Hinaus & hinein
Heute vor 170 Jahren, las ich gerade, am 5. Juli 1841 also, wurde der Massentourismus erfunden. Unter der Leitung von Thomas Cook fuhren 570 Reisende mit der Eisenbahn von Leicester ins 20 Kilometer entfernte Loughborough und zurück. Für den Preis von einem Schilling gab es einen Stehplatz 3. Klasse in offenen Waggons, ein Schinkenbrot und eine Tasse Tee. Diese Reiseveranstaltung kam so gut an, dass Cook ab da weitere Pauschalreisen organisierte: nach Schottland, London, Ägypten und bald um die ganze Welt. Den Hotelvoucher hat er auch gleich miterfunden.
Der Diana-Tourismus ist dagegen noch relativ neu: Zum Todestag oder jetzt zu ihrem 50. Geburtstag am 1. Juli reisen immer noch Menschen weitaus längere Strecken als nur 20 Kilometer, um ein paar Blumen niederzulegen. Fans aus aller Welt haben teils sehr rührende Glückwunschkarten an den Zaun vor dem Kensington Palace gehängt und anschließend ihre Füße in den Diana-Brunnen des benachbarten Hyde Park.
Aber ich war eigentlich aus einem anderen Grund in den Park gegangen. Einer meiner Lieblingsarchitekten, der Schweizer Peter Zumthor, hat in diesem Jahr den Pavillon vor der Serpentine Gallery gebaut. Ich bin mal drei Tage lang sehr, sehr glücklich in seiner magischen Therme in Vals herumgedümpelt, die übrigens auch jede Reise wert ist, egal wie weit. Sogar dritter Klasse mit Schinkenbrot.
Peter Zumthor: Therme Vals by vernissagetv
Für Kensington Gardens hat er einen Hortus Conclusus gebaut. Von außen ein abweisend schwarzer Kasten, innen ein zum Himmel geöffneter Garten von Piet Oudolf, der nun wiederum einer meiner Lieblingsgartenarchitekten ist. Er macht ganz unmanikürte, wunderbar atmosphärische Steppenlandschaften mit vielen Gräsern und Wildblumen. Als ich mal einen Dachgarten hatte, habe ich hemmungslos bei ihm geklaut. Hier bildet die Wildheit einen schönen Kontrast zum klösterlichen strengen Kreuzgang des Pavillons.
Wieder mal erstaunlich: wie sehr einen solche Orte sofort zur Ruhe bringen. Hinein geht man vielleicht mit Einkaufslisten im Kopf, Ärger im Herzen, Blei in den Füßen. Heraus kommt man geklärt und beruhigt, beschützt und beschenkt.
Serpentine Gallery Pavilion 2011, Kensington Gardens, noch bis 16. Oktober
Juli 6th, 2011 at 04:41
wunderbar. Da waere ich jetzt auch gerne. Piet Oudolf ist auch genial, hat die High Line hier in NY auch mitgestaltet. Und Zumthor. Die Thermen stehen schon lange auf meiner Wunschliste…Danke fuer die wunderbaren Fotos
Juli 6th, 2011 at 06:02
Peter Zumthor… der hat auch in Bregenz das Kunsthaus gebaut. Ein Lokalpolitiker wollte dann aber ein großes Aussichtsfenster, damit man den Bodensee sehen kann. Aber Zumthor bestand darauf, daß dies eben ein Kunsthaus und kein Aussichtsturm sei… Das war nur eine von mehreren unsinninigen Diskussionen, die er aussaß um ein herrliches Projekt nach seinen Vorstellungen zu realisieren…
Juli 6th, 2011 at 07:44
Das sieht so wunderbar nach Ruhe aus. Und wie schön mit den Tischen und Stühlen drum herum. Sicherlich eine schöne Art im Park, der so wie so schon so schön weitläufig ist, ein Platz der Ruhe und Abgeschiedenheit zu haben. So wirkt es jedenfalls auf mich.
Liebe Grüße
Ulrike
Juli 6th, 2011 at 07:44
Findet man dort wirklich Ruhe – trotz der “Gastronomie-Tische”, trotz der vielen Menschen – wie ist die Akustik ?? Ich hoffe, Du hast eine kontemplative Ecke gefunden!
Juli 6th, 2011 at 08:15
@Aimée: erstaunlicherweise ja. Die Tische täuschen, hier wird nichts serviert – außer eben Ruhe. Die Wände sind mit Sackleinen bespannt, das schluckt anscheinend die Konversationen, die es durchaus gibt. Obwohl die meisten die Sache automatisch schweigend genießen.
Juli 6th, 2011 at 08:34
HALLO Meike,
da hast Du ja wieder einen Raum der Stille gefunden ! Und dazu noch so fein begrünt!
Das Hamburger Team vom Raum der Stille denkt oft an Dich und begleitet Deine Reise aufmerksam und (jedenfalls ich) sehr dankbar.
