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Stranger than fiction

Freitag, 21. Januar 2011

Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Nicht dass ihn schon jemals getroffen hätte, aber Terry Durack, mein Terry Durack war eine Tonne. Ein Drei-Zentner-Mann, ein Ich-bin-zwei-Olivenöltanks-Mann. Wie gesagt, ich hatte ihn noch nie gesehen, nur sein Autorenfoto in einem meiner liebsten Kochbücher, einer Ode an die Verfressenheit namens „Yum“, Untertitel: „A Voyage Around My Stomach“. Diese Reise wäre damals ein Tagestrip gewesen, heute ist es einmal kurz um den Block: Der Mann hat sich halbiert. Er sieht meinen Blick und sagt, ja, er habe ein bisschen abgenommen. Ein bisschen: von 160 auf 80 Kilo.

Ich hatte ihn zum Essen eingeladen, weil ich ihm eins schuldete, wie ich fand. Ich mochte „Yum“ so sehr, dass ich seinen Namen vor 11 Jahren für eine Romanfigur verwendete, einen fetten, genusssüchtigen, ganz und gar hinreißenden Wiener Kochbuchautor in „Auf und davon“. Er meldete sich sofort, fand’s gottlob lustig und nahm die Einladung an, „an offer I can’t refuse“. Und so trafen wir uns heute.

Er hatte das Universal vorgeschlagen: „Aufregende Küche, sehr gewürzbetont“ – schon gekauft. Terry ist Restaurantkritiker und Herausgeber von Sydneys alljährlich neu erscheinender Food-Bibel „Good Food Guide“, die hier soviel Gewicht wie der Gault Millau in Europa hat. Er ist nach acht Jahren Londoner Exil wieder nach Sydney zurückgekehrt, zusammen mit seiner Frau Jill Dupleix, die ebenfalls eine Food-Schreiberin ist und deren Bücher ich ebenfalls liebe. Es muss die perfekte Ehe sein: Seit 29 Jahren arbeiten sie den ganzen Tag Seite an Seite an ihren Büchern und Artikeln, jeder für sich. „Abends gucken wir uns an und fragen: Na, wie war dein Tag so, Liebling?“ Und dann kochen sie, mal er, mal sie. „Zu zwei Dritteln sie“, sagt er. „Vor allem, weil sie Spezialistin für die schnellen, leichten Gerichte ist. Ich dagegen koche erst mal eine Stunde lang einen Fond. Es dauert ewig, bis man bei mir was zu essen kriegt.“

Das Essen war köstlich. In jeder Hinsicht. Tolle Gerichte (ich lass’ es mal gut sein für heute mit der Beschreibung, ich rede hier ja nur noch vom Essen. Na schön, nur das oben rechts: Lakritzmousse mit Aperol-Gelee, karamelisiertem Fenchel und rosa Grapefruit), puppenlustiges Gespräch. Der Typ ist klasse. Zwar nur noch halbfett, dafür doppelkomisch. Später setzte sich noch die Chefin des Universal, Christine Manfield, zu uns. Stellt sich heraus: Erstens fliegt sie nächsten Monat nach Mumbai, um dort für ihr nächstes Kochbuch zu recherchieren, und klar hat sie tausend Tipps für mich dort. Und zweitens wohnen wir in derselben Straße. Im selben Haus. Im selben Stockwerk. Genau nebeneinander, sie Apartment 7C, ich 7B. Unfassbarer Zufall. Und schon habe ich ein Date für einen Feierabendwein.

Universal, Republic 2 Courtyard, Palmer Street (zwischen Burton und Liverpool Street), Darlinghurst, NSW 2010

Nachtrag: Kaum war ich zuhause, kam schon eine Mail von Christine mit zwölf Restauranttipps für Mumbai und einem Artikel, den sie mal über Buenos Aires geschrieben hat. Die Australier quatschen nicht nur, sie machen auch gleich. Man muss sie lieben.

