Oben und unten
Um 16 Uhr aufgewacht. Frühstück geordert. Vorhänge aufgezogen. Ohne auch nur einen Fuß vor die Tür gesetzt zu haben, weiß ich jetzt schon: Mumbai wird eine Nagelprobe für mich. Aus dem wohlklimatisierten 28. Stock des Four Seasons blickt man durch den Smog auf das, was hier als Innenstadt gilt: Wellblechhüttensiedlungen, Bauruinen, Dreck. Das da unten ist die Wirklichkeit, ich hier oben sitze frisch geduscht in meiner luxuriösen kleinen Seifenblase – und habe schon jetzt Bauchschmerzen angesichts der gewaltigen Clashes, die mich erwarten. Denn auch wenn ich morgen raus aus dem Luxushotel in eine bescheidenere Bleibe ziehe, ich werde stinkreich und privilegiert leben. Keine Chance, anders als wie ein Alien durch diese Stadt zu gehen. Ich bin sehr gespannt, was das mit mir machen wird. Ab jetzt geht das Reisen los.
Noch ein Blick aus dem Fenster: Unten der Pool des Four Seasons, direkt daneben hinter hohen immergrünen Hecken: das Elend.
März 3rd, 2011 at 13:48
Ja so, sieht das wahre Leben da draussen aus…
Ich war vor 20 Jahren in Indien als Rucksackreisender und habe mir geschworen, nie mehr einen Fuss auf dieses Land zu setzen. Nicht, weil die Indier unfreundlich oder boese Menschen waeren, sondern einfach, weil das Elend so unendlich elendlich und unertraeglich ist. Ganze Familien muessen auf der Strasse leben, im Dreck, neben den Kuehen….
Beste Gruesse
Niels
März 3rd, 2011 at 13:50
Selten fand ich meine ängstliche Zurückhaltung vor einem Reiseziel wie Mumbai so treffend in Worte gefasst… Bin sehr gespannt auf diesen Monat!
März 3rd, 2011 at 13:51
aber wenn niemand in das land reist und geld bringt, dann kann es den indern auch nicht besser gehen… vielleicht findet man einen ort, wo man mit einer kleinigkeit helfen kann..und schon hat es sich gelohnt..
ich freue mich auf die berichte aus mumbai und wünsche tolle eindrücke!
März 3rd, 2011 at 13:59
Liebe Meike, genau das haben bislang alle berichtet, die schon mal in Indien waren, z.B. auch in Chennai oder Bangalore…. Ich bin sehr gespannt auf diesen Monat und finde es ist ein Geschenk, dass wir hier an Deinen persönlichen Erlebnissen so wunderbar teilhaben können!
März 3rd, 2011 at 14:00
Passen Sie auf sich auf.
März 3rd, 2011 at 14:08
Unglaublich interessant-warum immer nur auf der Sonnenseite des Lebens reisen. Neue Kulturen und Lebensstile kennenlernen heißt manchmal leider auch, direkt in den traurigen Teil der Welt zu blicken.
Gerade der extreme Unterschied (oben 28. Stock und unten das Elend) regen zum Nachdenken an. So ging es zumindest mir in Bangkok, als ich unter vielen Einheimischen mit der Eisenbahn in unser Hotel fuhr!
März 3rd, 2011 at 14:35
Kopf ausschalten und sich ergeben – das ist das Beste, was man machen kann. Denn meiner Erfahrung nach bereist man Indien nicht, es bereist einen. Aber es braucht ein paar Tage, bis man den westlichen Blick abgelegt hat. Eine kleine Empfehlung für Mumbai: Ruhe findet man in den Horniman Circle Gardens und der dahinter gelegenen wunderbaren Central Library. Und im altmodischen Tea Centre Restaurant, Nähe Churchgate. Grüße nach Asien – es wird sicher richtig gut!
März 3rd, 2011 at 14:40
Ja, das ist Mumbai und Indien sowieso.
Meine zweite Nacht in diesem Land werde ich so schnell nicht vergessen, ich bin einfach nur heulend eingeschlafen, eine andere Verarbeitung dieser vielen Eindrücke ist mir nicht möglich gewesen. Nur einen Grund des Weinens konnte ich nicht angeben, es ist die Vielfalt des Elendigen, nicht wissen wo man anfangen sollte, wenn man denn könnte… Sein eigenes Verhalten schockiert. Man wird an jeder Ecke angesprochen, angeguckt und gerne angefasst, fotografiert… Das ist der helle Wahnsinn und das alles nebenbei, da man selber dieses Elend einfach nur begreifen versucht.
