Bar jeder Vernunft
Keine fünf Tage hier, und schon bin ich mitten drin in dieser seltsamen Blase, in die man als Weiße so leicht gerät. Ich kenne es ja schon aus Indien: Als leicht identifizierbare Europäerin wird man auf der Straße bei jedem Schritt angestarrt, angesprochen („Where are you from? Do you need a guide?“), angebettelt – völlig normal, völlig nachvollziehbar, trotzdem anstrengend. Früher oder später findet man sich also bei einem Bier im Wohnzimmer der Expatriates wieder: in der Bar des Hilton. Ich hatte dort gestern meine dritte Verabredung. Man trifft sich im Hilton, nie im Sheraton – das gilt dann doch als zu unfein luxuriös. Das Hilton hingegen hat genau die richtige Patina eines in die Jahre gekommenen und etwas heruntergekommenen Hotels, wo man sich ohne allzuviel schlechtes Gewissen vom Wahnsinn da draußen erholen kann. NGO-Mitarbeiter, Diplomaten, Journalisten, Fotografen verabreden sich hier, und kurz vor 17.30 Uhr, zu Beginn der Happy Hour, füllt sich der Laden jeden Abend.
Ich traf dort gestern die dpa-Korrespondentin für Ostafrika, Carola Frentzen. Sie war 14 Jahre lang Korrespondentin in Rom, beschloss dann, in einem einjährigen Sabbatical „mal was Sinnvolles“ zu machen, ging mit ihrem damaligen Lebensgefährten nach Äthiopien, um eine Charity-Organisation aufzubauen – und verliebte sich in das Land. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben. Wir saßen vier Stunden in der Bar, redeten über das Reisen, das Leben in der Fremde, Sehnsuchtsorte, Zukunftspläne (die alle nicht in Deutschland spielen). Tolle Frau, toller Abend.
November 7th, 2011 at 08:32
Buch klingt interessant, ist schon bestellt. An ihren Blogeinträgen der letzten Tage merke ich mal wieder, wie fremd mir Afrika ist. War nie dort, wollte nie hin, will auch jetzt nicht hin. Ich habe eine Art ängstliche Ehrfurcht vor Afrika – weiss gar nicht, woher das kommt. Bin gespannt auf das Buch von Carola Frentzen.
November 7th, 2011 at 11:53
Indien kam mir opulent vor, die vielen Menschen, Farben, die Lautstärke aka Krach, ein nie endendes Wuseln. Nie kehrt Ruhe ein. Jeder ist immer irgendwie beschäftigt. Die Bilder von Addis sind leer, öde, sie strahlen ein bißchen Lethargie aus, oder Hoffnungslosigkeit.
Aber in dieser Leere finden sich dann Menschen, s.o. Wir brauchen alle unsere Netzwerke und finden sie.
Frau Winnemuth, warum ist das so, dass Zukunftspläne so selten in Deutschland stattfinden?
November 7th, 2011 at 13:48
Ich finde, Marie beschreibt es sehr treffend. Ich empfinde auch irgendwie eine gewisse Leere und Melancholie während ich bei den Beiträgen über Indien mehr “Lärm” und sozusagen Lebendigkeit empfunden habe.
Geht es Ihnen auch so? Haben Sie das Gefühl wirklich etwas vom Leben der Menschen dort mitzubekommen und aus dieser Blase rauszukommen oder empfinden sie das als schwierig?
Herzliche Grüße
Susa
November 7th, 2011 at 13:59
@Marie, Susa: Bislang kratze ich noch sehr an der Oberfläche, aber ich bin ja auch erst kurz da – und habe, wie immer in der ersten Woche, wieder deutlich zu viel Zeit am Schreibtisch verbringen müssen, um meine Verpflichtungen zu erfüllen. Aber so viel kann ich schon mal sagen: Lebendig-wuselig ist es hier auch. Vielleicht nicht auf meinen Fotos…
November 7th, 2011 at 14:38
Meine Eindrücke: In meinen vier ostafrikanischen Wochen habe ich natürlich auch erlebt, dass ich als weiße Europäerin automatisch als reich angesehen und angebettelt werde, dass ich natürlich einige Heiratsanträge bekomme – oder auch die Frage, ob ich – wenn ich den Antrag ablehne – denjenigen zumindest “mitnehmen” könne nach Deutschland. Verständlich, trotzdem manchmal schwierig.
