Großstadtdschungelcamp

Warnung: Dieser Beitrag ist nichts für Empfindliche, Magenkranke und Raupenfreunde. Wollte ich nur gesagt haben.

„Die Libellen musst du gut kauen, die Flügel können sonst beim Runterschlucken stecken bleiben“, sagte Kyle. Ein guter Rat, aber im Notfall hätten wir die Libellen mit Erdinger Weißer heruntergespült.

Mit Jamie und Kyle war ich schon einmal auf Foodtour unterwegs, dieser Abend aber sollte etwas… herausfordernder werden. Die Weird Meat Tour führt in Hinterhofrestaurants und auf Nachtmärkte, auf der Suche nach Dingen, die man nicht so oft auf den Teller bekommt. Es begann im Southern Barbarian mit fritierten Honigbienen (obere Reihe), serviert mit Dörrfleisch und Malzfritten, dann Wasserwanzenlarven, Libellen und Bambuswürmer (Mitte links, rechts noch mal die Libellen größer). Es klingt alles schrecklich nach Dschungelcamp, schmeckt aber verblüffend lecker. Knusprig, wie Kartoffelchips oder Popcorn. Halt wie etwas, was man gedankenlos vor dem Fernseher isst, nicht weiter der Aufregung wert. Fast noch verblüffender: die Auswahl an europäischem Bier, eine Leidenschaft des Wirts. Aus Deutschland war außer Erdinger – im Original Weißbier-Glas, vom Kellner fachmännisch eingeschenkt – auch Einbecker Doppelbock dabei.

Zweite Station: Bi Feng Tang, ein kantonesisches Kettenrestaurant, das 24 Stunden geöffnet hat. Hier: Taube (mit Kopf serviert) und Entenzungen (unten). Taube kannte ich schon. An chinesischen Täubchen ist allerdings kaum Fleisch dran, sie taugen eher als Zahnstocher. Entenzungen hingegen: interessant. Die Zungenspitze lässt sich gut abbeißen – Konsistenz: in etwa wie roher Schinken –, dann arbeitet man sich um das Zungenbein herum, wieder eine elende Zuzelarbeit. Aber ich hatte ja schon genügend Bienen im Magen, der erste Hunger war gestillt.

Weiter: Li Jian Jun. Große Heiterkeit beim Lesen der Karte. Old dopted mother eleusine? Tile fish homesickness? Acid cowpea flashy foam? Nicht mal die Bilder können einem hier sehr weiterhelfen. Wir bestellten Stir fatty intestine: gebratener Schweinedarm mit unglaublich viel Chili. Auch das nicht so eklig wie es klingt. Aber auch nichts, was ich beim nächsten Mal wieder bestellen würde. Stattdessen lieber noch mal die Lotuswurzeln.

Zum Schluss: Nachtmarkt. Gebratener stinky tofu mit süßer Sauce: nicht so stinky, wie sein Name androht, eher wie reifer europäischer Käse. Danach konnten wir nicht mehr und haben uns geärgert: Flusskrebse, Austern, riesige, frisch geöffnete Jakobsmuscheln…

Alles mindestens einmal probiert und dabei festgestellt: Alles ist essbar, vieles sogar genießbar. Die Shanghaierin Shirley, die dabei war, winkte aber trotzdem bei dem meisten ab.

Ach so, und: kein Hund, es ist nicht die richtige Jahreszeit. Hund isst man im Winter.

Southern Barbarian, 2/F, Ju’Roshine Life Arts Space, 169 Jinxian Lu, in der Nähe der Maoming Nan Lu
Bi Feng Tang, 175 Changle Lu, Nähe Maoming Nan Lu

Nachtrag 27. April: Das fand ich heute im Supermarkt. iDuck Series? Fantastisch.

26 Antworten to “Großstadtdschungelcamp”

  1. Franka Says:

    Kulinarischer Überfluss!

