Heimat

Gestern abend bin ich mit meiner Vermieterin Candela auf ein Glas Cava ins La Vinya del Señor gegangen, direkt am Eingang der wirklich wunderschönen Kirche Santa Maria del Mar. (Das Foto oben hat übrigens nicht das Geringste damit zu tun, das stammt aus dem Markt La Boqueria. Mir war nur gerade so.) Gegenüber wurde der Herr gelobt, hier in der gleichnamigen Bar über Barcelona geschimpft („Die Ramblas? Furchtbar! Wir kreuzen die höchstens mal, aber auch nur, wenn es nicht anders geht“). Candela ist Argentinierin aus Buenos Aires, wird ab Herbst Schiffsingenieurswesen studieren, um dann über alle Meere zu fahren, ist mit einem Japaner liiert und lebt seit drei Jahren hier. Ihre zweite Option wäre New York gewesen, sie spricht fließend Englisch.

Mir gefallen ja solche Menschen, die den ganzen Globus als potentiellen Wohnort betrachten. Wie sähe ihr ideales Zuhause aus? Halb Barcelona, halb Berlin, sagt sie. Die Leute dort seien so locker! Ihre Heimat Buenos Aires dagegen – nein, das kann sie sich nicht mehr vorstellen. So laut! Und die Leute so rücksichtslos! Immer drängeln sie sich vor!

Damit ist sie die zweite hier, die Deutschland als Sehnsuchtsort nannte. Ihr Freund Momo, der mich vom Flughafen abgeholt hat, schwärmte ebenfalls. Er, Pakistani, hat 14 Jahre lang in Freiburg/Breisgau gelebt und seufzt bis heute beim Gedanken an die Zeit. Wann immer ich unterwegs auf Deutschland zu sprechen komme und die Argumente Fremder dafür höre, überkommt mich so ein kleines warmes Gefühl. Sie hat schon was, die olle Heimat.

29 Antworten to “Heimat”

  1. Fernweh Says:

    jajaja, seufz, so lässt sich’s reden wenn man schon längere Zeit keinen deutschen Boden mehr betreten hat.
    Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite aber lassen Sie mich versichern, an nur einem Tag hat man mit seinen lieben Landsleuten mehr unfreundliche Erfahrungen gemacht als anderswo in einem Jahr. Bin so viel in der Weltgeschichte unterwegs gewesen und weiss Dinge wie Sicherheit und ja, auch eine gewisse Ordnung und frisches Trinkwasser bestimmt zu schätzen aber die gemeine “deutschegrummellaune” verlangt einem auch eine ganze Menge ab, ganz ehrlich. Also: Lächeln, liebe Landsleute, lächeln, dass Leben wird dann so viel leichter!!

  2. Arne M. Says:

    Exakt die gleiche Erfahrung mache ich zu Hause. Touristen loben meine Heimatstadt, von der ich manchmal angenervt bin. Das rüttelt mich dann immer wieder zurecht. Mit dem Zuhause scheine ich wohl immer anders umzugehen als diejenigen, die zu Besuch kommen.

  3. Drachenfee Says:

    Vielleicht ist sie auch deshalb Heimat, weil sie durchaus oll sein darf und trotzdem Heimat ist. Wie schön, so ein kleines warmes Gefühl zu spüren! Liebe Grüße aus der Heimat, norddeutsch, herbstlich, oll :-)

  4. Peikko Says:

    Bei Freiburg i.Br. wird sogar mir als echtem Fischkopp ganz warm ums Herz. Meine Oma und ihr Bruder lebten dort und ich habe als Kind viele wunderbare Wochen im Sueden verbracht, aber wohnen, nein, wohnen mag ich dort nicht noch einmal, ein Jahr in BaWue war mehr als genug. Ich mag mein plattes Land und das Meer und die Moewen (!!!) und unser Norddeutsch und Platt sowieso. Und so grumpig wie uns nachgesagt wird finde ich uns garnicht.

  5. Nelly Fleckhaus Says:

    Liebe Meike,

    seit einer guten Woche ist Hamburg unsere neue Heimat. Eines Nachts wachte ich auf, und es war ein sehr merkwürdiges Gefühl: Ich kann nicht mehr zurück in meine alte Heimat Köln und ins Fleckhaus.

    Aber die Menschen sind nett und hilfsbereit hier. Das Wetter am vergangenen Wochenende war mehr als akzeptabel. Überall gab es Open-Air-Konzerte. Die Außenalster glitzerte und blitzte blau. Klavier und Gesangsuntericht tönte aus den Häusern. Kinder stiegen in Kanus und folgten den Anweisungen des Instruktors.