Ob man nun ein Land auf dem Weg des Tourismus in ein anderes Zeitalter bucksieren kann, wage ich zubezweifeln.
Viel Erfolg!
(Und am Besten nur an Tagen auf die Elephanta-Island reisen, an denen dort Eintritt verlangt wird. Wir waren zunächst überrascht, dass wir kein Geld zahlen brauchten, Ergebnis: Es wimmelte überall vor lauter Indern, die natürlich auch eine Digicam oder ein Handy dabei hatten um einen zu fotografieren. Aber viell. steht ein Besuch dieser Insel gar nicht auf ihrem Programm…)
Eine ältere deutsche Dame trafen wir während unserer Indienreise in einem Zugabteil. Sie meinte: Indien und das richtige Reisen finge erst bei der dritten Reise an. Meine Erkenntnis zu dieser Zeit: Nie wieder Indien… Aus heutiger Sicht: Vielleicht irgendwann mal, who knows…
Alles Gute erstmal
Nictom
März 3rd, 2011 at 14:45
Das gehört zu diesem Land einfach dazu… Und zu vielen Ländern dieser Welt – wobei sich die letzten Jahrzehnte einiges gebessert hat und es sich weiter bessert. Indien ist eines der extremsten Länder mit der Möglichkeit zu wunderbaren Erlebnissen – oder zu Chaos.
Viele gute, interessante Erlebnisse wünsche ich Ihnen!
März 3rd, 2011 at 14:56
Ich glaube, Heike Weltweit hat den Nagel auf den Kopf getroffen: Kopf ausschalten und sich ergeben. Oder wie es ein Freund mal formuliert hat: Das funktioniert nur, wenn man einfach “mitfließt” und auch nicht permanent versucht, alles, was einem dort begegnet, zu verstehen oder einzuordnen.
März 3rd, 2011 at 15:02
@Heike und Carla: sehr kluge Ratschläge, danke. Mitfließen finde ich einen wunderbaren Ausdruck, der wird mir noch sehr helfen in den nächsten Wochen. Der Verzicht auf das Verstehen oder auch nur Einsortieren ist wahrscheinlich genau das, was einer Beobachterin & Bewerterin wie mir am schwersten fallen wird – und vielleicht genau die Lektion, die mir dieses Land erteilen könnte.
März 3rd, 2011 at 15:25
So war das auch in Hong Kong. Blick aus dem Fenster nach unten: Hotelpool. Nicht so spektakulär und grün wie der da oben, aber immerhin (das Hotel war jetzt auch kein Luxushotel, aber durchaus annehmbar). Blick leicht nach links auf das Dach des Nebengebäudes: große Müllberge. Oder irgendwas Undefinierbares, das aussah wie Müllberge.
Schon irgendwie krass, bedenkenswert und faszinierend.
März 3rd, 2011 at 15:31
Ich bin auf Ihre Eindrücke über Indien auch sehr gespannt.
Für mich ist es bis jetzt ein Land in das ich nicht reisen möchte.
März 3rd, 2011 at 16:22
Tu einfach viel Gutes, so schaffst du eine Win/Win-Situation…
März 3rd, 2011 at 17:19
Wünsche Ihnen eine tolle Zeit in Mumbai.. !!!
Ist schon erschreckend, diese Unterschiede zwischen arm und reich nur auf Fotos zu sehen. Bin gespannt, welche Eindrücke auf Sie zukommen..
Treffen Sie hier nicht die Bekannte, die Sie durch Zufall in Sydney kennengelernt haben?? Sie hatten doch in der gleichen Straße und sogar im gleichen Haus eine Wohnung gemietet für den März, wenn ich mich richtig zurück erinnere….
Liebe Grüße und alles Gute
Ulrike aus OWL
März 3rd, 2011 at 17:40
Mich hat genau das selbe Gefühl ereilt. Aber in Bangkok. Ich war vorher 20 Tage in Hongkong, für mich eine der für interessantesten Städte der Welt überhaupt, dann direkt von da nach BKK und ich bin nie härter irgendwo “runtergekommen”.
Erwartet hatte ich asiatische Exotik im positiven Sinne; Menschen, die auf ihre uralte Kultur stoz sind – bekommen habe ich Elend, Umweltvergehen in schlimmen Ausmass und ein ewig währender Gestank über der ganzen Stadt.
Und dann geht das Elend im ganzen Land so weiter; bin ein wenig froh, dass ich bald weiterreisen werde.
Ich drück die Daumen, dass du trotzdem irgendwann mit gutem Gefühl an die Stadt denken kannst.
