Blond sein für Fortgeschrittene

Nach vier Monaten Englischsprechen am Stück (denn das war auch in Kopenhagen praktisch zweite Landessprache) habe ich eigentlich gedacht, dass mir der Rückfall in die gefühlte Sprachlosigkeit (denn ich spreche gerade mal Minimalst-Spanisch und null Katalan) schwer fallen würde. Stattdessen: wieder das schon bekannte Entzücken, auf dem Markt oder in einem Geschäft einzukaufen, was irgendwie interessant aussieht und dann zuhause per Google Übersetzer herauszufinden, was es ist. „Anguila ahumada con azafran precortada“: aha, Carpaccio von Räucheraal mit Safran. Hätte ich vermutlich nie gekauft, wenn ich es vorher gewusst hätte, aber es ist absolut köstlich. „Altramuces“: oh, Lupinenkerne. Und wie isst man die? Aha, so also. Die glückliche Ahnungslosigkeit und damit das tägliche Entdecken von Neuem hat mich wieder, und ich finde es ganz herrlich.

Zum Prinzip der Ahnungslosigkeit gehört auch, auf meinen Spaziergängen durch den Born auf Läden wie diesen hier zu stoßen, Vila Viniteca mit Weinen bis unter die Decke und fachmännisch dreinschauenden Verkäufern, die sich gerade ein kleines bisschen langweilen. Besser wird’s nicht, denn jetzt bringe ich meinen Zaubersatz an, No sé lo que es bueno, ich habe keine Ahnung, und dann blond zu lächeln. Es klappt praktisch immer. Man überschlägt sich, berät mich, gibt mir zu probieren, und am Ende ziehe ich glücklich mit was ziemlich Gutem von dannen. Darin steckt eine der wichtigsten Lehren dieses Jahres: Nichts ist schädlicher für erfolgreiches Reisen als bestens vorbereitetes Bescheidwissertum. Wie soll man denn überhaupt was lernen mit dieser Haltung? Abends ein bisschen schlauer sein als morgens dagegen – unbezahlbar.

Vila Viniteca, carrer Agullers 7 (in Nummer 9 gibt es den dazugehörigen Deli mit einem unglaublichen Schinkenraum)

15 Antworten to “Blond sein für Fortgeschrittene”

  1. Jule Says:

    like

  2. jule Says:

    Ahoi.
    Der kleingeschriebenen jule ;-) fällt dazu folgendes mehrsprachiges Lied von illute aus Berlin ein:

    ¡Viva la ignorancia!

    http://www.youtube.com/watch?v=A29cLNtEXBE

    Herzliche Grüße
    jule

  3. Nikkie Says:

    Ja, so muss das. Wunderbar!

  4. Paula Says:

    jaa!

    sie sind ganz entzückend!!

  5. Chris Says:

    … schön!!! LIKE ebenfalls. Sehr sogar!
    Viele Grüße von einer noch mit der Stadt ringenden dorthin Ausgewanderten

  6. Penelope Says:

    *-* Du machst das richtig!

  7. Astrid Says:

    Was für ein Satz:

    Nichts ist schädlicher für erfolgreiches Reisen als bestens vorbereitetes Bescheidwissertum.

    Danke schön :)

  8. Arne M. Says:

    Den Zaubersatz übernehme ich in meinen Sprachschatz. Das mit dem blonden Lächeln wird allerdings knifflig.

  9. Kristiane Says:

    An der Harrfarbe…äh, Haarfarbe lässt sich doch leicht drehen, Arne.
    Ansonsten. Der Satz “Ich weiss, dass ich nichts weiss” hat auch mich bisher gut durch die Zeiten gebracht.

  10. Toni G. Says:

    Wie schön, wenn es noch FACHgeschäfte gibt, mit FACHpersonal, die dem blonden Kunden gerne behilflich sind. In Deutschland muss man ja quasi jedesmal die Stiftung Warentest googlen, bevor man was kauft, weil in den sogenannten FACHmärkten Fachpersonal eben rar ist und sich selten langweilt. Obwohl: es gibt auch hierzulande noch echte, übersichtliche und stressfreie Fachgeschäfte. Wenn man darauf verzichtet, beim Kauf noch mal 10 EUR zu sparen (und oft ist es wirklich nicht viel mehr), weil man nicht auf ichbestellallesimnetz.com zurückgreift, dann findet man auch noch gute Beratung für Blondies.

  11. sarah Says:

    gut beobachtet. aber ich als zumindest ex- reise guides Autorin muss etwas differenzieren: Gute Adressen und interessante Neighborhoods zu kennen ist schon sehr hilfreich im Navigieren einer neuen Stadt, noe?

  12. meike Says:

    @Sarah: Klar hilft das, wenn man eine grobe Orientierung darüber hat, wo’s nett ist. Und es ist eine Frage der Zeit. Wer nur ein verlängertes Wochenende in der Stadt ist, will natürlich in der knappen Zeit keine Pleiten erleben, sondern konzentriert das Lohnende abklappern. Ich habe ja den Luxus, einen Monat zum Entdecken zu haben, da darf denn auch gern mal ein paar Nieten dabei sein. Wobei ich dank der vielen Empfehlungen hier wahrscheinlich gar nicht so weit entfernt bin von den Reisebuchtipps.

  13. romy Says:

    geniales Foto !!!
    Bin total fasziniert von dem Anblick und der Anordnung der vielen Weinflaschen.
    Ich liebe Weinhandlungen mit persönlicher Beratung, wo man wirklich Alles fragen kann, von der Weintraube angefangen….
    Romy

  14. romy Says:

    und wieder mal wunderschön die Beschreibung der Wirkung Ihres Zaubersatzes.
    Ich sehe es quasi vor mir wie sich die Angestellten überboten haben.
    Sehr schön. Macht Lust auf mehr.
    Romy

  15. isabelle Says:

    meine empfehlung: blond sein für fortgeschrittene am flughafen und dem wortwörtlich sprachlosen franzosen durch überheblich amerikanisch-englischem akkzent die kosten für das übergepäck zu nichte machen… ;)