    Wahrscheinlich lässt es sich hier aushalten.

    viele liebe Grüße

    Nelly

  6. bling.bling Says:

    Home Is Where Your Heart Is.
    Meines ist hier und ein bisschen überall. :)

  7. Ulrike Says:

    Heimat ist halt immer da, wo ein Stück von deinem Herzen ist… und es ist doch schön, wenn einem so wohliges Gefühl von Sehnsucht überkommt ;-)

  8. Julia Says:

    Dass Momo Sehnsucht nach Freiburg hat, kann ich voll und ganz verstehen! ;)

  9. ulrike Says:

    nach dem beschaulichen kopenhagen im quirligen barcelona, das muß ja wie ein kulturschock sein. kann ich mir gut vorstellen.

  10. Anke S. Says:

    Dieser Blog ist wirklich so wunderbar. Balsam für die Seele für Zwischendurch :-)
    Eine schöne Zeit und viele wunderbare Begegnungen und Gedanken in Barcelona.
    Und danke fürs Teilen.

  11. petra Says:

    @Nelly – falls du mal den Hamburger Westen erkunden möchtest – schick eine kurze Nachricht :-)
    ansonsten viel Spass beim Eingewöhnen – ich bin vor knapp 25 Jahren aus NRW hier gelandet und bin immer noch begeistert von dieser Stadt.

  12. jule Says:

    Ahoi.

    Zum Thema Rücksicht und “deutsches Mäkeln” gabs ja während der Kopenhagener Siesta in der Mitreisegruppe schon eine Unterhaltung.

    Ich kenne sowohl Berlinbesucher, die über die nervige Berliner Ruppigkeit schimpfen, als auch welche, die sagen, “der Berliner als solcher” sei ja so hilfsbereit und warmherzig und sie fühlten sich sehr willkommen.
    Vielleicht hängts sowohl von Zufällen ab als auch von den eigenen Erwartungen und dem eigenen Verhalten.

    “Menschen sind wie Musikinstrumente. Ihre Resonanz hängt davon ab, wer sie berührt.” (angeblich von Vergil)

    Gruß
    jule

  13. Kristiane Says:

    @) Nelly: Willkommen in der Hansestadt! Ganz bestimmt werden Sie sich hier wohlfühlen. Die Hamburger sind viel, viel netter, als man es ihnen nachsagt und die Stadt ist ein Traum. Müsste man nicht ein paar Stündelchen am Tag arbeiten – es wäre wie der perfekte Urlaub in Endlosschleife. Es gibt Strand und Wasser und viel Grün, ruhige Winkel und Ecken, wo das Leben tost – was will man mehr! Und das Beste: man ist ganz schnell am Meer. Wilde Nordsee oder melancholisch sanfte Ostsee – beides ist soo schön.

  14. Babsi Says:

    Hierzu äußert sich Jan Weiler in seinem “Maria, ihm schmeckt´s nicht”…..Der weise Schwiegervater Antonio schwärmt in seiner niederrheinischen Wahlheimat von La Dolce Vita in Italia, sobald er sich aber in der Sommerfrische dort aufhält, schwört er auf die deutsche Lebensart….es lebe die Sehnsucht!

  15. Renate Says:

    Ja, ja, von der anderen Seite des Flußes sieht das Gras eben immer viel grüner aus ;-)

  16. Fernweh Says:

    Schon mal jemand hier im AUSLAND gelebt? Ich meine nicht den Wechsel zwischen Kölle und Hamburch sondern richtig weit weg, mit anderer Mentalität und Natur und Licht?

  17. Philip Says:

    @Fernweh:

    Jo, tu ich gerade :-)

    Bin vor einigen Monaten nach Schweden gezogen. Ist zwar jetzt nicht “richtig weit weg” aber die Mentalität ist durchaus eine andere…
    Und so ein Aufenthalt “draussen” hilft immer die Sicht auf Heimatland mal umzugestalten. Auch “drüben” ist nicht immer alles besser. Auch wenn es einem als Turist so vorkommen mag.

    PHILIP

  18. Penelope Says:

    Das Foto: welch eine Farbenexplosion ist DAS denn? Da krieg ich aber auch Sehnsucht – nach Barcelona ~_~

  19. Alicia Says:

    @Fernweh
    Ich wohne gerade in Mexiko. Und ja, ich lobe hier auch ständig Deutschland in den Himmel: So sauber, so ordentlich, die Leute so verantwortungsbewusst. Nichtsdestotrotz bin ich in meinem unordentlichen neuen Heimatland auch ganz zufrieden… aber Deutschland fehlt mir schon.

    @Meike
    Ach, ich liebe dein Blog und deine Reisegeschichten! Geniess die Zeit in Barcelona! Eine wunderschöne Stadt, tolles Essen, der Strand vor der Tür… herrlich!