März 3rd, 2011 at 19:45
Allein das Bild wirkt auf mich schockierend. Ich kann mir nicht vorstellen dort zu sein…
Hut ab. Ich wünsche wirklich, ich hoffe Sie verstehen es richtig, starke Nerven und bereichernde Eindrücke!
Judith
März 3rd, 2011 at 20:08
Ja, die Reise beginnt!
März 3rd, 2011 at 20:36
Liebe Frau Winnemuth, ich freu mich, dass die Seite wieder steht! Dafür das erste Dankeschön! Und das zweite?, ja das zweite Dankeschön dafür, dass Sie sich für uns, die wir von außen betrachten, in Sicherheit quasi, in dieses Abenteuer stürzen … von ganz oben nach ganz unten. Viel Glück, und aufpassen! Herzlichst aus Berlin. Margarete Morché
März 4th, 2011 at 01:59
Ich glaube nicht, dass diese armen Menschen so viel ungluecklicher sind als wir. Meine Erfahrung mit Elendsvierteln ist nicht so negativ. Man erlebt dort viel Menschlichkeit und Freundlichkeit. Schoen ist es natuerlich, wenn man die Sprache spricht. Denn gerade Menschen, die fast nichts haben, sind besonders gastfreundlich und kommunikativ.
März 4th, 2011 at 08:54
Guten Morgen,
warum ist Mumbai als Wunschstadt dabei; sicher nicht einfach in der Stadt und dem Land zurechtzukommen.
Als ich über das HERMES-Parfüm las fiel mit ein: wurde die gute HERMES – Tasche gekauft? Ein Traum!!!
Alles Gute herzliche Grüße
Marianne
März 4th, 2011 at 09:06
Ich habe mich mal mit einem Inder, den ich auf einer Reise durch die USA kennen gelernt habe, darüber unterhalten. Er sagte, diese Menschen in Indien nehmen ihre Lebensumstände als ihr Karma hin.
Das hat er mir vor über 20 Jahren gesagt, und ich habe seither oft darüber nachgedacht.
Trotzdem möchte ich da nicht reisen, ich möchte diese armen Kinder, das Wissen um die Kinderprostitution, Kinderarbeit, z.B. in Steinbrüchen oder Fabriken, wo sie 18 Stunden arbeiten und noch geschlagen werden, nicht sehen. Besonders wenn es um das Leid von Kindern geht, bin ich empfindlich. Ich weiß davon und kaufe diese indischen Produkte, hinter denen ich Kinderarbeit vermute, nicht. Mehr kann man nicht machen.
An Indien habe ich mir schon immer den Kopf zerbrochen. Ich sehe in Berichten und in Artikeln von diesem Elend, und ich höre von der großen zukünftigen Wirtschaftsmacht, und ich kenne Frauen, deren Höchstes es ist, einmal im Jahr nach Indien zu reisen, um zu meditieren und mit erleuchtetem Gesicht nach Hause zu kommen. Ich kenne ihre Geschichten über die Emotionen, die sie in Ashrams erlebt haben, und wie das ihr Leben (im Westen) verändert hat.
Aber wenn ich an Indien denke, zieht es mir trotzdem das Herz zusammen.
Ich bin auch schon jenseits der 50 und habe diese Neugierde, etwas zu sehen, was mich höchstwahrscheinlich unheimlich belastet, nicht mehr. Da ich passionierter Fotograf bin, könnte mich das Land wenigstens von diesem Sichtwinkel aus reizen. Tut es nicht.
Da muss man seine eigenen Entscheidungen fällen, ich könnte dort auf jeden Fall nicht reisen
März 4th, 2011 at 09:28
Mitfließen, ja, und sehen, hören, aufnehmen, staunen, lachen, weinen. Denken Sie an das (großartige) youtube Video: wir sind nicht der Nabel der Welt, und wir können nicht “immer” “alles” verstehen, verändern oder gar verbessern. Wir überschätzen uns, unsere Bedeutung, wenn wir glauben, für alles mit verantwortlich zu sein, nicht genießen zu dürfen während der Nachbar leidet. Sie dürfen “da oben” sein – Sie könnten “da unten” (auf dieses konkrete Unten bezogen!) kaum (über-)leben. Reisen heißt auch: die und das Fremde aushalten. Packen Sie eine gedankliche Mumbai-Schatzkiste mit allen Eindrücken, die Sie momentan vielleicht überfordern. Sie werden sich darüber freuen, später.
März 4th, 2011 at 09:58
Wunderschön gesagt, Julia! Das Fremde aushalten…. verarbeiten kann man diese fremde Welt oft erst sehr viel später.