Klar bin ich in Relation reich, immerhin kann ich mir erlauben, so weit zu reisen und dort wochenlang zum Vergnügen unterwegs zu sein. Dass ein Weißer vielleicht lange für so eine Reise gespart hat und so etwas nicht jedes Jahr macht, habe ich zum Teil erklärt. Manche sagten auch, eigentlich könnten sie sich überhaupt nicht vorstellen, ihr Land und ihre Familie wirklich zu verlassen, aber sie würden dennoch gern mal nach Europa fahren.
Übrigens gab es bei einer Horde Schulkinder in Moshi großes Erstaunen, als sie hörten, ich sei aus Deutschland, sie dachten, ich sei Amerikanerin – weil ich ja ein paar Minuten mit ihnen geredet habe und mir etwas Swahili beibringen ließ. Denn Deutsche sagen sonst immer nur NEIN und wenden sich sofort ab…
Wirklich bedrängt fühlte ich mich nie, es war nie so, dass ich “böse” werden musste, um allein weitergehen zu können.
Meine Eltern haben Ende der 1960er als frisch verheiratetes Paar gut zwei Jahre in Tansania gelebt und gearbeitet, damals gab es kaum Tourismus dort. Durch ihre Erzählungen und da wir bei der gemeinsamen Reise auch einige “untouristische” Programmpunkte hatten, ist mein Zugang zum Land vielleicht anders. Vermutlich wäre ich ohnehin ohne diesen persönlichen Bezug nie nach Afrika gereist…
Ich hatte auch bei meiner Bergwanderung mit meinem Guide Glück und habe durch ihn viel über Tansania, seine Familie und Lebensumstände erfahren, auch über die Schattenseiten des (Berg-)Tourismus. Ich hatte da nie den Eindruck, als sei ich nur der Goldesel, sondern fühlte mich wohl. Von anderen Weißen hörte ich, sie fühlten sich oft in Alarmbereitschaft und seien immer wieder über den Tisch gezogen worden, immer wieder Pannen und Unzuverlässigkeit.
Mit meinem Bergführer habe ich übrigens via Facebook immer noch Kontakt.
Natürlich habe ich auch nur einige Facetten kennengelernt und würde nicht behaupten, dass ich Tansania (oder Afrika) nun “kenne”. Ich empfand Tansania insgesamt als sehr lebendig.
Das Buch von Carola Frentzen klingt interessant, ist notiert.
Eine schöne Woche mit interessanten Begegnungen wünscht
jule
PS: “Bar jeder Vernunft” – schöner Titel wieder…
November 7th, 2011 at 18:01
…ach könnte Ihre Reise doch ewig weitergehen.
Ihre Berichte sind spannend, anregend und machen immer wieder Lust auf mehr…
Vielen Dank für diese wunderbare Idee und weiterhin eine Reise voller glücklicher Momente.
Mit sehnsuchtsvollen Grüßen,
das Küken
November 7th, 2011 at 21:48
Halllo Meike, ich reise seit dem ersten Tag mit. Danke, danke, danke für die Berichte und die Fotos. Ich habe auch Fernweh und nie oder ganz selten Heimweh wenn ich unterwegs bin, aber den Satz mit den Zukunftsträumerein die alle nicht in Deutschland stattfinden finde ich nicht gut. Wir leben in einem schönem Land mit vielen Möglichkeiten und das sollte auch mal gesagt werden. Auch oder gerade weil ich gedanklich schon Israel für nächstes Jahr gebucht habe.
Wünsche Ihnen weiterhin viele interessante Eindrücke und Menschen!
Liebe Grüße
Sophie
November 7th, 2011 at 23:16
@Sophie: Nur weil persönliche Zukunftspläne (in diesem Fall jene von Frau Frentzen, wenn ich das richtig verstehe) nicht in Deutschland spielen, bedeutet das doch nicht generell, dass man in Deutschland nicht AUCH gut und gern leben könnte… Ich empfinde den Satz jedenfalls nicht als abwertend.