Alles Liebe ! Ingeborg
Juli 6th, 2011 at 08:54
@Ingeborg, Du merkst es schon: Ich versuche, in jeder Stadt einen Raum der Stille zu finden. Nur in Hawaii war es eher ein Strand der Stille…
Juli 6th, 2011 at 13:25
Hallo Frau Winnemuth,
ich hatte ihn fast schon vergessen seit letztem Jahr (oder war’s doch schon vorletztes?), aber dank Ihnen ist dieser Gutschein für die Therme Vals plötzlich wieder brandaktuell und wird umgehend eingelöst!
Für London noch einen möglichen Tipp (wenn ich jetzt vor Ort wäre, würde ich selbst hingehen): Vom 1. bis 24. Juli werden im Rahmen des London Street Photography Festival 2011 Bilder von Vivian Maier ausgestellt, einer etwas seltsamen, aber anscheinend auch recht interessanten Frau…
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,744038,00.html
http://vivianmaier.blogspot.com/2011/04/new-vivian-maier-website-is-online.html
Ach, und: Viel Vergnügen bei Take That heute Abend!
Juli 6th, 2011 at 13:32
@ Angi
Hi, muß hier doch mal meiner Kosenamens-Vetterin kurz schreiben.
So werde ich von meiner Familie und Freunden schon seit 54 Jahren gerufen. Offiziell natürlich
immer Angelika, aber persönlicher ist Angi. Habe vorhin kurz gestutzt, als ich die Kommentare
las. Wie lautet Ihr korrekter Vorname, auch Angelika oder Angela. Und wie wird es ausgesprochen? Ich mag nicht so gerne “Entschi” – außer mal kurzfristig als Teenie, als die Stones
ihr berühmtes Angie sangen -.
Liebe Grüße von Angi aus Berlin
Juli 6th, 2011 at 13:49
…schöner Mann in der Stille ;o)
….und in diese Therme muss ich unbedingt auch mal!
ich lerne hier richtig viel in diesem Blog
)
herzliche Grüsse
Juli 6th, 2011 at 14:00
Erinnert mich sehr an den Schweizer Expo Pavillon 2000 in Hannover
Juli 6th, 2011 at 14:14
Oh wie schön.
Gruß aus HH – nach Tagen der Kühle nun fieseste Schwüle (erlösendes Gewitter will nicht recht in Schwung kommen). Würd meine Mauken (für Nicht-Hamburger: Füße) auch gern ins kalte Wasser halten (Bild No.3). Immerhin, solche ähnlichen Liegestühle (Bild No.4) for free haben wir an der Alster auch. Man sagt der Hansestadt ja eine gewisse Ähnlichkeit mit London nach. Peter Zumthor – klasse. Haben wir hier im Norden auch irgendwo was von dem Mann?
Juli 6th, 2011 at 18:31
Das Gotteshaus von Bruder Klaus
Liebe Frau Winnemuth, liebe Meike,
wie redet man Sie eigentlich an ? Egal !
Peter Zumthor, wunderbar. Ich kannte die Therme nicht, klingt aber ausgesprochen gut.
Falls es dann im nächsten Jahr in heimischen Gefilden mal eines Kontrastprogramms bedarf:
Das Gotteshaus von Bruder Klaus in Wachendorf – Gemeinde Mechernich – tiefe Eifel. Falls sie es noch nicht kennen (was ich mir fast nicht vorstellen kann) dann bitte an einem der düsteren Eifeltage, an denen die Sonne keine Chance hat, dorthin pilgern, und sich von der besonderen Atmosphäre der Kapelle, die Zumthor geschaffen hat, einfangen lassen. Karg – und klasse.
http://www.revierkucker.de/index.php?option=com_content&view=article&id=93&Itemid=98
Lieben Gruß
Norway
Juli 6th, 2011 at 21:41
@Emmily: Dass Dich das sehr an den Schweizer Expo-Pavillon erinnert, ist kein Zufall..
Denn dessen Architekt war Zumthor.
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Zumthor#Werke_.28Auswahl.29
http://www.floornature.de/progetto.php?id=4032&sez=30
Juli 7th, 2011 at 09:49
wunderschön. wir haben es letzten monat leider nur im aufbau begriffen sehen.
ich schließe mich susanne an und empfehle die vivian maier-ausstelllung. großartige fotografin!
wenn es nicht ohnehin schon auf der liste steht, würde ich noch zu einem besuch im “haus des sammlers” raten:
http://faz-community.faz.net/blogs/ding/archive/2010/01/07/das-haus-des-sammlers-sir-john-soane-s-museum.aspx
Juli 8th, 2011 at 21:13
@Angelika: Mit vollem Namen heiße ich Angela. Und, hach: Es weiß tatsächlich keiner, wie man’s richtig aussprechen soll…. Ich hab wirklich schon jede Version gehört