Barfood

Mittwoch, 19. Januar 2011

Der Restaurantkritiker und Kochbuchautor Terry Durack, mit dem ich Freitag zum Essen verabredet bin (die Geschichte dazu folgt dann, die ist nämlich gut), schickte mir vorab einige Empfehlungen, was ich in Sydney unbedingt essen solle. Eine davon: einen Wagyu Burger und einen Martini in der Bar des Rockpool Bar & Grill. Und Gott, was für ein Burger! Medium rare gebratenes Wagyu-Rind, eine dünne Scheibe Gruyère, Zucchini-Pickles, in Rotwein und Sternanis (glaube ich jedenfalls) gegarte Zwiebeln, das alles auf einem leicht getoasteten Brioche – es war fantastisch.

Großartig auch das Ambiente: Über der Bar hängt ein Kronleuchter aus 2682 Riedel-Gläsern, der Raum selbst ist auch tagsüber angenehm dunkel. Und ab 18 Uhr pickepackevoll, man kommt also besser vorher. Unbedingt einen Blick in das eigentliche Restaurant nebenan werfen, es ist der vermutlich schönste Raum Sydneys.

Rockpool Bar & Grill, 66 Hunter St, Sydney NSW 2000

Gute Ideen 1-3

Sonntag, 16. Januar 2011

Gute Idee Nummer 1: Ampersand, ein Café plus ein Laden für gebrauchte Bücher. Für 30.000 gebrauchte Bücher, um genau zu sein, darunter wunderbare Funde wie die signierte Erstausgabe von Jan Morris’ Trieste and the Meaning of Nowhere. Regelmäßig finden hier auch Buchclubs in Form von Champagner-Brunches statt: zu buchen über Books & Nooks. Ich werde berichten…

78 Oxford Street, Paddington, NSW 2011

Gute Idee Nummer 2: Vor dem Laden von Aesop, der australischen Kosmetikmarke, hängt ein Handlotion-Spender für Passanten. Unwiderstehlich.

72 a Oxford Street, Paddington, NSW 2011

Gute Idee Nummer 3: Hm – vielleicht ist das ja doch keine so gute Idee. Zumindest ist diese Hochzeitstorte mit kleinen Totenschädeln und Knochen eher was für Fortgeschrittene. Vermutlich hat die Tortenmacherin gerade ihre morbide Phase, die Website ist viel lieblicher.

Sweet Art, 96 Oxford Street, Paddington NSW 2011

Der Eine-Million-Dollar-Kuchen

Sonntag, 16. Januar 2011

Okay, nicht ganz. Aber: 19,55 AUS$ – gut 14 Euro – für ein Stück Kuchen ist schon steil. Dafür ist es aber auch der Heilige Gral unter Sydneys Kuchen: Lorraine Godsmarks date tart, vor 20 Jahren erfunden, als sie noch Patissière im Rockpool war (‘tschuldigung für das Gourmet-Geschwafel, das ist ansteckend hier in Sydney). Dattelpüree auf Mürbeteig, darauf die eierigste, sahnigste, vanilligste Eiercreme. Gerade genug gegart, dass sie nicht vom Kuchen fließt. „Ich mache diese Tarte immer noch so häufig, wie ich kann“, sagte Ms. Godsmark in einem kleinen Porträt über sie hier. Und wenn sie nicht so teuer wäre, würde ich sie so häufig essen, wie ich kann.

Yellow Bistro, 57-50 Macleay St, Potts Point, 2011

Brot

Samstag, 15. Januar 2011

Das beste Brot von Sydney, heißt es, gibt es in der Sonoma Bakery. Die beliefert die teuersten Restaurants der Stadt und hat inzwischen drei Cafés eröffnet. Phantastisches Sauerteigbrot, dick belegt mit Pastrami/Krautsalat/Chili/ Limone/Radieschen/Senf oder mit Huhn/ Estragon/Minze/Walnuss. Selbstgeröstetes Müsli, serviert mit Joghurt und Rhabarber. Köstliche Mandelcroissants.
Hier ein schönes Stück über den Wahnsinn, der hinter dem Unternehmen steckt.