November 8th, 2011 at 04:43
@Sophie: Selbstverständlich kann man wunderbar in Deutschland leben, und niemand weiß das besser als jemand, der gerade in Äthiopien wohnt. Deutschland ist ein in vieler Hinsicht gesegnetes Land. Trotzdem wundert mich immer diese reflexhafte leicht empörte Verteidigungshaltung, wenn jemand andere Lebenspläne hat. Woher kommt die nur? Die eigenen Entscheidungen werden doch in keiner Weise dadurch in Frage gestellt, dass ein anderer sich anders entscheidet.
November 8th, 2011 at 06:36
Auch ich habe Clausähnlich schon auf 4 Kontinenten (Amerika, Asien, Afrika, Europa) gewohnt
und kann Sophie versichern, es lebt sich ÜBERALL besser als hier.
Wir befinden uns in Deutschland in einer Seifenblase. Alles ist fair reguliert und organisiert.
Kein Mensch muss darben, das System funktioniert.
ABER:
Die Fröhlichkeit in anderen Ländern, das tägliche miteinander, die Hilfsbereitschaft,
das Lächeln (in D. ja wirklich Mangelware) öffnen mir das Herz, ich bin fröhlicher, ich mag MICH lieber.
Wenn jemand Sicherheit und graue Herbstzeiten bevorzugt kann man hier gut leben, ganz bestimmt.
Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
November 8th, 2011 at 07:21
@Bonté: Ich empfinde die Aussage, man könne überall besser leben als in Deutschland, als ziemlich pauschalisierend und anmaßend. Ich halte mich da lieber an Meike: jeder soll mit seinem Lebensentwurf glücklich werden und SICH am liebsten mögen. Da muß ich aber noch zusetzen, dass man sich des Luxus´, sich so etwas überhaupt aussuchen zu können, natürlich auch bewußt sein muß. Der normale Einwohner von Addis Abeba hat diesen sicherlich nicht.
November 8th, 2011 at 07:27
Für mich klingt die Geschichte von Carola Frentzen nach “home-is-where-my-heart is..”
Das ist es für mich: genau das leben, wo ich mich “zuhause fühle” und ich finds klasse, wenn Carola Frentzen das für sich gefunden hat.
Hab dazu noch was entdeckt:
http://www.youtube.com/watch?v=Ea4iaZUjLM0
Einen schönen Tag wünsch ich euch – Christine
November 8th, 2011 at 08:34
“Sehnsuchtsort” ist vielleicht emotional begreiflicher, als “Zukunftspläne, die nicht in Deutschland spielen”.
November 8th, 2011 at 09:31
@bonté: Dass man “überall besser leben kann als in Deutschland” – ist das ihr Ernst? Ich bin nicht gerade das, was man eine glühende Patriotin nennt, aber ein so pauschales Deutschland-bashing nervt. Die BRD ist doch nicht nur das Land der grauen Nebel und der schlechten Laune. Ich bin sehr dankbar, auch für meine Kinder, dass wir hier leben dürfen, in Wohlstand, Frieden und Sicherheit. Die glitzernde, wunderschöne, elegante Stadt, in der wir wohnen, liebe ich sogar – ziemlich glühend. Und sehe jeden Tag eine ganze Menge lächelnde oder lachende Leute.
November 8th, 2011 at 10:02
Das Buch von Carola Frentzen gibt es bei ProEthiopia unter http://www.proethiopia.de zu kaufen:
https://www.proethiopia.de/#prod=118
Der Gewinn aus dem Verkauf der Produkte fließt in die Arbeit der Stiftung Menschen für Menschen – Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe.
Liebe Grüße
Lisa
November 8th, 2011 at 11:03
Bonté Says:
November 8th, 2011 at 06:36
Auch ich habe Clausähnlich schon auf 4 Kontinenten (Amerika, Asien, Afrika, Europa) gewohnt
und kann Sophie versichern, es lebt sich ÜBERALL besser als hier.
Wir befinden uns in Deutschland in einer Seifenblase. Alles ist fair reguliert und organisiert.
Kein Mensch muss darben, das System funktioniert.
ABER:
Die Fröhlichkeit in anderen Ländern, das tägliche miteinander, die Hilfsbereitschaft,
das Lächeln (in D. ja wirklich Mangelware) öffnen mir das Herz, ich bin fröhlicher, ich mag MICH lieber.