    Flusskrebse und Jakobsmuscheln, dass Sie aber auch nicht warten können!
    Weißwein dazu!

    Morgen ist ja auch noch ein Tag!

    Gruß!
    Franka

  2. Daniela Says:

    Tja… ich esse keine Tiere (außer den saisonalen Schoko-Osterhasen), also auch keine Insekten. Aber andere Länder, andere Gerichte. Und die dekorierte Gurke sieht lecker aus.

  3. Uschi aus Aachen Says:

    Ich glaube ja sogar, daß es schmeckt, aber ich kriege trotzdem “voll die Krise”… Auch die Meike-Mimik war schon mal entspannter. *grins*

  4. Alicia Says:

    Finde ich gut, dass du alles probiert hast, Meike, denn ganz ehrlich, so schlecht schmeckt das meiste ja nicht! Ich wohne schon seit längerem in Mexiko und hier gehören Würmer, Heuschrecken und Ameiseneier zu den traditionellen Spezialitäten des Landes… habe ich alle schon probiert und mein Favorit sind die Chiniquiles, geröstete Würmer der Magueypflanze… ein unglaublicher Geschmack, wirklich sehr, sehr lecker!
    Ich kann dir da übrigens sehr die Serie Bizarre Foods mit Andrew Zimmern ans Herz legen, findest du bei Youtube.

  5. nico Says:

    lesen kann ich das gut.. ob ich selber probieren würde… keine ahnung…aber zugucken kann ich sowas schlecht…hätte immer angst, dass jemand brechen muß..
    urrrgs

    hut ab…!!

  6. Simone Schröder Says:

    haetten sie denn winterhund gegessen???

  7. frauziefle Says:

    das sind Entenzungen auf dem unteren Bild?
    So groß sind die?
    Oha.
    Was die Interpretation des Gesichtsausdruckes angeht, selbiger schließe ich mich an, das war auch mein Gedanke gewesen :) )
    Die Hundefrage interessiert mich auch…..

  8. Heidi Says:

    Ich bin ja der Meinung, frittiert schmeckt sowieso fast alles (gleich) … da ist es auch egal ob zwischen Hirsch, Pilzen und Snickers zwischendurch das Oel gewechselt wird.

  9. Bling Says:

    ach, so ein zartes hündchen im winter :) hihi, nein nein ich hätte die tour jedoch auf jeden fall mitgemacht und hätte wohl (fast) alles probiert! ich kenne da nichts. ;-) ready for shanghai!!!

  10. edith Says:

    mich würde ja interessieren wie die honigbienen in den frittiertopf kommen? die sind doch hoffentlich schon tot? oder?

  11. Sonja Says:

    R-E-S-P-E-C-T.

  12. Beate Says:

    Irgendwie bin ich froh, dass sie nicht im Winter dort sind….. ;)

  13. Bettina Says:

    Chapeau !

  14. MonikaZH Says:

    wow, sehr spannend. Honigbienen isst man? – War mir neu. Und Libellen auch? Würmer, Larven und so, das hatte ich schon mal gehört (aber alles noch nie probiert), aber dies ist neu für mich. Ich behaupte die Krabbeltiere häte ich auch probiert (immerhin habe ich in Peru auch Cuy gegessen – Meerschweinchen, im Ganzen serviert. Und sehr lecker, dies nebenbei). Wobei – hm…

    Jedenfalls endlich wieder mehr essen und trinken im Blog, danke!