241 Glenmore Rd, Paddington, Mo-Sa 7-18 Uhr, So 8 bis 17 Uhr.

Skippy

Donnerstag, 13. Januar 2011

Ich hatte schon Leute an meinem Tisch sitzen, die blass wurden, wenn ich Kaninchenschenkel in Weißwein und Thymian servierte. Kaninchen! So niedlich! Wie kann man das nur essen? Nun finde ich, dass Niedlichkeit noch nie ein Argument für irgendwas war, nicht mal für Gnade. Und schon gar nicht dafür, etwas so Köstliches nicht zu essen. (Ich muss vermutlich nicht betonen, dass ich keine Vegetarierin bin. Ich halte es da mit dem alten Satz: Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir Tiere essen, warum hat er sie dann aus Fleisch gemacht?)

Mein hiesiger Supermarkt führt Kängurufleisch in zwei Versionen, feines Filet – siehe oben – und etwas groberes Steak, in Kräutern und Knoblauch mariniert. Auf beiden Packungen klebt ein Etikett „Good for you, good for the environment“. Wie das? Nun, anders als Kühe oder Schafe zerstören Kängurus nicht kostbaren Mutterboden, sie brauchen weniger Futter, kommen besser mit Trockenperioden zurecht und vor allem: Sie produzieren kein Methan. Methan ist eines der gefährlichsten Treibhausgase überhaupt, 21mal so potent wie CO2 und für 15 Prozent der australischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Kängurufleisch hat nur zwei Prozent Fett, ist BSE-frei, schmeckt wie Wild und hüpft massig durch die Gegend – Kängurus vermehren sich wie die Karnickel. Fuck Niedlichkeit, sage ich da. Und haue mir ein Skippy-Filet in die Pfanne.

Loo with a view

Mittwoch, 12. Januar 2011

Das Glenmore Hotel ist ein Pub von 1921 im historischen Viertel The Rocks, ganz nett so weit. Richtig nett ist aber die Dachterrasse mit einem großartigen Blick über die Oper und Circular Quay. Nach 18 Uhr füllt sie sich schnell mit Leuten aus den Innenstadt-Büros, die ihr Feierabendbier trinken, also besser früh kommen. Und: Der Pub hat die Damentoilette mit dem möglicherweise besten Ausblick der Stadt.

96 Cumberland St, The Rocks, NSW 2000. Wochentags 10 bis 24 Uhr, am Wochenende 10 bis 1 Uhr.

Dinner for two

Donnerstag, 6. Januar 2011

1 Flasche Viognier by Farr: 95 AUS$. Geeiste Gurkensuppe mit Austern und Dill: 29 $. Süßwasserkrebse: 59 $. Dinner mit jemandem, der mit Jacques Derrida und Jean Baudrillard befreundet war: unbezahlbar.

Darf ich vorstellen: Dr. Alan Cholodenko, Professor für Filmtheorie an der University of New South Wales. Nach einem solchen Abend, an dem es unter anderem um Vampirfilme, Julian Assange, französischen Poststrukturalismus und australischen Wein ging, merke ich mal wieder, wie blöd ich geworden bin. Guter Vorsatz für 2011: mehr mit schlauen Menschen essen gehen.

Restauranttipp des Tages: Sean’s Panaroma, Campbell Parade. Bondi Beach. Sehr lässig, spektakulär gutes Essen. Und wer keine 95 Dollar für eine Flasche Wein ausgeben will (obwohl sie es wert war), kann seine eigene mitbringen. Im Vorraum warteten Leute auf Tische, die Plastiktüten voll gut gekühltem Champagner dabei hatten – very Sydney.