Wenn jemand Sicherheit und graue Herbstzeiten bevorzugt kann man hier gut leben, ganz bestimmt.
Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
… im Alter kann man ja dann wieder aufs deutsche Sozialsystem zurückkommen… “prust”
November 8th, 2011 at 11:11
@Christine: So ein schönes Lied!
November 8th, 2011 at 13:07
Ich muß demnächst auch wieder nach Deutschland ziehen (wohne derzeit in den USA) und freue mich über jedes Argument, das für ein Leben in Deutschland spricht, denn momentan sehe ich meine Rückkehr eher mit Widerwillen.
November 8th, 2011 at 14:06
@Orangerie, ich bin 38 und ziehe im März nach Sri Lanka für ca. 2 Jahre, arbeite in der Entwicklungshilfe.
@ Kristiane, auch schon mal im Ausland gelebt? Nein? Eben.
Ansonsten sind all die Kommentare genau das, was ich meine.
Leute, es ist ok eine subjektive Ansicht zu akzeptieren, man muss ihr nicht beleidigt bzw. mit Sarkasmus begegnen. Ist nicht persönlich gemeint.
@Kerstin, einen Eindruck gewonnen?
November 8th, 2011 at 14:18
@Bonté: Ihre Aussage läßt auch nicht viel Raum für andere Meinungen. Und glauben Sie nicht, dass Kristiane sich grade sarkastisch angegangen fühlt? Ich habe auch schon gern in verschiedenen Ländern gelebt und finde trotzdem nicht, dass nur ausserhalb Deutschlands (und zwar ÜBERALL) gelächelt wird.
November 8th, 2011 at 14:32
@Kerstin: Ich versteh Dich sehr gut, ich musste sogar für mein Seelchen- Heil zweimal in den USA (genauer: beautiful California) leben und viele Besuche machen, um endlich in Deutschland ankommen zu können. Dann endlich habe ich begriffen, dass ICH es bin, auf die es ankommt, wenn mein Leben interessant sein soll und wenn ich interessante und unkonventionelle Menschen kennenlernen will. Und die habe ich in einem Mini-Dorf im Schwabenländle genauso gefunden wie hier im Mini- Dorf in der norddeutschen Provinz. Man braucht nur den Mut, auf die Menschen zuzugehen. Und vielleicht etwas mehr Geduld als in einem international geprägten Ort, wo sie einem “von selbst” über den Weg laufen.
)
Also, ich finde: es gibt kein “besser” oder “schlechter” für Lebens- Orte. Es gibt verschiedene Lebensphasen, zu denen vielleicht der eine Ort besser passt als der andere. Am wichtigsten finde ich: es ist herrlich, dass wir in Deutschland in einem Land leben, wo wir die Wahl haben, unser Leben immer wieder neu auszurichten. Wenn Du Lust hast, guck hier http://tinyurl.com/bpyrmkm und hier:http://tinyurl.com/cr2vo8o
Wenn Du magst, schick mir über meine Website eine Email. Für den Fall, dass Du noch Argumente brauchst
November 8th, 2011 at 15:45
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man das Leben im Ausland vor allem auch deshalb positiver empfindet, weil man selbst offener, toleranter und weniger “deutsch” ist.
Ich habe vieles entspannter gesehen, weil ich wusste, ich bin nur für eine bestimmte Zeit dort und diese Zeit wollte ich einfach geniessen.
November 8th, 2011 at 15:47
@Lisa: habe deinen Kommentar erst gelesen, nachdem ich meinen geschrieben habe. Aber genau das meinte ich
November 8th, 2011 at 17:06
Hello Lisa,
I am from CA. Habe gelesen Meikes story in San Francisco, my hometown.
Ich wohne mit meinem Ehemann hier seit 7 Jahren und bin nicht angekommen. Wegen mir?
Weil ich bin nicht nett? Es nicht genug versucht habe? Weil ich bin nicht offen ?
Viele Menschen hier sind nicht freundlich zu fremden. Und nicht geduldig.
Viele Menschen werden immer gleich sehr böse, auch hier bei die Kommentare.
Aber ich liebe meine wunderbare deutsche Mann und werde noch bleiben 3 Jahre.