  20. Anne Siegel Says:

    Was für eine gelungene Formulierung, Meike…….

    “so ein kleines warmes Gefühl”!!!!! Ich hab es gleich im Bauch gespürt und musste plötzlich lächeln….Danke dafür.

  21. Kristin Says:

    @jule: Tolles Zitat mit den Instrumenten, danke dafür!! :)

    Mein Sehnsuchtsort ist Holland, viel mehr Den Haag. Hatte dort eine wundervolle Zeit und die Sehnsucht danach ist kein Fern-, sondern ein Heimweh. :)

  22. jule Says:

    Ich habe ein Jahr in Frankreich gelebt – das ist auch noch relativ nah, da europäisch, aber für mich wars fern genug, gerade durch die fehlende Muttersprache. Ich war in keinem touristischen Ort.

    Das war in einer Ära noch ohne Mobiltelefon, ohne Skype, ohne Internet, ich war nur einmal in zehn Monaten in Deutschland und hatte außer gelegentlich per Telefon nur per Brief Kontakt in meiner Sprache.

    In jener Zeit ist mir auch viel bewusst geworden, was meinen Begriff von Heimat angeht, auch “Deutschsein” und eben bestimmte kulturelle Unterschiede – schon weil Franzosen auch viel von mir wissen wollten in Sachen “typisch deutsch” und auch einfach Fragen, wie denn manche Sachen in Deutschland gehandhabt werden. Ich wurde in jenem Jahr recht oft für eine Skandinavierin gehalten (obwohl ich gar nicht sooo blond bin) – war auch interessant, weil ich erst nicht wusste, wie ich es einzuordnen habe, dass man sagt: Oh, Du bist aus Deutschland – hätte ich gar nicht gedacht. Meist war es (angeblich) positiv gemeint. Nun ja…

    In einem Land, in dem ich die Sprache nicht kann, die Kultur nicht kenne und komplett FREMD bin und auch als fremd auffalle, habe ich noch nie längere Zeit gelebt; aber die Erfahrung, die ich während vier Wochen in Tansania gemacht habe, waren spannend. Da war ich nicht rein als Touristin, sondern hatte aufgrund privater Kontakte bzw. meinen einheimischen Begleitern schon anderen “Zugriff”, trotzdem waren vier Wochen zu kurz, um wirklich abschätzen zu können, wie es längerfristig als Mzungu/Weißer vor Ort ist.

    (Interessant fand ich, für wie viele Menschen in Tansania ein Weißer automatisch REICH ist, einfach weil er so weit reisen kann und überhaupt wochenlang nicht arbeiten muss, sondern zum Vergnügen unterwegs zu sein scheint.

    Dass es für einen Weißen nicht zwangsläufig selbstverständlich ist, so eine Reise jedes Jahr zu machen, sondern eine Besonderheit bzw. eine Art Projekt, so eine Reise zu unternehmen, muss man erst einmal erklären, ich hatte für diese Reise sehr lange sparen müssen und habe nicht luxuriös gelebt.)

  23. SusanneR Says:

    @ Nelly – Sie Glückliche – Sie dürfen in Hamburg wohnen! Genießen Sie es -und am Anfang ein bisschen wie eine Touristin erkunden – Hafenrundfahrt, Alsterrundfahrt, etc. – habe ich dann später nur noch mit Gästen gemacht und war überrascht wie toll es immer wieder ist. Leider wohne ich nicht mehr dort…. Dafür überlege ich jetzt, vielleicht bald mal für einige Zeit nach Buenos Aires zu gehen – dank Meikes Blogs habe ich ja nun wirklich alles was frau braucht ;-)

  24. Fernweh Says:

    Ach, Ihr lieben Leute, da komme ich mit Sarkasmus und werde so freundlich bedient..muss ich mein Bild über unsere “Heimat” etwa neu malen?
    Ich lebte fast 2/3 meines Lebens im Ausland, zuletzt in der Nähe von San Diego und vermisse so unendlich das unendlich freundliche MITEINANDER. Meine Freundin, Ihres Zeichens Amerikanerin, kann sich hier auch nicht wohlfühlen. Heute z.B. hat sie Ihr Fahrrad zur Seite geschoben, damit ein andrer besser passieren kann und in Amerika werden sofort 2-200 Sätze gewechselt. Immer und definitiv! Hier hat der Herr noch nicht einmal gelächelt, geschweige denn Danke gesagt. Dabei ist sie so ein strahlender und freundlicher Mensch (@jule). Was machen wir falsch? Seid ihr so daran gewöhnt, muss ich mir ein dickeres Fell zulegen?