  15. Christine Says:

    Hm, ich find, zwischen Meerschwein und Insekten ist doch nochmal nen ziemlicher Unterschied ;-) Meerschwein würd ich wohl auch noch probieren; bei Krabbelviechern wär ich mir da nicht so sicher…

  16. MonikaZH Says:

    ja, Christine, finde ich eigentlich auch. Aber ganz ehrlich: ein komplettes Meerschwein, mit Kopf und Füssen, gebraten im Rohr, auf dem Tisch, dessen Cousin du gestern noch geknuddelt hast ist schon heftig. Von daher bin ich froh dass Meike nicht im Winter in China is(s)t, Hund wäre schon krass, obwohl das ja eigentlich Quatsch ist, wir essen ja auch Samtnasen (Pferd) oder Esel, und hier in der Schweiz gab es früher einmal sogar Trockenfleisch aus Hund. Hmpf. Alles nur Eiweiss-Spender, wenn man es genau nimmt, und kulturell jeweils anders behaftet.

  17. jule Says:

    Gibts in Shanghai auch das Prinzip “Dinner im Dunkeln”? ;-)

    Ich esse seit zwei Jahrzehnten kein Fleisch, finde es aber nicht eklig, wenn andere mir von ihren exotischen Es(s)kapaden berichten. Und ob man nun Rind, Schwein, Pferd, Hund, Hamster, Fisch oder Insekt tötet und isst, bleibt für mich vom Prinzip her gleich (die Art der Tötung allerdings nicht, Stichwort Hummer).

    Ausnahme: Bei der Erwähnung von der Delikatesse Schafsaugen wurde mir doch etwas anders. Dass Augen serviert wurden, las ich mal in einem Interview – der aus Europa stammende Reisende hatte aber eine Lösung, um seine Gastgeber nicht zu beleidigen, wenn er die Schale mit köstlichen Schafsaugen ablehnt:
    Er sagte, als Fotograf dürfe er keine Augen essen, das sei quasi so eine Art “Berufsethos”.

    Eine gute Lösung. Wenn man allerdings ohnehin freiwillig lostigert und im Restaurant bestellt, hat man ja zum Glück eh die Wahl – sofern man in Erfahrung bringen kann, WAS man da bestellt… ;)

  18. meike Says:

    @Frau Ziefle: Entenzungen sind gar nicht so groß. Auf dem unteren Foto habe ich gerade eine zwischen den Stäbchen. Winterhund… doch, ich würde ihn probiert haben, klar. Bestimmte Neugierden muss man sich einfach aus dem Leib treiben, und das geht nur, indem man ihnen nachgeht.
    Letzte Woche hatte ich übrigens Esel-Dumplings. Ebenfalls sehr lecker.

  19. Elisabeth Says:

    Auch im Sommer bzw. Frühling gibt es Hund in Shanghai – z. B. in koreanischen Restaurants. Bei meinem letzten Besuch dort (Juni 2010) auch in einem Restaurant in der Super Brand Mall in Pudong. Also, wenn Sie noch Gelüste hegen… Schmeckt übrigens nicht so schlecht – ein bisschen wie Rindfleisch.

  20. Elisabeth M. Says:

    Winterhund, Sommerhund – nööö, könnte ich beides nicht essen. Kulturelle Definition hin oder her. Der Grund heißt bei mir Lucy: http://tinyurl.com/3qs9gqu
    Anonyme frittierte Bienen , die keinen Namen tragen, wären mir da denn doch lieber.

  21. Fashio-Freak Says:

    na ob mir das schmecken würde, ich weiß ja nicht :D

  22. Simone Schröder Says:

    interessant. ich fuer meinen teil gehe lieber mit hunden gassi anstatt sie zu essen. bestimmte neugierden kann man sich auch dann mal verkneifen. sonst wird aus “vor mir die welt” ganz hurtig “nach mir die sintflut”. gruesse aus der alten welt.

  23. Lydia Says:

    Bienen im Magen, das gefällt mir. Mal was anderes als Schmetterlinge im Bauch …

    Tolles Blog! Ich lese schon seit paar Wochen fasziniert mit.

  24. nico Says:

    was für ne tolle tüte:o)

  25. A Weird Meat UnTour to End All Other Non-Existent Shanghai Weird Food Tours -Part 1 | UnTour Shanghai Says:

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