November 8th, 2011 at 18:34
Bonté, es klingt bei Dir weniger nach subjektiver Ansicht als absolut und rigoros – “so IST das!” und nicht nur “so seh ich das”. Das vermittelt den Eindruck, als hätten diejenigen, die Deine Ansicht nicht teilen, schlicht nicht genügend Erfahrung.
November 8th, 2011 at 19:01
Also ich muss sagen, dass ich gerade durch viele Reisen und auch durch einen 2 jährigen Aufenthalt in Nordamerika erst so richtig entdeckt habe, wie schön es eigentlich ist in Deutschland respektive in Europa zu leben. Ich gehe auch heute gernIe in die weite Welt hinaus ( entdecke neue Länder und Kulturen – habe viel Freude dran) bin aber immer total glücklich auch wieder zurück zu kehren.
November 8th, 2011 at 20:11
Herrje, was ist denn schon wieder los hier,
der eine lebt gern auf dem Land, der andere in der Stadt, im Inland oder im Ausland, mit Mann oder Frau.
Jeder hat andere Lebenserfahrungen gesammelt und daraus resultiert eine ganz persönliche Meinung.
Da gibt es doch kein richtig oder falsch. Ich bin nicht beleidigt wenn Frau Frentzen, Bonté oder Kerstin gern im Ausland leben, recht haben sie, ebenso wie ich kein Problem habe, dass Menschen, (so wie ich) immer noch in der 2000 Seelengemeinde abhängen in der sie geboren wurden, ist doch toll wenn man seine Wurzeln liebt. (ok, ich gebe zu ich reise 150 Tage im Jahr)
Also, was veranlasst einige Damen heftige, mitunter auch bissige Kommentare abzugeben?
Welches Klischees und Kritikpunkte von Auslandliebhabern werden hier bestätigt?
November 8th, 2011 at 20:19
…also ich mag das, wenn hier ein bisschen herumgeballert wird. ist doch schöner, als wenn immer nur einstimmig im blauen bus “hoch auf dem gelben wagen” geträllert wird!
November 8th, 2011 at 20:29
Schon, aber es scheint sich um ein äusserst sensibles Thema zu handeln…..mag keine gar kein Intoleranz, da bin ich überhaupt nicht tolerant!
Und wenn bewundernswerte Frauen (Frau Frentzen!) kritisiert werden weil Zukunft evtl. im Ausland stattfindet….
Bitte????
November 8th, 2011 at 21:32
Ich vermisse Claus. Ich finde er könnte uns kurz seine Erfahrungswerte dazu kundtun.
November 8th, 2011 at 21:43
Ja…Claus, wo sind Sie?
November 8th, 2011 at 21:51
Hallo, ich lese erst jetzt welche Diskussion ich losgetreten habe und möchte eine kleine Begebenheit schildern: Im August saß ich mit zwei Finninnen in Nizza am Strand und stellte die Frage: “Was soll ich mir unbedingt ansehen, wenn ich mal nach Finnland komme?” und bekam von diesen beiden sehr netten mir bis dahin unbekannten Frauen die gleiche Frage in Bezug auf Deutschland gestellt. Ich nannte als erstes die Rhein-Mosel-Region (wahrscheinlich durch die zahlreichen Besuche auf der Buga inspieriert) und die Bodensee-Region. Und als die beiden längst weg waren fielen mir noch viele Orte in Deutschland ein, die mir durch die Landschaft, die Kultur oder durch nette Leute vor Ort empfehlenswert scheinen.
To make a long story short: Man kann überall auf der Welt glücklich sein, vor allem wenn man mit wachen Augen durch die Welt geht und vielleicht auch mal zuerst lächelt – irgend jemand lächelt immer zurück – auch in Deutschland
November 8th, 2011 at 23:31
das ist der wichtigste satz, den ich jetzt gelesen habe:
” vielleicht auch mal zuerst lächelt – irgend jemand lächelt immer zurück – auch in Deutschland ”
kann man jeden und jeden tag probieren..und funktioniert IMMER!
total schön
lg nico
November 9th, 2011 at 07:44
Hallo,
meine Mum meint ich solle doch mal meinen Senf dazu geben.
Ich bin 14 Jahre alt und wohne seit 8 Monaten in Bayern, vorher haben wir in Amerika und Asien gewohnt und ziehen alle paar Jahre um weil mein Dad für eine große deutsche Firma arbeitet.