  25. jule Says:

    @Nelly: Ich wohne nicht in Hamburg, bin aber gelegentlich zu Besuch dort. Ein kleiner feiner Ort zum Wohlfühlen und Durchatmen ist das Café Johanna – oberhalb des portugiesischen Viertels, relativ nahe Landungsbrücken. Ich habe dort neulich mit einer Hamburger Freundin mittags eine höchst schmackhafte Suppe gegessen und fühlte mich dort auf Anhieb wahnsinnig wohl und geborgen, obwohl eigentlich kränklich, unausgeschlafen und auch etwas gestresst. Ein Ruhepol, unspektakulär, einfach schön.

    http://cafejohanna.de/
    In der Nähe liegen die nordischen Seemannskirchen.

    Außerdem empfehle ich Paternosterfahren, das hat sowas Betulich-Gemächliches; am besten vorher von Böll die Kurzgeschichte “Dr. Murkes gesammeltes Schweigen” lesen (lohnt eh, zum Thema Paternoster genügen eigentlich die ersten paar Seiten).

    Paternoster gibts in Hamburg z.B. noch im Slomanhaus – http://www.hamburgwiki.de/wiki/Slomanhaus – oder im Bezirksamt Eimsbüttel, Grindelhochhäuser, Grindelberg 62 und 66; dort ist außerdem oben eine Kantine, die man auch nutzen kann, ohne Mitarbeiter des Amts zu sein. (Als ich da war, wurde gerade renoviert, war also nix mit schönem Ausblick beim Mittagessen.)

    Durch den alten Elbtunnel zu laufen fand ich auch ganz schön.
    Unspektakuläre Dinge, die mir aber Hamburg irgendwie nahebrachten – von dem Herumschlendern in Sankt Pauli und anderen Stadtteilen abgesehen, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen.

    Keine Ahnung, ob meine Art, mir einen Ort anzueignen und das Fremdeln abzubauen, auch für andere passt. Aber gerade weil ich bis letztes Jahr sehr hamburgunerfahren war und schon nach den ersten zwei kurzen Wochenendbesuchen mich so wohlfühlte, teil ich das hier mal mit.

    Gutes Einleben, auf welche Art auch immer. :-)

  26. jule Says:

    @Fernweh: Dass die Amerikanerin da irritiert bis enttäuscht ist, versteh ich gut. Ich erleb selbst, dass Menschen manchmal gerade auf normale Offenheit und Freundlichkeit und Rücksichtnahme und höflichen Umgang skeptisch bis misstrauisch reagieren oder extra grimmig gucken, weil sie so an Egoismus gewöhnt scheinen.

    Ich änder nix, ggf. seufz ich und finds schade, aber ich will meine Energie nicht mehr mit Ärgern über andere verschwenden (gelingt mir nicht immer).

    Deine amerikanische Freundin möge so zuvorkommend bleiben, vielleicht färbts ja doch ab, vielleicht bekommt sie am nächsten Tag schon ein dankbares Lächeln dafür. Also nicht selbst gröber und härter werden – das hielte ich für die falsche Resonanz und Folge.

    (Vielleicht hätte derjenige, dem sie so nett Platz gemacht hat, sie anderenfalls sogar angeraunzt oder -gerempelt, das wär doch noch blöder gewesen…)

    Naive Ommmm-Grüße ;-)
    jule

  27. Kerstin Says:

    Ich lebe seit 4 Jahren in den USA. Nächstes Jahr wird es wieder in die Heimat zurückgehen und ich beschäftige mich jetzt schon ein wenig mit dem Thema “Rückkehr aus dem Ausland”. Die Reintegration im Heimatland soll einem angeblich schwerer fallen als der Beginn im Ausland.

    Am liebsten würde ich eigentlich noch ein neues Land näher kennenlernen, England oder Spanien, meine Heimat vermisse ich gar nicht.

  28. Fernweh Says:

    @Kerstin, trau’ Dich !!! und auf zu neuen Ufern,
    denn es ist noch viel schwerer sich hier wieder einzugewöhnen als Du glaubst.
    (Bin jetzt schon gespannt, was Meike nach 1 Jahr Absence von sich geben wird, wenn die erste Euphorie verschwunden ist.)
    Wir sind beide Ärzte und können Gott lob überall arbeiten denn lange werden wir hier nicht bleiben:
    Diese ungehaltene Bissigkeit steckt tatsächlich an, meine Gesichtszüge waren schon mal entspannter.
    Ich liebte Amerika nicht nur wegen seiner Schönheit und dem liebevollen Miteinander sondern auch weil ich mich selber dort viel lieber mag. Alles Gute und genieße Deine Zeit.

  29. frauziefle Says:

    Brauche auf der Stelle einen Farbdrucler.
    Damit ich das Bild ausdrucken und in den Garten mitnehmen kann um herauszufinden, ob meine schon reif sind….