Schein einer Subirà-Kerze schreibe. Die passenden Barockklänge darf man sich dazu denken.

Cereria Subirà, Baixada Llibreteria 7, 08002 Barcelona

Und wenn wir schon beim Thema Erleuchtung sind: Ich habe nirgends schönere Straßenlaternen gesehen als in Barcelona.

22 Antworten to “Mehr Licht!”

  1. Ulrike Says:

    Nichts geht über eine schlecht gelaunte Verkäuferin, da kann man noch so gut gelaunt sein, ab dem Moment macht das Einkaufen einfach keinen Spaß mehr. Selbst wenn man noch so kaufwillig ist, das Portemonaie ist einfach zu. Kann ich gut nachvollziehen, dass Du da wieder raus bist.

    Wenigstens hast Du danach Licht ins Dunkel gebracht ;-)

    Wünsch Dir weiterhin viel Freude in Barcelona.

    LG Ulrike

  2. Penelope Says:

    Diese Kerzen und diese Laternen sind das Licht des Südens bei Nacht *-*

  3. Anajana Says:

    In den 80ern hab ich Espadrilles geliebt. Besonders “appetitlich” waren sie, wenn sie nass wurden und die Sohle nach altem Putzlappen roch. ;-)

    Aus dem Kerzenladen wäre ich auch nicht mit leeren Händen gegangen. Das Schauen und Schnuppern hätte mir ebenfalls ein besonderes Vergnügen bereitet.

  4. Maike Says:

    …seit gut sieben Jahren lebe ich mit meiner Familie hier in Barcelona und bin von Deiner Beschreibung “unserer” Stadt mit all ihren Facetten SEHR beeindruckt…was im normalen *Alltag mit Familie, Job&Co. manchmal leider sehr untergeht, ist, dass es in dieser wunderschönen Stadt wirklich so sehr viel Faszinierendes zu entdecken und zu erleben gibt (leider zuweilen auch nicht so Schönes…nahezu Jede/r kann die eine oder andere “Klau-Überfall-Episode” erzählen, wie es in Deinem Blog ja auch anklingt!)…was uns uns hier auch so “richtig zu sein” fühlen lässt, ist dazu, dass hier eine SOO intensive und ausgeprägte “Viel-Sprach-Kultur” gelebt wird, was unseren Horizont und nicht zuletzt den unserer Kinder immer wieder neu erweitert (was uns gleichzeitig aber auch aus der Distanz immer wieder mal zeigt oder bewusst macht, was es in Deutschland, der alten Heimat eines Teiles unserer Familie, auch alles Positives gibt!)…und, was für tolle Tapas-Cava-Bars (nicht nur im Born) man *”mal wieder” aufsuchen könnte!!!
    Weiterhin “Que aproveche y chin, chin!!!” wünscht dir herzlichst
    Mai(!)ke
    …Deine nicht so tolle, bzw. bessere Erfahrung in Sachen “freundliche Verkäuferinnen” habe ich in den beiden beschriebenen Geschäften übrigens genau andersherum erlebt…

  5. Kristiane Says:

    Die Verkäuferin im Schlappenladen sieht echt unglücklich aus. Vielleicht steht sie schon Jahrzehnte zwischen den Leinenlatschen, sieht immer nur Schlappen, Schlappen, Schlappen und hat dazu den Gummigeruch der Sohlen in der Nas. Da würd’s mir auch nicht gutgehen.

  6. claus Says:

    zu ihrem blog-beitrag mit ihrer headline
    * MUCHA LUZ *
    faellt mir folgender ausspruch des mexikaners -octavio paz- ein:

    “la mucha luz es como la mucha sombra: no deja ver”

    feliz fin de semana!
    wuenscht
    claus

  7. claus Says:

    zu ihrem ‚charmanten’ (!) eingestaendnis… bezueglich ihrer *ode* an die *espadrille*
    im SZ-magazin,heft 23/2010:
    „journalisten schreiben in der regel alles, was sie wissen, aber sie wissen laengst nicht alles, was sie schreiben“. (e.koch)

  8. Schrulli Says:

    @ Claus, das ist ja wirklich ein ganz ganz toller Ausspruch….was bedeutet er?

  9. Schrulli Says:

    uuups, das kam gleichzeitig, achso!

  10. Uschi aus Aachen Says:

    Super, hier kann man ja ganz nebenbei noch Spanisch lernen – in dem man alles googelt, was man hier zu lesen kriegt und nicht versteht… Reisen bildet, Mitlesen auch! *freu*

  11. meike Says:

    @Schrulli: Grob übersetzt “Viel Licht ist wie viel Schatten: Man sieht nichts”

  12. claus Says:

    -> @Schrulli / @Uschi/AC / @meike:

    der ausspruch von octavio paz bedeutet:

    sowohl.. ‘zu-viel licht’ (la mucha luz).. wie auch ‘zu-viel schatten’ (la mucha sombra)
    VERHINDERT (!) dass man WESENTLICHES sieht.. (no deja ver…)

    ein *philosphischer* gedanke ist dahinter.. (!)

    octavio paz will damit nicht (NUR) sagen, dass man etwa “NICHTS” sieht..
    (er sagt damit nicht: ‘man sieht NICHTS’..)

    er meint vielmehr damit:
    “man sollte sich von ‘zu-viel-licht’ nicht ‘blenden’ lassen (zu viel ‘lob’ z.b. – oder von ‘uebertreibungen’ z.b.)