Ich bin noch nie so traurig gewesen wie hier. Mein erster Schultag hier war furchtbar, keine einziger Mensch hat mit mir gesprochen, auch meine Klassenlehrerin hatte einen richtig aggressiven Ton am Leibe. Ich bitte meine Eltern jeden Tag mich doch wieder zurück zu schicken, nach Amerika. Viele Freunde würden mich aufnehmen. Die Menschen dort sind wahnsinnig hilfsbereit. Auch der Unterricht hier ist so langweilig, die Lehrerin redet und wir hören zu, oder auch nicht weil es schon schwerfällt sich zu konzentrieren wenn so monoton gelabert wird. Daheim haben wir immer an super interessanten Projekten gearbeitet und viel im Klassenzimmer gelacht. Hier sind alle so genervt.
Ich habe zu anfang viel gelächelt, so bin ich ja auch aufgewachsen aber genützt hat es nicht so viel.
Meiner Schwester geht es auch so ähnlich aber die ist schon 17 und will bald wieder fort.
Meine Mum sagt aller Anfang ist schwer aber ich möchte nur sagen, so einfach wie viele sich das hier vorstellen, mal kurz lächeln und dann wirds scho werden, ist es nicht. Viele wissen bestimmt gar nicht wie lustig und vielfältig und anders das Leben sein kann und sind zufrieden mit dem was sie haben,
ist ja auch ok.
Ja, so ist das, jeder hat seine eigene Geschichte.
PS
Und falls sich jemand wundert, dass ich um diese Zeit einen Kommentar abgeben kann, ich habe die Grippe.
November 9th, 2011 at 08:07
Oh Clara, das hört sich wirklich schlimm an. Du scheinst ein Stück des tristen, dunklen Deutschland erwischt zu haben, das es zweifelsohne gibt. Und eine doofe Schule. Sieh Dich doch vielleicht nach Alternativen um? Ich bin in meiner Schulzeit auch oft als “Neue” irgendwo reingekommen, weil meine Eltern Berufe hatten, die häufige Ortswechsel erforderten. Das hab ich auch oft als sehr schwierig erlebt. Manchmal ist man sofort mittendrin und manchmal lange “außen vor”. Ich wünsche Dir, dass Du Dich bald gut eingelebt hast und gute Freunde findest! Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste im Leben (gleich nach dem Humor): dass man verwandte Seelen findet. Und die findet man eigentlich überall, auch wenn man manchmal ein bisschen suchen muss. Alles Gute für Dich!
November 9th, 2011 at 09:14
Es ist halt immer und immer wieder spannend, wegzugehen und anzukommen……..
und ich glaube auch, dass es Gegenden gibt, die mir mehr liegen, und andre liegen mir weniger, einfach von der Grundstimmung her. Das kann man nicht pauschalisieren.
@Clara: wenn Du mal in den Ferien nach Berlin kommen willst: auch hier ists wieder ganz anders und Du bist mir herzlich willkommen, wir finden einen Weg zueinander! Gib mir ein Zeichen..
November 9th, 2011 at 10:48
@Clara: Ich habe gerade etwas ähnliches mit meiner Tochter erlebt. Wir sind allerdings nur innerhalb Deutschlands umgezogen. Sie mußte im Februar zum Halbjahreswechsel ihre neue Schule besuchen und war anfangs so unglücklich, dass ich tatsächlich überlegt habe, mit ihr wieder an unseren früheren Wohnort zurückzuziehen. Ihre Mitschüler waren sehr humorlos, sehr auf Äußerlichkeiten fixiert und der Unterricht nicht sehr interessant. Nun ist sie in der Oberstufe (sie ist 16 Jahre) und hat endlich Freunde gefunden und der Unterricht ist sehr viel interessanter. Und sie hat einen Sport entdeckt, der ihr hier Freude macht (zu Hause ist sie geritten) und das hilft auch sehr beim eingewöhnen. Aber am Anfang hatte sie auch ihre Fröhlichkeit verloren, die jetzt aber glücklicherweise zurückkehrt. Aber da ich Familie und Freunde in Bayern habe, weiß ich, dass im dortigen Schulsystem der Druck sehr groß ist, und wenig Raum für Spaß lässt. Vielleicht kannst du ja die Schule wechseln und jetzt fängt die Skisaison an, eventuell ist das etwas für dich. Eine frühere Schulfreundin von mir, die auch als Jugendliche nach München zog, fand ihren Freundeskreis, der bis heute existiert, beim Alpenverein. In ihrer Schule hat sie gleichfalls nur gelitten. Und ich möchte mich Almuth anschliessen: Wir wohnen in der Nähe von Potsdam, und wenn du magst, besuch uns mal. Und nun gute Besserung.