März 4th, 2011 at 10:02
wunderbarer blog…ich bin jetzt schon addicted
mein frueherer arbeitgeber (alitalia) schickte mich sehr oft nach mumbai und es waren fuer mich die schoensten layovers ueberhaupt…trotz, oder vielleicht gerade wegen der diskrepanzen…
…ich empfehle einen lunch oder ein spaetes fruehstueck im cafè leopold (http://www.leopoldcafe.com/) … und einen nachmittags-lassi im garten/innenhof des taj mahal hotels (http://www.tajhotels.com/Palace/The%20Taj%20Mahal%20Palace,MUMBAI/default.htm) …man versinkt in eine andere welt…
herzliche gruesse aus dem kalten muenchen
frau allegra
März 4th, 2011 at 11:10
Hallo Meike,
ich wünsch erst mal viel Spass !
Ich war selbst noch nie in Indien, hab’s aber für 2011 ins Auge gefasst, bereite mich psychisch schon darauf vor und rechne mit allem….
Deshalb verfolge ich deine Eindrücke mit besonderer Aufmerksamkeit.
Hier noch ein paar Zeilen über Indien von einem, der es nach vielen Besuchen wissen dürfte:
“…wenn das Chaos um Dich wütet, musst Du in Dir ruhen – um nicht verrückt zu werden.
…Der Versuch, Indien zu beschreiben, kommt (für mich) dem Versuch gleich, den Indischen Ozean mit einem Fingerhut leer schöpfen zu wollen. Als würde man jemand mit einer Spielzeugschaufel in die Sahara schicken, um dort Ordnung zu schaffen. Als wollte man von unten auf den Gipfel des Mt. Everest spucken.
Nach Indien weiß ich, dass ich nichts weiß. Selbst wenn ich noch hundertmal dorthin reise, werde ich nicht mehr, als an der Oberfläche kratzen. Indien ist und bleibt ein Mysterium.
Indien verändert Dich. Es krempelt dich um, es kehrt dein Inneres nach außen, es lässt dich Dinge aus neuer Perspektive sehen. Es leitet Prozesse ein. Schließt andere ab. Indien bewegt.
Ich werde immer und immer und immer wieder nach Indien reisen.
Nicht um es zu verstehen – soviel habe ich verstanden, aber um es zu bestaunen, als etwas wunderschönes und mir unbegreifliches.
Ich bin ein kleines Licht im Universum, mit einer leisen Ahnung.
Ich sage Danke. Danke Indien.”
(Quelle: http://www.gesichterasiens.de)
So in etwa stelle ich mir -nach all den Informationen die ich für mich bisher gesammelt habe- Indien vor.
Gute Reise weiterhin !
März 4th, 2011 at 11:35
Eine Bitte.
Oder eine Bittfrage
Gibt es denn von jeder Stadt die tollen Reiseoutfitkombifotos wie es sie aus Sydney gab?
Bitte, Bitte unbedingt
Judith
März 4th, 2011 at 12:06
Liebe Meike,
mutig, gleich nach Mumbai zu reisen. Unsere erste Indienreise führte Ralph und mich nach Kochi (Kerala) Südindien. Dort war es geruhsam, erholsam und landschaftlich sehr schön.
Im November 2011 werden wir in den Bundesstaat Goa reisen. Und dann mal sehen, ob wir uns einem Großstadt-Moloch nähern.
Direkt einzutauchen, damit wären wir bestimmt auch überfordert.
viele Grüße
Ralph und Nelly
März 4th, 2011 at 13:07
coole Dinge findet man in den Kommentaren, tolle Kommentatoren, echt tolle Anmerkungen, Gedanken und Meinungen, freu mich die zu lesen.
vg
Nico
März 4th, 2011 at 14:15
Hallo Meike,
ich bin wirklich gespannt, ob Ben Ihnen die Last der Eindrücke ein wenig erleichtern kann.
Außerdem: von Konfuzius) ‘Ein Engel mit Flügeln ist nur halb so gut, wie ein Engel mit Händen’.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen als Schutz (besonders in Mumbai) während Ihrer “Bodenzeit” jeweils einen Engel mit Händen und am Monatende/ -anfang jeweils einen mit Flügeln, der Sie sicher weiterträgt.
Der Blog und die Kommentare sind täglich das Erste, das ich lese. Bitte weiter so.
Viele Grüße
Angelika
März 4th, 2011 at 22:47
“Mitfließen”… eine geniale Vokabel. Kann man doch eigentlich auch hier machen, nicht nur in Indien. Ich probier’s aus, ab sofort.