    .. und er meint auch:
    “es sollte nichts ‘im dunkeln’ belassen werden.. (ver-dunkeln, ver-tuschen..)

    die message von octavio paz:

    sowohl ‘zu-viel licht’ als auch ‘zu-viel schatten’ VERHINDERT, dass man *das wesentliche* erkennen kann…..

    mfg
    claus

  13. Uschi aus Aachen Says:

    Danke, Claus – Sie sind ein gründlicher Mann. :-)

  14. Kristiane Says:

    Äh…ja.

  15. SimoneW Says:

    Das ist immer der spannende Augenblick, wenn sich im kleinen Netbook erst langsam das Bild aufbaut und noch kein Text zu lesen ist: Was ist das denn? Auf Espadrilles wäre ich nie gekommen…

  16. jessi Says:

    jaja…diese wunderschönen straßenlaternen….*träum*

  17. lihabiboun Says:

    … woher kommt bitte um Himmels Willen das “n”, das immer mehr Menschen in den Espa-n-drilles verstecken ?????? (so auch in der SZ Überschrift)…

  18. Heidi Says:

    Anfang des Sommers war ich auf der Suche nach einem Summer-Commuter-Shoe (Kriterien: schnell rein raus schluepfen sollte man koennen, bequem sollte er sein – damit man auch die 50 Minuten in der UBahn mals stehen kann, bunt – damit mich wenigstens etwas unter meinem Anzug daran erinnert, dass Sommer ist, nicht zu schick – damit ich im taeglichen Kampf im Ubahnschacht nicht noch drauf aufpassen muss ob mir jemand ueber die Schuhe latscht und weil jedes Paar Schuhe ja nach ein paar Wochen Untergrunddschungel und Pflastermarathon unmoeglich aussieht natuerlich auch as bio-degradable as possible…jaja, run on sentence, ich weiss). Da erinnerte ich mich an deinen SZ-Artikel und hab mir ein paar Espadrilles geholt. Es war ein fantastischer Sommer. Und obwohl die Bohrfaehigkeit meiner Zehen nicht ausreichte, so tat ein ueberraschender Wolkenbruch vor einer Woche das Seine zum Zerstoerungsprozess bei. Und jetzt erinnert mich das nach Heuschober riechende Haeufchen vor meiner Tuer taeglich daran, dass der Sommer nun wirklich bald vorbei ist.

    Auch wenn ich natuerlich zutiefst empoert und entruestet (Leserbrief ist in der Post) bin, dass deine Ode mehr kreative Schreibuebung als knallharte Recherche war, so war es doch ein schoener Sommer. Ich danke.

  19. claus Says:

    @ lihabiboun:
    schnelle antwort: das “n” gibt es manchmal im “sonderangebot” und: auch die ” ?? ” scheinen jetzt in ihrem sektor zur zeit “heruntergesetzt” zu sein.. :-/ :-/ :-/

  20. henriette Says:

    Schade, dass es Ihnen bei La Manual Alpargatera nicht gefallen hat. Ich mochte das verstaubte, altmodische, unprätentiöse dort! Aber so ist das manchmal: Wat den een sien Uhl, is den annern sien Nachtigal (oder so ähnlich).

    Vielleicht hatte ich auch einfach nur mehr Glück mit meiner ganz reizenden Verkäuferin.

    Eine gute Zeit noch!

  21. Maya Says:

    @Heidi, mei, so schöne Gänsehautgeschichte, echt liebevoll geschildert, ein spätsommerliches Lesevergnügen….meine treuen Begleiter, seit 20 Jahren, haben auch das eine oder andere Schicksal nicht überstehen können, wir haben etwas gemeinsam! Und während unsere bayrische Dorfpolizei bei Flip Flops am Steuer gern Verwarnungen ausspricht, werden Espadrille in keinster Weise beanstandet! Ich danke auch.

    @ Dr. Claus !!!!!!!????????!!!!!!!!!! Geben Sie es zu, so ein Zufall, Sie sind mein alter Philosophielehrer aus H. der uns mit seinen Korrekturen am Heftrand viel… ähem…. Freude bereitet hat ???????!!!!!!!!!!????????????

  22. claus Says:

    @Maya aus H.:

    “..der lehrer hat die wahre.. die schuelerin die fortwaehrende zweifellosigkeit..”
    (frei nach f.kafka…)

    .. ja, ich ‚erinnere’ mich: „hausaufgaben“ waren fuer sie (@MAYA aus H.!) immer nur „hausfriedensbruch“ ..