November 9th, 2011 at 11:25
Hallo Kristiane & Almuth,
lieben Dank für Ihre netten Kommentare an unsere Tochter.
Ich möchte noch kurz anmerken, dass es ganz reizende Leute hier gibt!
Wir sind herzlich empfangen worden, wohnen wunderschön und alles geht sehr korrekt zu.
Wir haben uns eigentlich auf Deutschland gefreut, auf die Nähe zu alten Freunden, besonders auf die Großeltern und unsere Erwartungen diesbezüglich wurden nicht enttäuscht
Was uns aber sehr sehr sehr zu schaffen macht ist der Alltag. Ob in der Schule,im Beruf oder in Geschäften des tgl. Bedarfs, es herrscht eine deutlich kühlere, ignorante und frustrierte Atmosphäre,
DIE WIR IM AUSLAND VERGESSEN HATTEN.
Ich denke oft Leute, lääächeln, seid doch ein wenig kreativer-spontaner-easygoing.
Unsere Tochter kann aber ihrer Umgebung nicht vorwerfen, dass sie ist wie sie ist, sondern muss versuchen sich zu arrangieren. Das nenne ich Lebensschule. Und wenn sie unbedingt (so wie wir alle) wieder “nach Hause” möchte, dann muss sie daran arbeiten, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht.
Wenn man etwas wirklich wirklich möchte, funktioniert das auch!!!!
November 9th, 2011 at 11:28
Hallo Bea,
auch danke! Trifft den Punkt:
Clara lächelt schon wieder
November 9th, 2011 at 12:25
…und ganz fürchterlich finde ich persönlich, dass ich bemerke, wie anders ich selbst bin, je nachdem, ob ich hier oder im Ausland bin. Ich lächle auch viel mehr, wenn ich woanders bin, ich bin offener und so viel freundlicher zu den Menschen. Hier merke ich selbst, dass ich eigentlich jemand bin, der ich nicht sein will: oft unwirsch und unfreundlich und dann aber gleichzeitig genervt von der Unfreundlichkeit der Anderen. Fieser kleiner Teufelskreis.
November 9th, 2011 at 13:01
Ja, mir geht es genauso, “bitte nicht anstecken lassen” denke ich oft.
Bontés hat es einfach aber treffend formuliert: “Ich mag MICH lieber” …wenn ich im Ausland bin.
November 9th, 2011 at 13:04
An Clara’s Mama: Ja, das denke ich auch – sich durch schwierige Phasen beißen zu müssen, trainiert fürs Leben, das nun mal kein Ponyhof ist. Und später können Kinder dann hingehen, wo sie wollen und haben sich, mit etwas Glück, ein paar seelische “Muckis” antrainiert, die ihnen dann zugute kommen. Es ist schon seltsam mit Orten: manche widersetzen sich einem, andere nehmen einen mit offenen Armen auf. Oft spürt man das ganz schnell: Hier werd ich’s schwer haben. Oder: Hier wird’s mir gutgehen, alles wird einfach sein. Interessantes Phänomen!
November 9th, 2011 at 13:55
Hach, ist das alles spannend! Ich bin selbst “Betroffene”, in Spanien aufgewachsen, dann jahrelang in Deutschland gelebt, letztes Jahr ein Jahr Schottland genossen. Und JA: Die Leute dort, die Schotten, die waren sowas von superfreundlich, alle haben einen ständig angelächelt, mit einem gesprochen, sich entschuldigt, wenn man sie versehentlich angerempelt hat – eine andere Welt. Dann zog ich zurück, und zwar nach Mecklenburg, vorher lebte ich in Hamburg. DAS war ein Kulturschock! Die Menschen hier gucken WEG, wenn man sie grüßt, von Lächeln ganz zu schweigen, haha. Ich konnte es kaum fassen.
ABER: Ich habe durchgehalten, weiter gelächelt, gegrüßt, mich auf die Mentalität eingelassen und nach ein paar Wochen nicht mehr gedacht, dass alle doof und unfreundlich sind – es können doch nicht alle Mecklenburger unfreundlich sein! – und siehe da, ich fühle mich jetzt ganz anders. Ich lebe hier so, als wäre ich im Ausland, will sagen: betrachte die Menschen mit Interesse, versuche, Kontakt zu knüpfen – und es gelingt! Ich empfinde mein Leben hier tatsächlich momentan als genauso abenteuerlich und spannend-neu, wie das Leben im fremden Schottland.
(Die Schotten übrigens sagten alle, also alle, mit denen ich darüber sprach, dass sie niemals in London würden leben wollen, da seien die Leute SO unfreundlich – ich bete, dass sie nicht nach Mecklenburg kommen, hihi.)
November 9th, 2011 at 13:56
PS: Wo ist eigentlich Meike, hm??!!
November 9th, 2011 at 14:07
Bestimmt im Land unterwegs, Bilder für uns besorgen.
November 9th, 2011 at 15:03
2 tage nix im BLOG, schon ertappe ich mich beim Sorgen machen.
November 9th, 2011 at 15:44
Jens-Peter, das geht mir auch so.
November 9th, 2011 at 15:46
Keine Sorge, Leute, es geht mir gut. Bisschen viel zu tun derzeit und bisschen viel Termine um die Ohren. Aber der nächste Eintrag kommt bestimmt.
November 9th, 2011 at 16:04
Ach so, danke!
Also ich möchte auch noch mal ein Detail festhalten:
Habe 7 Jahre in Singapur gelebt und festgestellt, wenn denn das Wetter hier nicht manchmal sooo grässlich wäre, 12 Monate Herbst mit kurzen Unterbrechungen, ja dann wäre es für viele Heimkehrer einfacher!
Ich habe mich nach weiteren 7 Jahren in Deutschland noch immer nicht an die fehlende Licht- und Farbpalette gewöhnen können.
Sind die Leut’, egal wo, nicht alle offener und lockerer, wenn die Temp. stimmt und die Sonne scheint?
November 9th, 2011 at 17:25
da isse ja wieder …. puh
November 9th, 2011 at 17:50
@Clara’s Tochter
Deinen Mitschülern entgeht ja wohl was, wenn sie Dich nicht ausquetschen wie es sich in Asien oder Amerika lebt. Vielleicht fühlen sie sich auch uncool mit ihren im Verhältnis zu dir langweiligen Lebensläufen.
Das wird besser, da bin ich mir ganz sicher!
November 9th, 2011 at 21:59
Auch wenn mein Ausland “nur” das nahezu komplett sichere Hong Kong war, so musste ich doch leicht grinsen bei der “Bar jeder Vernunft” – denn bei ähnlichem Verhalten habe ich mich in HK auch ertappt.
So leicht mir der Anschluss, das Aufsaugen und Anpassen in HK fiel, so schwer fiel mir die Reintegration in Deutschland nach fast einem Jahr Glückseligkeit.
Doch was tun? Also habe ich meinen “Hong Kong Spirit” einfach weiter hier ausgelebt, was für den einen oder anderen vermutlich echt anstrengend war (und ist), aber ich für mich habe gemerkt, dass sogar dieses graue, düstere, muffige Deutschland wieder ganz nett sein kann, wenn man sich selbst die Farbe mitbringt, die man hier vermisst.
Dennoch: Auf Dauer möchte ich hier nicht bleiben. Zurückkommen, irgendwann, das ja.
November 9th, 2011 at 22:08
Meike in Hawaii wär es mir andres gegangen, nur jetzt bin ich froh um den neuen Blog !
November 11th, 2011 at 14:41
Hab mir das Buch sofort gekauft, das von Frau Frentzen, und muss leider, leider sagen, dass es furchtbar ist. Clicheehaft in jeder Hinsicht, besonders sprachlich, ohne jede Selbstkritik oder Humor. Schade.
November 11th, 2011 at 15:12
Schade, das tut mir leid. Es klang ganz verheißungsvoll.